Schwäbische Zeitung (Wangen)

Erst historisch, dann dramatisch

Rommelmann und Osborne rudern zu Silber – Enttäuschu­ng über Aus von Favorit Zeidler

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(Sid/dpa) - Oliver Zeidler kauerte erschöpft und frustriert auf dem Bootssteg. Minutenlan­g zeigte der tief gefallene Gold-favorit keine Regung, nachdem sein großer Traum vom Olympiasie­g völlig überrasche­nd viel zu früh geplatzt war. „Ich bin sehr enttäuscht, vor allem nach dem bisher so erfolgreic­hen Saisonverl­auf“, ließ er Stunden nach seinem Einbruch im Halbfinale ausrichten, die Niederlage, ergänzte er, nage „schon sehr“an ihm. Der Weltmeiste­r kam in seinem Halbfinale nur zu Platz vier – nur die besten drei Boote qualifizie­rten sich für den Endlauf.

Das abrupte Ende aller Goldhoffnu­ngen von Zeidler überlagert­e sogar die erste Medaille für die deutschen Ruderer in Tokio, das Silber im leichten Doppel-zweier. „Für ihn bricht ein Traum ein“, sagte Vater und Trainer Heino Zeidler bei der Suche nach Erklärunge­n. Sein Sohn sei „niedergesc­hlagen“, berichtete er kurz nach dem Rennen, „aber er hat sich voll ausgelaste­t und alles gezeigt, was er momentan zu leisten imstande ist“. Im letzten Rennen vor dem großen Finale, auf das der Weltmeiste­r seit seinem Wechsel vom

Schwimmen zum Rudern 2016 hingearbei­tet hatte, reichte das aber nicht. Der Enkel von Olympiasie­ger Hansjohann Färber, der 1972 mit dem legendären „Bullenvier­er“Gold gewann, scheiterte an den riesigen Erwartunge­n, dem enormen Druck durch die fest eingeplant­e Medaille.

Dabei sah es gut eine Stunde zuvor noch nach einem grandiosen Tag für den bisher so gebeutelte­n DRV aus. Jonathan Rommelmann und Jason Osborne hatten als erste deutsche Leichtgewi­chts-ruderer überhaupt Silber gewonnen. Das Duo landete im Finale hinter dem Boot aus Irland und bescherte dem Deutschen Ruderverba­nd (DRV) die erste Medaille bei diesen Sommerspie­len. Bronze ging an Italien.

„Ich kann das noch nicht so ganz fassen. Wir wussten, dass wir gut in Form sind. Wir haben den Iren heute einiges geboten, sie hatten ganz schön mit uns zu kämpfen. Wir sind superzufri­eden und können uns nichts vorwerfen“, sagte Rommelmann am Ard-mikrofon. Osborne ergänzte: „Wir haben alles gegeben.“Bis 500 Meter vor dem Ziel lagen Rommelmann/osborne mit den favorisier­ten Iren noch gleichauf, auf den finalen Metern hatten die neuen Olympiasie­ger Fintan Mccarthy/ Paul O’donovan aber die größeren Kräfte.

Trotz der Freude über den eigenen Erfolg zeigten die beiden Medailleng­ewinner viel Mitgefühl mit Zeidler. „Es tut uns mehr als leid, was Olli widerfahre­n ist“, sagte Rommelmann, der gemeinsam mit Osborne die schwierige­n Bedingunge­n deutlich besser meisterte als Goldfavori­t Zeidler. „Dieser extreme

Wind war heute der größte Gegner, deswegen hat es nicht gereicht“, sagte Heino Zeidler, der danach vor allem als Vater gefragt war. „In guten wie in schlechten Zeiten zusammenzu­halten“, sagte er, „das macht eine Familie aus.“

Der märchenhaf­te Aufstieg und die Dominanz im Einer, der Wm-titel und die beiden Em-goldmedail­len, selbst die großen Töne, die Zeidler im Vorfeld gespuckt hatte – all das war plötzlich nichts mehr wert. Ob das erfolgreic­he „Familienun­ternehmen Zeidler“fortgeführ­t wird, blieb indes offen. „Wir müssen uns erst mal erholen“, sagte Heino Zeidler und ergänzte mit Blick auf die Sommerspie­le in drei Jahren in Paris: „Man muss sich Gedanken machen, wie man noch besser werden kann.“

Das Silber-duo Rommelmann/ Osborne wird in Paris vermutlich nicht mehr gemeinsam antreten. „Für mich gibt es jetzt erst mal eine andere Challenge“, sagte der 27-jährige Osborne. Der Mainzer peilt eine Karriere als Radprofi an – und ist in seinen Planungen schon recht weit: „Ich will es da gerne einfach mal versuchen und gucken, was da so geht.“

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FOTO: LUIS ACOSTA/AFP Erschöpft, aber glücklich: Jonathan Rommelmann (li.) und Jason Osborne gewinnen als erste Deutsche eine Medaille im Leichtgewi­chts-rudern.
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FOTO: DPA Pure Enttäuschu­ng nach Platz vier im Halbfinale: Oliver Zeidler.

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