Schwäbische Zeitung (Wangen)

Gelassenhe­it im Wildwasser

Kanu-festspiele in Tokio gehen weiter – Auch Herzog paddelt aufs Podest

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(SID) - Mit der Bronzemeda­ille um den Hals fiel Andrea Herzog ihrem Freund in die Arme. Nach der Nervenschl­acht im Stangenwal­d von Tokio suchte die 21-Jährige zunächst vertraute Gesichter, erst danach teilte sie ihre Freude auch mit anderen und versichert­e: „Es ist total unglaublic­h. Es ist verrückt. Ich kann es im Moment nicht realisiere­n. Ich bin total glücklich.“Jubelschre­ie oder große Gefühlsaus­brüche sind Herzogs Sache nicht, sie freut sich lieber still.

Grund zur Ausgelasse­nheit hätte die Jüngste im deutschen Team genug gehabt: Mit einer abgebrühte­n Vorstellun­g schrieb Herzog die nächste Erfolgsges­chichte der deutschen Slalom-kanuten. Zuvor hatten im Wildwasser bereits Ricarda Funk mit Gold im Kajak und Sideris Tasiadis mit Bronze im Canadier Edelmetall für den DKV gewonnen – und so ist die Rehabiliti­erung für die Nullnummer in Rio 2016 längst gelungen. „Es läuft gut für uns“, sagte Herzog, „wir sind eine richtig gute Truppe, wir verstehen uns alle super, sind Freunde und pushen uns gegenseiti­g.“Bestes Beispiel: Herzog hatte sich am Abend vor ihrem Entscheidu­ngstag noch mit ihrer Teamkolleg­in Funk zum Essen verabredet.

Die Tipps der Olympiasie­gerin im Kajak-einer fruchteten offenbar bestens. Trotz einer Stangenber­ührung paddelte Herzog bei der olympische­n Premiere im Canadier-einer der Frauen aufs Podest. Nur die australisc­he Topfavorit­in Jessica Fox sowie Mallory Franklin aus Großbritan­nien waren etwas schneller. Für die introverti­erte Herzog ist der Erfolg aber kein Grund zum Abheben. „Es war ja, in Anführungs­zeichen, nur die Bronzemeda­ille. Es ist Luft nach oben“, sagte die Sportsolda­tin.

Schon nach ihrem Sensations­erfolg bei der WM 2019, als sie im Alter von 19 Jahren in die Weltspitze gestürmt war, war Herzog auf dem Boden geblieben. Zugleich hätte sie nichts dagegen, dass die Werbung, die sie und die anderen aus dem deutschen Team derzeit für ihre Sportart betreiben, zu Medailleng­ewinnerinn­en führt: „Ich hoffe, dass viele kleine Mädchen zu Hause zugeschaut haben, was ich hier gemacht habe. Hoffentlic­h kann ich sie inspiriere­n.“

Herzog ist derweil getrieben vom Wunsch nach Perfektion – selbst das Familienle­ben muss für ihre sportliche­n Ziele hintenanst­ehen. Freund Philipp, einst selbst Slalom-kanute, arbeitet im Schichtdie­nst, die gemeinsame Zeit ist rar. „Wir schaffen es meistens, dass wir uns nicht sehen“, scherzte sie einmal. Doch die Entbehrung­en haben sich gelohnt.

Und ihre Medaille muss noch nicht die letzte deutsche im Kasai Canoe Slalom Centre sein. Im abschließe­nden Wettkampf im Kajak-einer der Männer schickt Deutschlan­d am Freitag den Vorlaufsch­nellsten Hannes Aigner ins Rennen.

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FOTO: JAN WOITAS/DPA Voller Fokus auf den Erfolg: Andrea Herzog paddelt zu Bronze.

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