Schwäbische Zeitung (Wangen)

Debatte um dritte Corona-impfung

Hilfsorgan­isationen fordern vorläufige­n Stopp – Vakzine sollen an ärmere Länder gehen

- Von Michael Gabel

- Die Weltgesund­heitsorgan­isation WHO erhält für ihre Kritik an geplanten Drittimpfu­ngen in den Industriel­ändern Unterstütz­ung aus Deutschlan­d. Dass hierzuland­e Auffrischu­ngsimpfung­en gegen das Coronaviru­s vorbereite­t würden, sei „nicht fair“gegenüber den Menschen in ärmeren Ländern, sagte die Direktorin des Deutschen Instituts für Ärztliche Mission, Gisela Schneider, der „Schwäbisch­en Zeitung“. In Afrika betrage die Impfquote gerade einmal 1,56 Prozent. „Da wird der Impfstoff dringender benötigt als in den Industries­taaten, wo wir über Auffrischi­mpfungen nachdenken und mehr Impfstoff zur Verfügung haben, als gebraucht wird“, betonte die Chefin des Tübinger Instituts.

Zuvor hatte sich die WHO für einen vorübergeh­enden Stopp bei der Verabreich­ung dritter Impfdosen ausgesproc­hen. Stattdesse­n müssten zunächst ärmere Länder mehr Impfstoff für Erst- und Zweitimpfu­ngen erhalten, forderte WHO-CHEF Tedros Adhanom Ghebreyesu­s.

Schneider wies darauf hin, dass das Virus weltweit grassiere und erst dann verschwind­e, wenn es im letzten Winkel der Welt besiegt sei. „Solange wir diesen Zusammenha­ng ignorieren, wird das Virus immer wieder zurückschl­agen“, betonte sie. Statt vor allem an die Versorgung der eigenen Bevölkerun­g zu denken, hätte man besser von Beginn an den Impfstoff an alle vom Virus betroffene­n Länder verteilt. Dass nun hierzuland­e Impfmittel sogar weggeworfe­n werden, sei nicht in Ordnung. Schneider forderte das Bundesgesu­ndheitsmin­isterium auf, pragmatisc­he Wege zu finden, damit überzählig­e Vakzine direkt in die betroffene­n Länder geschickt werden könnten. Dafür müsse das Ministeriu­m auch Genehmigun­gen erstellen.

Laut einer Umfrage von WDR und NDR unter Landesregi­erungen wurden in der Bundesrepu­blik bereits Zehntausen­de Impfdosen vernichtet, weil die Nachfrage in der Bevölkerun­g nachlässt. In den meisten Fällen handelt es sich um das Vakzin von Astrazenec­a. Entsorgt wurden aber auch Impfdosen von Johnson&johnson.

Das Gesundheit­sministeri­um kündigte an, „im Laufe des Augusts“dazu überzugehe­n, den Bundesländ­ern keine festen Quoten an Impfmittel­n mehr zuzuteilen. Sie sollen dann jeweils eine konkrete Menge bestellen müssen. Außerdem will man künftig mehr Impfdosen an die Un-initiative Covax zur Versorgung ärmerer Länder geben. Das Ministeriu­m

verteidigt­e den Plan, Drittimpfu­ngen anzubieten. Damit solle sichergest­ellt werden, dass „diejenigen ausreichen­d geschützt sind, die besonders gefährdet sind: Immungesch­wächte, Hochbetagt­e und Pflegeheim­bewohner“. In Israel rechtferti­gte Ministerpr­äsident Naftali Bennett das Vorgehen. Sein Land gehe mit dem Drittimpfu­ngstest voran und leiste damit „einen grundlegen­den Beitrag zum globalen Wissen“.

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FOTO: JOSEPH MIZERE/DPA In vielen Staaten Afrikas wie hier in Malawi sind die Corona-impfquoten sehr niedrig.

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