Kampf gegen Netflix und Amazon
Bertelsmann will mit der Fusion von RTL und Gruner + Jahr einen „nationalen Champion“schaffen, um gegen Streamingdienste zu bestehen
(dpa) RTL Deutschland übernimmt die deutschen Magazingeschäfte und -marken des Hamburger Zeitschriftenverlags Gruner + Jahr. Der Abschluss des Deals in Höhe von 230 Millionen Euro ist für den 1. Januar 2022 vorgesehen, wie die europäische Mutter des Medienkonzerns, die Rtl-group in Luxemburg, am Freitag mitteilte. Die Übernahme des Kerngeschäfts von Gruner + Jahr vereinbarten die RTL Deutschland und das Medienunternehmen Bertelsmann, das der alleinige Gesellschafter des Zeitschriftenverlags ist. Bertelsmann hält zudem die Mehrheit der Anteile an der börsennotierten Rtl-group.
Bertelsmann verfolgt schon länger die Strategie, dass in europäischen Märkten durch Zusammenschlüsse schlagkräftigere Medienunternehmen entstehen, um auf nationaler Ebene mit den internationalen
Tech-plattformen konkurrieren zu können. Zu Gruner + Jahr zählen Titel wie „Stern“, „Geo“, „Brigitte“, „Essen & Trinken“, „Schöner Wohnen“und „Gala“. Es gehören auch jüngere Marken wie „Chefkoch“dazu. 2020 lag der Umsatz des Hamburger Zeitschriftenverlags bei rund 1,14 Milliarden Euro.
Thomas Rabe, in Personalunion Chef von Bertelsmann und der Rtlgroup, sprach von einer Zusammenführung von RTL Deutschland und Gruner + Jahr, man wolle einen crossmedialen „Champion“schaffen. Dafür soll eine Organisation geschaffen werden, Details sollen in den kommenden Monaten festgelegt werden. Zusammengerechnet wären beide Einheiten 2020 auf einen Umsatz von 2,63 Milliarden Euro gekommen. Rabe betonte, dass es sich bei der Zusammenführung nicht um ein Kosten-, sondern ein Wachstumsprogramm handele.
„Es entsteht ein journalistisches Powerhouse mit der Inhalte-kompetenz von mehr als 1500 Journalisten“, sagte Rabe. Durch die Zusammenführung könnten beide Seiten ihr Potenzial besser ausschöpfen. In crossmedialen Redaktionen sollen zum Beispiel exklusive Inhalte wie Dokumentationen entstehen. Das Ziel ist, größere Recherchen über mehrere Mediengattungen auszuspielen. Es wird voraussichtlich übergreifende
Ressorts geben, die Identität der einzelnen Marken soll erhalten bleiben. Jährlich könnten perspektivisch Synergien von rund 100 Millionen Euro erzielt werden, die mehrheitlich umsatz-, also wachstumsgetrieben sind. Über die künftige Führungsstruktur der Organisation wurde noch nichts bekannt.
RTL übernimmt allerdings nicht alle Geschäfte des Hamburger Verlags. So bleiben bei Bertelsmann etwa die 25-Prozent-beteiligung an der Spiegel-gruppe und die Beteiligung an der DDV Mediengruppe, zu der die „Sächsische Zeitung“gehört.
Die Rtl-group steuert im Bertelsmann-konzernportfolio den vergleichsweise größten Umsatzanteil bei. Die Rtl-group geht davon aus, dass der eigene Umsatz im Jahr 2021 bei 6,5 Milliarden Euro liegen werde.
Im Februar war bekannt geworden, dass RTL Deutschland und der Hamburger Zeitschriftenverlag eine stärkere Zusammenarbeit ausloten. Es sollten verschiedene Optionen geprüft werden. Das Ziel war neben einer engeren Kooperation auf verschiedenen Feldern auch die Entwicklung einer gemeinsamen Wachstumsstrategie.
Bertelsmann setzt schon seit Längerem auf die inhaltliche Verzahnung von Unternehmensbereichen. Im Medienbereich ist das deutlich zu sehen: Zeitschriftenmarken, TV und der Audiobereich tauschen Inhalte aus und gehen für Projekte Kooperationen ein. So entstehen zum Beispiel gemeinsame Dokus oder Podcasts. Dahinter steht auch die Strategie „Champions“– also Größe in einem Marktumfeld. Rabe betonte in den vergangenen Monaten immer wieder, dass er nationale „Champions“in europäischen Märkten schaffen wolle, um so auch internationalen Streamingkonkurrenten wie Netflix und Amazon regional etwas entgegensetzen zu können. Rabe sagte zu RTL und Gruner + Jahr: „Wir wollen von einer punktuellen Zusammenarbeit in einzelnen Bereichen zu einer systematischen Zusammenarbeit kommen.“