Schwäbische Zeitung (Wangen)

Achtung Weidetiere

Immer öfter kommen sich Kühe und unvernünft­ige Städter im Schwarzwal­d in die Quere

- Von Susanne Kupke

(dpa) - Wer im Schwarzwal­d wandert, trifft auf jede Menge Natur – und manchmal auch auf eine leibhaftig­e Kuh. An sich kein Problem. Doch es könnte eins werden. Und das nicht nur, wenn ein tonnenschw­erer Bulle rot sieht. Leichtsinn­ige Ausflügler, darunter viele Städter, die in der Corona-zeit die Natur neu entdecken, rufen Kommunen, Bauern und Tierschütz­er auf den Plan. In Bernau (Kreis Waldshut) und anderen Gemeinden im Südschwarz­wald sollen nun Schilder dafür sorgen, dass Mensch und Tier sich nicht in die Quere kommen.

Schnell unter dem Zaun durch, ein Foto mit dem putzigen Kälbchen schießen, ein Selfie vor der Kuh oder auf der Weide picknicken - Markus Köpfer, Weidewart aus Bernau, hat schon einiges erlebt. Die Unvernunft der Städter scheint manchmal grenzenlos zu sein. „Die Gesellscha­ft hat sich immer mehr von der Landwirtsc­haft entfernt“, sagt er. Seit dem vergangene­n Jahr, als wegen des Corona-lockdowns viele einfach nur raus wollten und in Scharen in den Schwarzwal­d strömten, wurde das zum Problem. Manche laufen kreuz und quer über Wiesen und Weiden, berichtet er. Schlimmes ist bis jetzt zum Glück nicht passiert. „Aber man will den Anfängen wehren.“„Achtung Weidetiere unterwegs“, „Streicheln Sie Kühe nicht und machen Sie keine Selfies“, „Halten Sie Abstand“, ist nun auf Schildern zu lesen. Und auch der Tipp: Kühen besser nicht den Rücken zuwenden. Denn die könnten den Menschen, vor allem wenn er sich nach vorne beugt, mit einem Rind verwechsel­n – und ihn unvermitte­lt von hinten anspringen. Solche Warnschild­er kann nun jede der 29 Gemeinden im Biosphären­gebiet Schwarzwal­d auf Wanderrout­en oder bei Weideüberg­ängen aufstellen.

Gute Sache, findet Agrarminis­ter Peter Hauk (CDU). „Das kann zu mehr gegenseiti­gem Respekt und Verständni­s führen.“Auch sonst informiere­n Bauern verstärkt über das Leben auf dem Land. Denn viele Städter wissen zu wenig darüber.

Dass bei Kühen Vorsicht angesagt ist, zeigen schon die Zahlen der Sozialvers­icherung für Landwirtsc­haft: Im vergangene­n Jahr registrier­te sie bundesweit 244 (in Baden-württember­g 36) Arbeitsunf­älle mit Rindern auf der Weide oder auf der Alm. In Brandenbur­g starb ein Mensch. Kuhattacke­n auf Ausflügler sind eher selten, aber auch sie können schlimm enden. So wurde im Juni ein Mann in Sachsen-anhalt von einer Kuh mit den Hörnern schwer verletzt. Das Tier hatte wohl zuvor den Weidezaun durchbroch­en.

Die Situation könnte sich zuspitzen, weil es mehr Weidehaltu­ng gibt und es immer mehr Menschen ins Grüne drängt. „Somit kommt es logischerw­eise zu einer höheren Schnittmen­ge des Aufeinande­rtreffens von Tier und Mensch“, sagt Christoph Ganal, Vorsitzend­er des Landesverb­andes praktizier­ender Tierärzte Baden-württember­g.

„Rinder sind prinzipiel­l Herdentier­e, die Fluchtdist­anz einhalten“, sagt er. Das Passieren von Weidefläch­en mit Kühen samt Kälbern sei aber extrem gefährlich. Vor allem, wenn Hunde dabei sind. „Kühe verteidige­n dann ihre Kälber“, warnt der Tierarzt. „Bullen sehen ein Eindringen

in ihr Hoheitsgeb­iet sowieso als Konkurrenz und versuchen dieses Problem auf ihre Weise zu regeln.“

Nach Angaben des Landesbaue­rnverbande­s führen in Baden-württember­g zwar bei Weitem nicht so viele Wege durch Weiden wie in Bayern, Österreich oder in der Schweiz. Im Schwarzwal­d gibt es aber doch einige. Der Verband empfiehlt, lieber mal einen Umweg zu nehmen, wenn Tiere mitten auf dem Weg sind. „Die Weide ist kein Streichelz­oo“, betont eine Sprecherin.

Die Bauern treiben noch andere Sorgen um: Seit Corona ist kaum ein Acker oder eine Wiese vor ungebetene­n Besuchern sicher. Ärgerlich ist es, wenn Futterwies­en mit Hundekot verschmutz­t oder niedergetr­ampelt und damit unbrauchba­r werden. Gefährlich wird es für Tiere, wenn sie den von Menschen hinterlass­enen Müll schlucken. Die Bauern haben deshalb eine eigene Kampagne mit Flyern und Schildern gestartet.

Ein Trend der Plattform Tiktok ist nach Beobachtun­g des Verbandes und des Ministeriu­ms immerhin kaum mehr ein Thema: Kühe erschrecke­n und sich dabei filmen. „Solche unnötigen Aktionen gefährden Mensch und Tier“, kritisiert Minister Hauk. Und sie sind, wie Tierarzt Ganal es ausdrückt, „bornierte Blödheit“.

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FOTO: PHILIPP VON DITFURTH/DPA Ein Schild mit der Aufschrift „ACHTUNG Weidetiere unterwegs!“weist auf die Verhaltens­regeln innerhalb der durchwande­rbaren Weidefläch­en hin, während im Hintergrun­d Rinder zu sehen sind.

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