Achtung Weidetiere
Immer öfter kommen sich Kühe und unvernünftige Städter im Schwarzwald in die Quere
(dpa) - Wer im Schwarzwald wandert, trifft auf jede Menge Natur – und manchmal auch auf eine leibhaftige Kuh. An sich kein Problem. Doch es könnte eins werden. Und das nicht nur, wenn ein tonnenschwerer Bulle rot sieht. Leichtsinnige Ausflügler, darunter viele Städter, die in der Corona-zeit die Natur neu entdecken, rufen Kommunen, Bauern und Tierschützer auf den Plan. In Bernau (Kreis Waldshut) und anderen Gemeinden im Südschwarzwald sollen nun Schilder dafür sorgen, dass Mensch und Tier sich nicht in die Quere kommen.
Schnell unter dem Zaun durch, ein Foto mit dem putzigen Kälbchen schießen, ein Selfie vor der Kuh oder auf der Weide picknicken - Markus Köpfer, Weidewart aus Bernau, hat schon einiges erlebt. Die Unvernunft der Städter scheint manchmal grenzenlos zu sein. „Die Gesellschaft hat sich immer mehr von der Landwirtschaft entfernt“, sagt er. Seit dem vergangenen Jahr, als wegen des Corona-lockdowns viele einfach nur raus wollten und in Scharen in den Schwarzwald strömten, wurde das zum Problem. Manche laufen kreuz und quer über Wiesen und Weiden, berichtet er. Schlimmes ist bis jetzt zum Glück nicht passiert. „Aber man will den Anfängen wehren.“„Achtung Weidetiere unterwegs“, „Streicheln Sie Kühe nicht und machen Sie keine Selfies“, „Halten Sie Abstand“, ist nun auf Schildern zu lesen. Und auch der Tipp: Kühen besser nicht den Rücken zuwenden. Denn die könnten den Menschen, vor allem wenn er sich nach vorne beugt, mit einem Rind verwechseln – und ihn unvermittelt von hinten anspringen. Solche Warnschilder kann nun jede der 29 Gemeinden im Biosphärengebiet Schwarzwald auf Wanderrouten oder bei Weideübergängen aufstellen.
Gute Sache, findet Agrarminister Peter Hauk (CDU). „Das kann zu mehr gegenseitigem Respekt und Verständnis führen.“Auch sonst informieren Bauern verstärkt über das Leben auf dem Land. Denn viele Städter wissen zu wenig darüber.
Dass bei Kühen Vorsicht angesagt ist, zeigen schon die Zahlen der Sozialversicherung für Landwirtschaft: Im vergangenen Jahr registrierte sie bundesweit 244 (in Baden-württemberg 36) Arbeitsunfälle mit Rindern auf der Weide oder auf der Alm. In Brandenburg starb ein Mensch. Kuhattacken auf Ausflügler sind eher selten, aber auch sie können schlimm enden. So wurde im Juni ein Mann in Sachsen-anhalt von einer Kuh mit den Hörnern schwer verletzt. Das Tier hatte wohl zuvor den Weidezaun durchbrochen.
Die Situation könnte sich zuspitzen, weil es mehr Weidehaltung gibt und es immer mehr Menschen ins Grüne drängt. „Somit kommt es logischerweise zu einer höheren Schnittmenge des Aufeinandertreffens von Tier und Mensch“, sagt Christoph Ganal, Vorsitzender des Landesverbandes praktizierender Tierärzte Baden-württemberg.
„Rinder sind prinzipiell Herdentiere, die Fluchtdistanz einhalten“, sagt er. Das Passieren von Weideflächen mit Kühen samt Kälbern sei aber extrem gefährlich. Vor allem, wenn Hunde dabei sind. „Kühe verteidigen dann ihre Kälber“, warnt der Tierarzt. „Bullen sehen ein Eindringen
in ihr Hoheitsgebiet sowieso als Konkurrenz und versuchen dieses Problem auf ihre Weise zu regeln.“
Nach Angaben des Landesbauernverbandes führen in Baden-württemberg zwar bei Weitem nicht so viele Wege durch Weiden wie in Bayern, Österreich oder in der Schweiz. Im Schwarzwald gibt es aber doch einige. Der Verband empfiehlt, lieber mal einen Umweg zu nehmen, wenn Tiere mitten auf dem Weg sind. „Die Weide ist kein Streichelzoo“, betont eine Sprecherin.
Die Bauern treiben noch andere Sorgen um: Seit Corona ist kaum ein Acker oder eine Wiese vor ungebetenen Besuchern sicher. Ärgerlich ist es, wenn Futterwiesen mit Hundekot verschmutzt oder niedergetrampelt und damit unbrauchbar werden. Gefährlich wird es für Tiere, wenn sie den von Menschen hinterlassenen Müll schlucken. Die Bauern haben deshalb eine eigene Kampagne mit Flyern und Schildern gestartet.
Ein Trend der Plattform Tiktok ist nach Beobachtung des Verbandes und des Ministeriums immerhin kaum mehr ein Thema: Kühe erschrecken und sich dabei filmen. „Solche unnötigen Aktionen gefährden Mensch und Tier“, kritisiert Minister Hauk. Und sie sind, wie Tierarzt Ganal es ausdrückt, „bornierte Blödheit“.