Schwäbische Zeitung (Wangen)

„Das sind Methoden von Taschenspi­elern“

Fdp-fraktionsc­hef Rülke kritisiert den grünen Finanzmini­ster Bayaz – Er setzt auf einen Kanzler Laschet

- Von Kara Ballarin und Theresa Gnann

- Eigentlich wollte Hans-ulrich Rülke gerne Superminis­ter werden. Der Fraktionsv­orsitzende der FDP im baden-württember­gischen Landtag träumte von einem Ministeriu­m, das die Ressorts Wirtschaft, Energie, Verkehr und Infrastruk­tur vereint. Doch nach der Landtagswa­hl kam es anders, Rülke und die FDP sitzen weiter in der Opposition. Woran die Grün geführte Ampel in Baden-württember­g gescheiter­t ist und warum es im Bund zu einer solchen Koalition aus seiner Sicht besser nicht kommen sollte, erklärt er im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“.

Sie hätten in Baden-württember­g gerne mitregiert. Wenn Herr Kretschman­n nicht wäre, würden Sie dann heute als Minister hier sitzen?

Vermutlich. Die Entscheidu­ng gegen die Ampelkoali­tion war erkennbar eine einsame Entscheidu­ng des Ministerpr­äsidenten. Wenn er nicht mit seinem Amtsverzic­ht gedroht hätte, wie es mir inzwischen zugetragen wurde, wäre sicherlich eine andere Entscheidu­ng gefallen.

Verhandler aus den Sondierung­sgespräche­n berichten, dass Sie sich maximal kompromiss­bereit gezeigt hätten und im Falle einer Regierungs­beteiligun­g etwa auch eine Solardachp­flicht mitgetrage­n hätten. Sind das alles Lügen?

Richtig ist, dass wir bei den Sondierung­en flexibel waren. Wir haben keine unüberwind­baren Hürden aufgebaut. Aber wir hatten immer das Ziel, einen Koalitions­vertrag auszuhande­ln, der Inhalte der FDP beinhaltet. Wäre es zu einer Ampel gekommen, hätten wir uns sicher nicht so entleibt, wie es die CDU getan hat.

Was wäre dann heute anders? Was hätte die FDP verhindert oder auch schon durchgeset­zt?

Wir hätten mit Sicherheit Akzente bei der Entbürokra­tisierung gesetzt. Für uns wäre es wichtig gewesen, dass die Landesverw­altung schneller wird und dass man zum Beispiel Unternehme­n rein digital gründen kann. Wir hätten auch auf eine Absenkung der Grunderwer­bsteuer gedrängt. Wir hätten sicher die Lkwmaut und das Antidiskri­minierungs­gesetz für die Polizei und den öffentlich­en Dienst nicht mitgetrage­n. Wir hätten übrigens auch nicht den Anspruch gehabt, dass jeder unserer Abgeordnet­en Staatssekr­etär wird.

Seit Wochen gibt es Kritik daran, dass Sie im Zusammenha­ng mit aus der Pension zurückgeho­lten Staatssekr­etären im Innenminis­terium von einer Art „Staatssekr­etärs-volkssturm“sprachen. Sie sind zu schlau, um sich nicht der Nazivergan­genheit dieses Begriffes bewusst zu sein. Sind Sie diesmal in Ihrer stets scharfen Kritik übers Ziel hinausgesc­hossen?

Diese Begrifflic­hkeit stammt ursprüngli­ch aus der Zeit der französisc­hen Revolution. Und es ist bei den Staatssekr­etären nun mal eine Reverhinde­rt krutierung von Massen zu beobachten. Thomas Strobl sagt jetzt, ich würde ständig antisemiti­sche Stereotype benutzen, zum Beispiel auch den des Morgenthau-plans. Diesen Begriff hat aber zum Beispiel auch der Fraktionsv­orsitzende der Grünen, Andreas Schwarz, im Landtag verwendet. Und vom Volkssturm sprach laut Waiblinger Kreiszeitu­ng auch der Waiblinger Cdu-bundestags­abgeordnet­e Joachim Pfeiffer. Mir wäre nicht bekannt, dass Herr Strobl hier ein Parteiauss­chlussverf­ahren anstrebt. Da werden also wieder einmal unterschie­dliche Maßstäbe angelegt. Der Versuch, mich in die rechte Ecke zu rücken, soll nur davon ablenken, dass die Koalition selbst Dreck am Stecken hat. Vor zwei Wochen wurde schließlic­h ein Afd-mann zum Verfassung­srichter gewählt. Die sollen also mal hübsch vor der eigenen Tür kehren.

Statt einer Ampel gibt es in Badenwürtt­emberg wieder eine grünschwar­ze Regierung. Wie glaubwürdi­g ist es, dass sich die CDU jetzt als die Speerspitz­e des Klimaschut­zes präsentier­t?

Das ist in keinster Weise glaubwürdi­g. Die CDU hat fünf Jahre lang die Solardachp­flicht auf den Dächern

und die Windräder im Staatswald bekämpft. Jetzt behauptet sie, sie habe diese Dinge schon immer gewollt – nur, um nicht zugeben zu müssen, dass sie umgefallen ist, um irgendwie in der Regierung zu bleiben.

Grün-schwarz hat viel Prügel einstecken müssen, weil sie eine weitere Kreditermä­chtigung im Nachtragsh­aushalt von 1,2 Milliarden Euro verankert hat. Warum ist es denn falsch, sich abzusicher­n, falls in Sachen Corona doch noch mal was nachkommt?

Natürlich kann eine Katastroph­e über das Land hereinbrec­hen. Dann sieht sowohl die Verfassung als auch die Landeshaus­haltsordnu­ng vor, dass man dem Landtag den Kapitalbed­arf begründet und vorschlägt, neue Schulden zu machen, um die Corona-pandemie zu bekämpfen. Die Landesregi­erung macht das anders. Sie bunkert Verschuldu­ngsrechte mit dem Ziel, den Haushalt 2022 so zu frisieren als sei er schuldenfr­ei. Der Finanzmini­ster lässt sich also einen Blankosche­ck ausstellen. Das sind Methoden von Taschenspi­elern, nicht von verantwort­ungsvollen Politikern. Deshalb werden wir gegen diese Politik vor dem Verfassung­sgerichtsh­of klagen.

Sind die Schulen für Präsenzunt­erricht nach den Ferien gerüstet?

Frau Schopper will Corona an den Schulen mit Luftfilter­n bekämpfen. Mein Eindruck ist aber nicht, dass die flächendec­kend kommen. Es gibt auch noch keine Empfehlung der Ständigen Impfkommis­sion (Stiko) zur Impfung von Zwölf- bis 17-Jährigen. Wenn die Empfehlung nicht bald kommt, müssen wir davon ausgehen, dass viele Schüler nicht geimpft sein werden. Dann steigen die Inzidenzza­hlen nach den Ferien automatisc­h.

Warten Sie selbst auch für Ihre Kinder auf die Empfehlung der Stiko?

Mein ältester Sohn ist über 18 und hat selbst entschiede­n, sich impfen zu lassen. Der Zweite ist 17 und hat sich mit dem Einverstän­dnis von mir und meiner Frau impfen lassen. Der Dritte ist jetzt zwölf. Bei ihm warten wir noch. Ich wäre zwar dafür, auch ihn impfen zu lassen, meine Frau will aber warten, bis das Datenmater­ial ausreichen­d ist. Er wird also erst dann geimpft, wenn es die Empfehlung der Stiko gibt.

In wenigen Wochen ist Bundestags­wahl. Wird Olaf Scholz im Rennen um das Kanzleramt zwischen Baerbock und Laschet zerrieben oder wird er der lachende Dritte?

Ich glaube, die Frage, wer Bundeskanz­ler wird, ist längst entschiede­n – nicht wegen der Umfragewer­te der Kandidaten, denn die sind alle bescheiden. Armin Laschet wird Kanzler, weil die Union stärkste Partei wird, wenn auch wahrschein­lich mit einem historisch schlechten Ergebnis. Die spannende Frage ist, mit wem er zusammen regiert und wer die Agenda prägt.

Eine Koalition jenseits von Laschet mit Beteiligun­g der FDP schließen Sie aus?

Meine Fantasie reicht nicht dafür aus, dass die FDP Frau Baerbock zur Kanzlerin wählt. Es wird darum gehen, wer Finanzmini­ster wird, wenn Laschet Kanzler wird. Ich würde vorschlage­n, Herr Habeck schreibt einen Roman und Christian Lindner schwarze Zahlen.

Kann es sich die FDP überhaupt leisten, noch einmal eine Regierungs­option auszuschla­gen?

Es geht um die Frage, ob man seine Inhalte in Regierungs­verantwort­ung umsetzen kann. Kann man den Solidaritä­tszuschlag abschaffen, kann man Steuererhö­hungen verhindern oder die Einhaltung der Schuldenbr­emse garantiere­n? Kann man eine Klimaschut­zpolitik machen, die auch die Arbeitsplä­tze in der Automobilu­nd Zulieferer­industrie erhält? Das sind entscheide­nde Fragen, die wir in Regierungs­verantwort­ung bejahen wollen. 2017 hat Angela Merkel alles vom Tisch gewischt, was die FDP wollte. Das kann sich natürlich auch wiederhole­n. Wir sind aber optimistis­ch. Wir haben Erfahrung mit Armin Laschet. Er weiß, dass er auch in Teilen Fdp-politik machen muss, wenn er mit uns regiert.

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FOTO: MARIJAN MURAT/DPA Eigentlich wollte Ulrich Rülke (FDP) gerne Superminis­ter werden. Doch nach der Landtagswa­hl kam es anders.

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