Hyänen der Börsen
Wie Leerverkäufer von fallenden Kursen profitieren
- Ihre Reputation ist nicht die allerbeste. Spekulieren sie doch auf fallende Kurse und können dadurch gegebenenfalls den Untergang eines Unternehmens provozieren. Die Rede ist von sogenannten Leerverkäufern oder Shortsellern, wie es auf Englisch heißt. Sie profitieren davon, wenn einzelne Unternehmen oder gar ganze Märkte in Schieflage geraten. Diese „Hyänen der Börsen“verkaufen Aktien, die sie sich nur geliehen haben oder noch nicht einmal besitzen, also „ungedeckt“verkaufen, um den Kurs der betreffenden Aktie nach unten zu treiben. Bei Abschluss des Geschäfts sind die Aktien also nicht im Eigentum des Verkäufers. Im Börsenjargon sagt man, der Verkäufer „shortet“seine Position oder „geht short“und setzt mit Leerverkäufen auf fallende Aktienkurse. Oder anders ausgedrückt: Der Leerverkäufer hofft, seine späteren Lieferverpflichtungen zu einem günstigeren Preis erfüllen zu können als zum Zeitpunkt des Geschäftsabschlusses.
Geht die Rechnung auf, kaufen Leerverkäufer die Aktien später zu einem niedrigeren Kurs ein, um dann die geliehenen Stücke an den Verleiher zurückzugeben. Was bleibt ist eine Gewinnspanne zwischen dem Ausgangspreis und dem tieferen Einstandspreis abzüglich einer Gebühr für den Verleiher. Oft sind es Fondsgesellschaften, die Aktien oder Rentenpapiere an andere Marktteilnehmer vorübergehend verleihen, um durch die Leihgebühr ihre Performance aufzupeppen. Durch diese Wertpapierleihe generiere man als Fondsgesellschaft „marktunabhängige Zusatzrenditen“heißt es dazu beim Bankhaus Metzler. Für stark gefragte deutsche Staatsanleihen kann demnach ein Verleiher Gebühren von bis zu 40 Basispunkten erzielen. Bei Aktien liegt die Leihgebühr bei einigen Prozent.
Während nervöser Börsenzeiten werfen Finanzregulatoren schnell ein waches Auge auf Shortseller. So haben mehrere europäische Länder Leerverkäufe zeitweise verboten, als zu Beginn der Corona-pandemie die Börsen in die Tiefe rauschten. Auch den Leerverkauf von Wirecard-papieren stoppte die deutsche Finanzaufsichtsbehörde Bafin, als die Aktie 2019 durch kritische Berichte der „Financial Times“ins Visier von Shortsellern geraten war. Die Behörde begründete diese Maßnahme damals mit dem potenziellen Risiko, dass sich die Causa Wirecard zu einer generellen Marktverunsicherung ausweiten hätte können. Im Nachgang wurde freilich klar, dass Wirecard systematischen
Bilanzbetrug im großen Stil betrieben hatte und die Shortseller auf der richtigen Spur waren. Tatsächlich können Leerverkäufer wie bei Wirecard den richtigen Riecher haben – ganz nach dem Motto, „wo Rauch ist, ist auch Feuer“. Auf ihrer Suche nach überbewerteten Aktien können sie somit dafür sorgen, dass es zu raschen Korrekturen an den Börsen kommt. Damit tragen sie durch ihre Spekulation zwar zu mehr Liquidität bei und verringern gleichzeitig Informationsasymmetrie zwischen Profis und Privatanlegern.
Allerdings haftet Leerverkäufern nicht nur deshalb etwas Anrüchiges an, weil sie ein Gut verkaufen, das sie gar nicht besitzen. Nein, sie tragen ja auch durch ihre Verkäufe dazu bei, dass der Kurs einer Aktie gedrückt wird. Sie wetten also nicht nur auf fallende Kurse, sondern greifen selbst aktiv in die Entwicklung mit ein. Nicht von ungefähr offerieren nur wenige Onlinebroker die Möglichkeit von Leerverkäufen für Privatanleger.
Für europäische Aktien gibt es ohnehin ein Verbot der Bafin für ungedeckte Leerverkäufe, also solche, die nicht einmal durch eine Wertpapierleihe abgesichert sind. Dasselbe gilt für öffentliche Schuldtitel.
Eine Alternative, mit der Anleger dennoch relativ einfach auf sinkende Kurse setzen können, stellen sogenannte Puts dar. Diese Form von Optionsscheinen gewinnt an Wert, wenn die Kurse ihrer Basiswerte (Index, Aktie, Rohstoff ) sich im Sinkflug befinden. Hinzu kommt eine Hebelwirkung, die diesen Effekt noch verstärkt. Mit Puts auf Aktien oder Indizes erwirbt der Anleger also das Recht, den Basiswert (zum Beispiel den DAX) an einem festgelegten Zeitpunkt oder während einer Laufzeit zu einem vorher vereinbarten Preis, meist dem momentanen Kurs, verkaufen zu können. Rund 196 000 an der Börse Stuttgart notierte Puts zeigen, wie umfangreich die Auswahl an dieser Wertpapierform ist.