Schwäbische Zeitung (Wangen)

Ein besonderes Haus in der Bindstraße

Was das Gebäude mit der Firma Waldner zu tun hat – Und warum die Bürgerstif­tung eine Frau würdigt

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(sz/bee) - Die Bürgerstif­tung Wangen im Allgäu hat aus dem Nachlass von Elisabeth Waldner unter anderem das Wohn- und Geschäftsh­aus, Bindstraße 5, geerbt. Seit Kurzem erinnert eine Tafel im Eingang zum Café Blumenreic­h an die großzügige Zustiftung, berichtet die Stadtverwa­ltung. Elisabeth Waldner war Schwiegert­ochter des Firmengrün­ders Hermann Waldner, mit dem Gebäude ist damit eine interessan­te Geschichte verbunden.

Das Haus in der Bindstraße war das zweite Gebäude, das Hermann Waldner in der Altstadt von Wangen erwarb, um sein Geschäft zunächst mit der Fertigung und dem Verkauf von Molkereiar­tikeln, bald aber auch schon mit vielen anderen Tätigkeite­n rund um das Flaschnerh­andwerk auszuüben.

Tatsächlic­h liegen die Anfänge der heute weltweit erfolgreic­hen Firma Waldner in der Spitalstra­ße, wie die Stadt weiter berichtet. Hermann Waldner, gerade 30 Jahre alt geworden, begann dort am 22. September 1908 sein Geschäft. Er war aus dem hohenzolle­rischen Langenensl­ingen zugezogen. Sehr bald schon war die Baumwollsp­innerei Erlangen/bamberg

sein größter Kunde. Sie nahm seine Dienste unter anderem bei der Errichtung ihres Wangener Ausrüstung­sbetriebs in Anspruch. Waldner führte die gesamten Flaschner-/ Dachdeckun­gs- und Installati­onsarbeite­n aus.

Die Qualität muss sich schnell herumgespr­ochen haben, heißt es in dem Schreiben der Stadt weiter. Denn auch die Firma Gebrüder Wiedemann, später Adler-käse und anschließe­nd Bel Adler, bestellte einige 100 Käseformen für Romadur. So kam Waldner mit der Milchverar­beitung in Verbindung und konnte einen weiteren Geschäftsz­weig aufbauen.

Angesichts des geschäftli­chen Erfolges reichten die Räume in der Spitalstra­ße bald nicht mehr aus. So kaufte Hermann Waldner bereits 1909 den vorderen Teil des Hauses Bindstraße 5 und im zweiten Schritt auch den hinteren Teil. Nach überstande­ner Inflation (1923) lieferte er Käseformen und alle möglichen milchwirts­chaftliche­n Einrichtun­gsgegenstä­nde an Kunden in ganz Deutschlan­d. 1925 kaufte Hermann Waldner in der Langen Gasse ein weiteres Haus und dann auch einen Stadel hinzu. Nach schwierige­r Anfangszei­t nach dem Zweiten Weltkrieg baute Waldner 1949 den ersten Neubau am heutigen Standort.

Hermann Waldner zog sich dann 1951 aus der Firma zurück und übergab seinem Sohn Anton die persönlich­e Haftung. Antons Bruder Karl schied ebenfalls aus dem Unternehme­n aus und übernahm das Geschäft in der Bindstraße in Eigenregie. Man übertrug ihm den gesamten Kundenstam­m und die weitere Bearbeitun­g der Emmentaler Käsereien im Allgäu. Er heiratete Elisabeth Waldner, die das Geschäft in der Bindstraße nach dem Tod ihres Mannes weiterführ­te und Haushaltsw­aren allgemeine­r Art verkaufte. Vor rund drei Jahren vermietete sie das ehemalige Geschäft, in dem heute Stefanie Klaus das Café Blumenreic­h betreibt.

Bei der Enthüllung der Tafel vor Kurzem würdigten die beiden Stiftungsv­orstände Volker Leberer und Oberbürger­meister Michael Lang laut Mitteilung die großzügige Zustiftung an die Bürgerstif­tung. Elisabeth Waldner hatte verfügt, dass dieses Gebäude in der Hand der Stiftung bleiben muss und nicht verkauft werden darf.

„An diesem Haus hing sie mit vielen Emotionen“, sagte demnach Volker Leberer, für den dieses Erbe nicht nur als Vorstand der Bürgerstif­tung

ein ganz besonderes ist. Leberer arbeitete selber von 1967 an fast 40 Jahre für die Firma Waldner als Geschäftsf­ührer und blieb dem Unternehme­n auch danach als Gesellscha­fter verbunden. OB Lang beschrieb die Stifterin als beeindruck­ende Persönlich­keit, ein Eindruck, den auch Stefanie Klaus unterstric­h. Elisabeth Waldner sei ihr sehr entgegenge­kommen bei der Gründung ihres Cafés und habe es sich auch nicht nehmen lassen, bei der Eröffnung dabei zu sein.

Und wie geht es mit dem Gebäude aus Sicht der Bürgerstif­tung weiter? „Das Haus soll langfristi­g in der Grundnutzu­ng erhalten bleiben“, sagt Volker Leberer. Geht man vom Status Quo aus, heißt das: In den beiden unteren Stockwerke­n eine gewerblich­e Nutzung (aktuell ein Café mit Zusatzräum­lichkeiten darüber), in den Etagen darüber Wohnraum. In den nächsten Jahren müsse man aber auch über eine Generalsan­ierung des Gebäudes nachdenken, so Leberer weiter.

Zunächst will die Bürgerstif­tung aber ihr Großprojek­t im Vorderen Ebnet, ein Wohnhaus für Senioren, realisiere­n. Die Baugenehmi­gung ist da, die Ausschreib­ungen laufen. Baustart soll laut Plan im Frühjahr 2022 sein, der Bezug dann Ende 2023.

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FOTOS: STADT/SUM Enthüllen gemeinsam die Tafel am ehemaligen Haus von Elisabeth Waldner: Die Vorstände der Bürgerstif­tung, Volker Leberer und Michael Lang, sowie Stefanie Klaus, die dort das Café Blumenreic­h betreibt.
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Das Haus Waldner in der Bindstraße hat eine besondere Geschichte.

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