Lindauer Schrebergärtner formieren sich zum Widerstand
Ihre Kleingärten hinter der Therme wollen sie nicht kampflos aufgeben – „Tag der offenen Gärten“
- Die Schrebergärtner bei der Therme wollen nicht kampflos aufgeben. Sie möchten nicht, dass ihre Gärten in ein paar Jahren einem Freizeitcluster weichen müssen. Ein Gremium soll den Widerstand künftig koordinieren. Auch der Bund Naturschutz ruft zur Solidarität mit den Gärtnern auf.
„Ich finde es moralisch nicht okay, auf der einen Seite Millionen für eine Gartenschau auszugeben und nur ein paar Kilometer weiter Schrebergärten zum Abriss freizugeben“, sagt Ferdinand Wiedemann, dessen Mutter einen Kleingarten bei der Therme hat. Nicht erst die Corona-pandemie habe gezeigt, wie wichtig solche Freiflächen sind. Auch für den Klimaschutz seien sie wichtig.
In einem Nebensatz hatte Thermen-betreiber Andreas Schauer vor etwa drei Wochen bei einer Versammlung zum Thema Parken zu knapp 200 Schrebergärtnern gesagt, sie sollten lieber kein Geld mehr in ihre Lauben und Gärten investieren, weil diese in ein paar Jahren ohnehin plattgemacht würden.
Tatsächlich hat Schauer, dem das Gelände gehört, bereits eine Voranfrage an die Stadt gestellt. Er möchte die Fläche entwickeln, spricht von einem „Freizeitcluster“, das in einigen Jahren zwischen der Therme und den Bahngleisen entstehen könnte. Dafür müsse man das ganze Gebiet „überdenken und sortieren“.
Die Schrebergärten sind jetzt zwischen Therme und Parkplatz, Besucher müssen vom Auto bis zum Bad bis zu 400 Meter weit laufen. Laut Schauer würde es mehr Sinn machen, den Parkplatz zu versetzen – dahin, wo jetzt die Schrebergärten sind. Die Fläche des jetzigen Parkplatzes könnte dann bebaut werden, zum Beispiel mit einer neuen Eishalle, so Schauer. Da, wo jetzt die alte Eishalle steht, könne er sich ein neues Hotel vorstellen. Und offenbar möchte er langfristig auch seine Saunalandschaft erweitern, wie er am Donnerstag in einer Pressemitteilung schrieb.
Bevor dort aber irgendwas entstehen kann, braucht es Beschlüsse des Stadtrats. Auch die Regierung von Schwaben hätte beim jetzigen Parkplatzund Schrebergartengelände ein Wort mitzureden, denn im Flächennutzungsplan sei das ganze Gebiet als Grünfläche vermerkt, nur die Parkplätze sind extra ausgewiesen. Vor einer möglichen Bebauung müssten zuerst einige Untersuchungen gemacht und ein Bedarf nachgewiesen werden. „Jetzt hat die Stadt Lindau das Zepter in der Hand“, findet Ferdinand Wiedemann. Schließlich gehe es nicht nur um gut 80 Gärten. „Da hängen sicher 500 Lindauer dran“, sagt er. „Es ist wichtig, dass Familien, die seit 50 oder 60 Jahren dort einen Schrebergarten haben, ihren Ausgleich behalten dürfen.“Er verstehe zum Beispiel nicht, warum eine neue Eishalle in einer solch seenahen Lage gebaut werden müsse. In anderen Städten stünden solche Halscheidungen len im Industriegebiet. Bereits vor einigen Tagen hat es ein Treffen gegeben, bei denen sich einige Schrebergärtner mit Stadtrat Max Strauß (Bunte Liste) und dem Bund Naturschutz (BN) besprochen haben. Der BN spricht in einer Pressemitteilung von einem „Faustschlag“gegen den Klima- und Umweltschutz. Die Naturschützer unterstützen den Widerstand der Schrebergärtner und sehen sich in ihren Aussagen während der Thermenplanung bestätigt.
Für Maximilian Schuff, stellvertretender Vorsitzender des BN, ist die Ankündigung Schauers, die Fläche um die Gartenanlagen erschließen zu wollen, „eine Konsequenz von aneinandergereihten Fehlent
seitens der Stadt Lindau“. Die Diskussion darüber, ob die jetzigen Parkplätze zu weit von der Therme entfernt sind, ist für ihn „Augenwischerei“. Es gehe um Maximalprofit „und dies auf Kosten des Kleingartengrüngürtels“.
Seitens der Stadt sei es „schon ungewöhnlich, dass hier offenbar einem Investor Signale zu einer Bebauung gegeben wurden, ohne dass Pläne der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurden und ohne vorab den Flächennutzungsplan abzuändern“, so der Bn-vertreter weiter. „Zusätzlich lässt der benutzte Terminus Freizeitcluster vermuten, dass es hier um weit mehr geht, als nur um die Verlegung der Eissporthalle.“Die
Naturschützer befürchten eine weitere Verschlechterung für die Natur im angrenzenden Landschaftsschutzgebiet und den nahe liegenden Ffh-gebieten durch Verkehrszunahme und vermehrte Licht- und Lärmemission. „Dabei steht es außer Frage, dass der städtische Grüngürtel nicht nur ein wesentlicher Beitrag zum Erhalt der Artenvielfalt ist, sondern auch eine enorm positive, die urbanen Klimafolgen deutlich abmildernde Wirkung hat.“Der BN ruft die Lindauer auf, sich mit den Gärtnern zu solidarisieren.
Ferdinand Wiedemann kann verstehen, dass Andreas Schauer mit dem gut 80 000 Quadratmetergrundstück, das er für die Parkplätze der Therme teuer kaufen musste, keinen Verlust machen möchte. Das sei aber derzeit der Fall, wie Schauer im Gespräch mit der LZ bereits erläuterte: Die Steuern für das Grundstück seien teurer als das, was er mit der Pacht der Kleingärtner und den Parkplatzgebühren derzeit einnehme. Dass Thermenbetreiber Schauer nicht draufzahlen möchte, sei klar, so Wiedemann.
Aber er wünscht sich mindestens einen Kompromiss. Darum trifft sich nun eine kleine Gruppe Gärtner, darunter auch Marc Adamiak, Vorsitzender des Unterbezirks Lindau im Verein Bahnlandwirtschaft. „Wir gründen ein Gremium“, sagt Ferdinand Wiedemann. Dieses Gremium soll dann über die nächsten Schritte beraten.
Eine erste Aktion ist ein „Tag der offenen Gärten“, den die Gärtner für den 15. August planen. „Wir wollen die Lindauer einladen, damit sie sehen, was wir hier so machen“, sagt Ferdinand Wiedemann. „Wir sind hier nämlich nicht nur zum Biertrinken.“Viele Familien verbringen einen Großteil ihrer Freizeit im Schrebergarten, einige bauen dort Gemüse und Obst an.
Beim „Tag der offenen Gärten“bieten die Gärtnerinnen und Gärtner den Gästen Kaffee und Kuchen an, auch einen Foodtruck soll es auf dem Gelände geben. Willkommen sind alle Lindauer und Gäste von überall her, die sich für die Schrebergärtner interessieren. Dort, wo Luftballone am Gartentor hängen, können Besucher einfach eintreten.