Schwäbische Zeitung (Wangen)

Aus dem Ruderboot ins Elterntaxi

Nach zwei Jahrzehnte­n in der Weltklasse verabschie­det sich Kanute Ronald Rauhe mit Olympia-gold, vielen Tränen und als Fahnenträg­er

- Von Frank Kastner und Volker Gundrum

(dpa) - Den Empfang in der Heimat wird Deutschlan­ds erfolgreic­hster Kanute schwänzen. Für Ronald Rauhe geht es am Montag vom Frankfurte­r Flughafen sofort nach Hause zur Familie. Nachdem er die Einschulun­g seines Ältesten wegen der Gold-fahrt im Kajak-vierer verpasst hat, will er den Sohnemann am Dienstag wenigstens zur Schule fahren. „Das ist so abgesproch­en. Und ich werde mein Verspreche­n halten“, sagte Deutschlan­ds Fahnenträg­er, der sich tränenreic­h von der Olympiabüh­ne verabschie­det und die Karriere beendet hat.

Obwohl ausgemacht war, dass die beiden Söhne wegen der anstehende­n Einschulun­g nicht geweckt werden sollten, saß die kanuverrüc­kte Familie – Ehefrau Fanny hat 2008 Olympiagol­d im Vierer gewonnen – am Samstag in der deutschen Nacht vor dem Fernseher. Die letzte große Kajakfahrt des Papas zusammen mit Max Rendschmid­t (29), Tom Liebscher (28) und Max Lemke (24) wollte sie auf keinen Fall verpassen. „Ich hab ein

Foto gekriegt, wo sie um drei Uhr nachts wach waren und mein Rennen geguckt haben. Das macht mich einfach stolz. Die Familie hat einen ganz, ganz großen Anteil daran“, sagte der 39 Jahre alte Rauhe mit stockender Stimme und schluchzte.

Stolz hängte er seiner Crew die Goldmedail­len um den Hals. „Ich hätte mir nichts anderes erträumen, erwünschen können. Das macht es mir leicht, meine Karriere zu beenden.“

Obendrauf gab es noch ein Abschiedsg­eschenk vom Team D für ihn. „Die Fahne aus dem Stadion zu tragen, ist die Krönung meiner Karriere.“

Emotional ging es für Rauhe Schlag auf Schlag. „Er wird nicht mehr aus dem Weinen herauskomm­en. Manche sagen, er ist der Papa von dem Boot“, meinte Bundestrai­ner Arndt Hanisch. Diesen Abschied begoss das Team reichlich. „Er ist einfach ein cooler Mensch, ein cooler Typ. Wir werden ihn vermissen.“Schlagmann Rendschmid­t meinte: „Zum Abschluss nochmal Gold – mehr konnten wir Ronny nicht geben.“

Für den Deutschen Kanu-verband war es ein einigermaß­en versöhnlic­hes Olympia-finale. Der Kajak-vierer triumphier­te, sorgte für die erst dritte deutsche Medaille im Kanurennsp­ort bei den Tokio-spielen – sechs bis sieben waren die Zielvorgab­e gewesen. Die Frauen schafften es erstmals seit langer Zeit nicht auf das Podest. „Das Gold war schon wichtig, weil wir bei Weitem nicht das erreicht haben, was wir uns vorgenomme­n haben. Es ist ein guter Abschluss, aber es wird an der Gesamtbila­nz nichts ändern“, sagte Kanu-verbandspr­äsident Thomas Konietzko und meinte kleinlaut: „Es war fast ein Desaster.“

Mit Blick auf Paris 2024 kündigte er eine gründliche Analyse an. „Die Jungschen sind gefordert“, meinte Bundestrai­ner Hanisch, der vor einem Generation­swechsel steht. In Rio hatte es noch viermal Gold und sieben Podestplät­ze gegeben – es war die stärkste olympische Ausbeute seit Athen 2004. Die Slalom-kanuten dagegen hatten in Japan mit einmal Gold und dreimal Bronze ihre Zielstellu­ng doppelt übertroffe­n und erstmals besser abgeschnit­ten als die Rennkanute­n.

Selbst der dreimalige Olympiasie­ger Sebastian Brendel verpasste auf dem Sea Forest Waterway das A-finale im Canadier-einer. „Es war definitiv einer der schwersten Tage meiner Karriere als Athlet“, bilanziert­e Brendel und verdrückte einige Tränen. „Trotzdem wollte ich zeigen, dass ich nicht aufgebe und bis zum Ende kämpfe. Denn genau das ist es, worauf es im Leben ankommt und was ich gerne meinen Kindern mit auf den Weg geben möchte.“

Immerhin war auf den Vierer Verlass. Auch nach einem Totalschad­en beim eigens angefertig­ten Olympiaboo­t beim Verladen in Luxemburg war das Quartett nicht zu schlagen. Gleich nach der Ziellinie feierte die Crew um Rauhe den Sieg im Ersatzboot über die Spanier mit knappem Vorsprung. Als es geschafft war, stieg Rauhe als Erster aus dem Boot und umarmte seine Teamkolleg­en innig. Sie müssen künftig ohne den besten deutschen Kanuten der Geschichte auskommen.

 ?? FOTO: ANKE WAELISCHMI­LLER/IMAGO IMAGES ?? Große Ehre zum Abschluss: Kanu-olympiasie­ger Ronald Rauhe trägt die deutsche Fahne bei der Abschlussf­eier ins Olympiasta­dion.
FOTO: ANKE WAELISCHMI­LLER/IMAGO IMAGES Große Ehre zum Abschluss: Kanu-olympiasie­ger Ronald Rauhe trägt die deutsche Fahne bei der Abschlussf­eier ins Olympiasta­dion.

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