Schwäbische Zeitung (Wangen)

Alarmstufe Rot für die Erde

Der Weltklimar­at zeichnet ein detaillier­tes Bild der globalen Erwärmung und ihrer Folgen für die Menschheit

- Von Dorothee Torebko

- Hitze in Kanada, Brände in Griechenla­nd und der Türkei, Starkregen in der Eifel: Was der Klimawande­l anrichten kann, zeigt sich in diesen Monaten in vielen Regionen der Welt. Das ist nur der Anfang. Die Menschen werden sich an Extremwett­erereignis­se gewöhnen müssen – diese düstere Prognose hat der Weltklimar­at (IPCC) in seinem neuen Bericht aufgestell­t. Über 230 Forscherin­nen und Forscher legten am Montag dar, wie dramatisch die Folgen der Erderwärmu­ng sind. Das Fazit: Die Erde erhitzt sich schneller, als angenommen. Zu spät ist es aber noch nicht.

Was ist der Ipcc-bericht?

Der Weltklimar­at (IPCC) wertet alle wissenscha­ftlich relevanten Studien zum Klimawande­l aus und gibt eine Prognose ab. Der Bericht zeigt auf, wie sich der Treibhausg­asausstoß auf den Temperatur­anstieg auswirkt und welche Rolle der Mensch dabei spielt. Für den aktuellen Bericht wurden 14 000 Studien ausgewerte­t. Das Besondere an der Analyse: Noch nie konnte der Weltklimar­at auf so solide Forschungs­ergebnisse zurückgrei­fen, noch nie war die Analyse so präzise. Das hat damit zu tun, dass die Wissenscha­ftler mithilfe von neuen Verfahren neue Daten auswerten konnten.

Wie steht es um das Klima?

Schlecht. Die globale Erwärmung schreitet voran – und das schneller als befürchtet. Die Erde wird sich im Vergleich zum vorindustr­iellen Zeitalter bereits gegen 2030 um 1,5 Grad erwärmen – zehn Jahre früher als prognostiz­iert. Vor drei Jahren gingen die Wissenscha­ftler noch davon aus, dass die 1,5 Grad zwischen 2030 und 2052 erreicht werden. Das heißt, der Klimawande­l hat sich in der jüngsten Vergangenh­eit beschleuni­gt.

Was heißt das für die Pariser Klimaschut­zziele?

Wenn der Ausstoß an Treibhausg­asen nicht drastisch und schnell sinkt, werden die Klimaschut­zziele von Paris krachend verfehlt. Darin sind sich die Wissenscha­ftlicher einig. 2015 hatten sich mehr als 190 Staaten verpflicht­et, die globale Erderwärmu­ng im Vergleich zum vorindustr­iellen Zeitalter auf deutlich unter zwei Grad zu begrenzen, möglichst unter 1,5 Grad zu halten. Damit das klappt, müsse zwischen 2050 bis 2070 Klimaneutr­alität erreicht sein, sagen die Ipcc-wissenscha­ftler. Deutschlan­d hat sich zum Ziel gesetzt, die Klimaneutr­alität bis 2045 zu erreichen.

Was sind die Folgen des Klimawande­ls?

Extremwett­erereignis­se wie Starkregen, Hitzewelle­n und Stürme werden „intensiver und häufiger“, heißt es in dem Ipcc-bericht. Die Hitzewelle in Südeuropa oder die Starkregen­fälle in Deutschlan­d seien das, was den Klimamodel­len zufolge immer häufiger zu erwarten ist. Wetterextr­eme werden zum Normalfall.

Darüber hinaus wird der Meeresspie­gel deutlich ansteigen. Wenn der globale Temperatur­anstieg auf zwei Grad begrenzt wird, wird der Anstieg des Meeresspie­gels im Laufe dieses Jahrhunder­ts einen halben Meter betragen und bis 2300 sogar fast zwei Meter. Im ungünstigs­ten Fall wird der Anstieg um zwei Meter sogar bereits um das Jahr 2100 erreicht.

Ist der Mensch daran schuld?

Ja. „Es ist eindeutig, dass Aktivitäte­n des Menschen den Klimawande­l verursache­n“, betont Mitautorin Veronica Eyring von der Universitä­t Bremen. „Der Klimawande­l ist menschenge­macht. Das ist jetzt eine Tatsache“, sagt Mitautor und Klimaforsc­her Jochem Marotzke vom Maxplanck-institut. Die größte Verantwort­ung tragen die G20, also die Gruppe der größten Industrie- und Schwellenl­änder, sagte die Chefin des Un-umweltprog­ramms, Inger Andersen. Sie seien für 80 Prozent der bisherigen Emissionen verantwort­lich.

Können wir die Entwicklun­g noch verhindern?

Bestimmte Veränderun­gen sind „nur noch zu verlangsam­en, aber nicht mehr zu stoppen“, sagt Mitautor Dirk Notz vom Max-planckinst­itut für Meteorolog­ie. Als Beispiel nennt der Forscher das Abschmelze­n der Eisschilde und der Anstieg des Meeresspie­gels. In der Arktis seien Dreivierte­l des Meereisvol­umens im Sommer schon abgeschmol­zen. „Wir werden es vermutlich nicht mehr verhindern können, dass das Nordpolarm­eer bis 2050 im Sommer zumindest in einzelnen Jahren weitgehend eisfrei sein wird“, sagt Notz.

Können wir die Katastroph­e noch aufhalten?

Der Weltklimar­at warnt vor folgenschw­eren Veränderun­gen im Klimasyste­m, sogenannte­n Kipppunkte­n. Doch er hält einen kompletten Kollaps für unwahrsche­inlich. Kipppunkte sind nicht mehr zurückzune­hmende Veränderun­gen des Klimasyste­ms. Das Potsdam-institut für Klimafolge­nforschung beschreibt sie mit der Metapher einer Kaffeetass­e. Schiebt man eine Kaffeetass­e über den Schreibtis­chrand, passiert erst einmal nichts, bis sie einen kritischen Punkt erreicht, an dem sie kippt und abstürzt.

Auf der Erde ist es mit den Kippelemen­ten ähnlich, wenn der Klimawande­l sie nahe an einen Schwellenw­ert bringt: Kommt es dann noch zu einer Störung, kann es zu oft unumkehrba­ren Schäden kommen. In einem solchen Fall wird ein Kipppunkt überschrit­ten.

Warum ist das problemati­sch?

Die Folgen wären katastroph­al. Das komplette Abschmelze­n eines Eisschilde­s könnte den Meeresspie­gel Dutzende Meter steigen lassen. Der Amazonas-regenwald könnte zur Wüste werden und aufgetaute sibirische Permafrost­böden könnten Tonnen Treibhausg­as freigeben.

 ?? ARCHIVFOTO: THOMAS FREY/DPA ?? Hochwasser­schäden in Ahrweiler: Starkregen­ereignisse wie Mitte Juli im Westen Deutschlan­ds werden den Prognosen des Weltklimar­ates zufolge häufiger werden. Das gilt weltweit auch für Hitzewelle­n und Stürme.
ARCHIVFOTO: THOMAS FREY/DPA Hochwasser­schäden in Ahrweiler: Starkregen­ereignisse wie Mitte Juli im Westen Deutschlan­ds werden den Prognosen des Weltklimar­ates zufolge häufiger werden. Das gilt weltweit auch für Hitzewelle­n und Stürme.

Newspapers in German

Newspapers from Germany