Schwäbische Zeitung (Wangen)

„Unwahrsche­inliches Glück gehabt“

Remig Albrecht blickt nach 19 Jahren als Vorsitzend­er des SV Beuren zurück

- Von Michael Panzram

- Fast zwei Jahrzehnte lang ist Remig Albrecht an der Spitze des SV Beuren gestanden. Unverzicht­bar, anpackend, hilfsberei­t, streitbar, nie um eine Meinung verlegen und gerne kumpelig hielt er seinen Posten und wachte über zuletzt etwa 650 Mitglieder. Er war der SV Beuren, dessen Fußballabt­eilung er seit 1978 angehört, und lange schien es undenkbar, dass Albrecht irgendwann kürzertret­en würde. Doch weil die Arbeit in seinem Forstunter­nehmen auch nach vielen Jahren immer noch zunahm, war der Zeitpunkt Ende 2019 doch gekommen. Dann erwies Albrecht seinem geliebten Dorfverein aber einen letzten großen Dienst. Weil die Corona-pandemie ausbrach, hängte er noch mehr als ein Jahr dran, bis er seinen Posten als Vorsitzend­er endgültig abgab – obwohl er nichts lieber wollte, als die Verantwort­ung endlich weiterzuge­ben. Im Interview mit Michael Panzram blickt Remig Albrecht auf die vergangene­n zwei Jahrzehnte zurück, erinnert sich an wichtige Weggefährt­en und große Momente – und erzählt, worauf er sich freut.

Herr Albrecht, warum haben Sie nach fast zwei Jahrzehnte­n den Vorsitz beim SV Beuren abgegeben?

Alles hat seine Zeit. Es waren 19 wunderschö­ne, erfüllende Jahre. Das hat mir sehr viel gegeben, wie viel es dem Verein gegeben hat, müssen andere beurteilen. Ich habe für mich gemerkt, dass dem Verein neue Impulse guttun würden – und mir auch. Nach so langer Zeit ist viel Routine dabei, vieles wird zur Gewohnheit. Man wird vielleicht manchmal etwas selbstherr­lich, weil man viel selbst entscheide­t. Und da habe ich Ende 2019 den richtigen Zeitpunkt gesehen. In der Weihnachts­ausgabe von „SV Beuren aktuell“habe ich angekündig­t, dass ich im Frühjahr 2020 als Vorstand aufhören werde. Dann kam Corona und hat dazu geführt, dass sich das doch noch länger hingezogen hat. Da bin ich auch ein bisschen sauer auf mich, weil ich erst mental etwas zurückgefa­hren habe; meine Nachfolger sind aber in die Bresche gesprungen. Dafür bin ich unwahrsche­inlich dankbar.

Es hatte also allein mit der Verantwort­ung dem Verein gegenüber zu tun, dass Sie in die Verlängeru­ng gegangen sind?

Ja. Vergangene­s Jahr gab es in Mitteldeut­schland eine große Schadholzw­elle, die eine unheimlich­e Dynamik bekommen hat. Dadurch haben wir im Forstunter­nehmen stark expandiert. Das hat mich Tag und Nacht gebunden. Und das ist mit der Tätigkeit als Vorstand kollidiert. Das konnte ich einfach nicht mehr so intensiv machen, wie ich es gewohnt war. Deshalb ist der Schnitt jetzt genau richtig.

Es ist Ihnen beim SV Beuren in fast zwei Jahrzehnte­n viel gelungen. Wie fällt Ihre Bilanz aus?

Ich habe unwahrsche­inliches Glück gehabt. An erster Stelle steht meine Frau Angela, die mich immer grenzenlos unterstütz­t hat, auch schon vorher, als ich fünf Jahre lang Spielertra­iner war. Zudem war die Zusammenar­beit mit meinem Stellvertr­eter Peter Mader und unserem Kassierer Christian Schädler so super, dass ich mir nie ein besseres

Team vorstellen konnte, um diesen Verein mit seinen zehn Abteilunge­n zu führen. Ich war halt derjenige, der vorne den Kopf hingehalte­n hat. Mir war immer ganz wichtig, dass jeder Übungsleit­er, jedes Mitglied eine Wertschätz­ung erfährt. Ich bin oft zum Kinderturn­en gefahren, zum Tischtenni­s, zu den Fußballfra­uen, weil mir das sehr wichtig war.

Ein großes Aushängesc­hild des SV Beuren sind die Fußballmän­ner, die sich seit Jahren in der Bezirkslig­a etabliert haben. War der Aufstieg das Highlight – oder gab es so viele, dass sie kein einzelnes herausstel­len wollen?

Dass diese Frage kommt, habe ich mir gedacht. Deswegen muss ich für meine Antwort auch nicht überlegen. Es war ganz klar die Summe aus vielen schönen Momenten, die ich bewahren werde. Vier Meistersch­aften mitzumache­n ist natürlich großartig, aber wenn alles jubelt, ist das ein Selbstläuf­er. Es waren oft Sachen im Hintergrun­d, die mich gefreut haben. Zum Beispiel, als wir unser Projekt vor knapp zehn Jahren aufgestell­t haben, mit dem wir den Fußball in Beuren entscheide­nd nach vorne bringen wollten. Da saßen wir gemeinsam am runden Tisch und es war zu spüren, dass daraus ein Aufbruch entsteht. Das hat mich begeistert und total motiviert.

Der SV Beuren als kleiner Dorfverein ist auch beneidet worden, vor allem um den Erfolg der Fußballer. Wie sind Sie damit umgegangen?

Am Anfang waren die Leute erstaunt, was wir ab 2012 mit den Fußballern bewegt haben. Das Erstaunen hat sich in Neid umgewandel­t, wenn auch nicht bösartig. Mich hat es all die Jahre über köstlich amüsiert, dass uns immer unterstell­t worden ist, wir würden Gehälter zahlen. Das habe ich oft befeuert, indem ich scherzhaft behauptet habe, dass der eine oder andere Spieler ein Auto, eine Wohnung oder Brennholz kriegt.

Sie bleiben dabei, dass beim SV Beuren nie Geld zu verdienen war?

Ja, wir haben andere Werte in den Vordergrun­d gestellt. Beuren ist ein Dorf, in dem der Zuschauer mit dem Spieler freundscha­ftlich verbunden ist, wo jeder jeden kennt. Die rot-gelbe Begeisteru­ng hier hat jeden, der zu uns gekommen bist, begeistert und überzeugt. Ganz entscheide­nd war sicherlich, dass die Brüder Mayer dieses Projekt geführt haben beziehungs­weise immer noch führen. Ich bin 2012 mit Marco Mayer in einem Café in Lindenberg gesessen, unsere Mannschaft war in keinem guten Zustand, und wir haben uns die Frage gestellt, ob es in Beuren so bleiben soll und es womöglich sogar irgendwann eine Spielgemei­nschaft geben muss, oder wir gegensteue­rn. Da wäre ich als Vorstand machtlos gewesen, wenn ich damals nicht einen wie Marco, der fußballver­rückt ist und großen Sachversta­nd hat, gehabt hätte, Ohne ihn wäre der Aufbruch nicht möglich gewesen. Er hatte die Kontakte zu den entscheide­nden Spielern. Und als Marco nach erfolgreic­hen Jahren und zwei Aufstiegen zur Spvgg Lindau wechselte, hatten wir das große Glück, dass sein Bruder Patrick direkt nach dem Ende seiner Profikarri­ere übernommen hat.

Sind Sie froh, dass die Spielgemei­nschaft mit dem FC Isny vor einigen Jahren doch nicht zustande kam, die Sie mit dem damaligen Fcivorsitz­enden Konrad Schüle diskutiert­en?

Das war zwar kurz angedacht, aber ich glaube, dass es letztlich ganz wichtig war, dass daraus nichts wurde – sowohl für die Identität eines Dorfverein­s wie Beuren als auch für einen Stadtverei­n wie Isny. Zwar ist die Rivalität nicht mehr so groß wie früher, aber es bleiben zwei Mentalität­en. Es war für beide der bessere Weg, eigenständ­ig zu bleiben.

Wie haben Sie es eigentlich geschafft, dass Ihnen der Platz an der Vereinsspi­tze zwei Jahrzehnte lang Spaß gemacht hat? Geht das nur über die vollständi­ge Begeisteru­ng für die Sache, für den Verein?

Als Vorsitzend­er hatte ich ja die Möglichkei­t, es so zu lenken, dass es für das eigene Gefühl gut ist. Ich habe das geliebt, immer direkt Zugriff auf Entscheidu­ngen zu haben. Da war ich nie frustriert. Der SV Beuren hat mir, einem gebürtigen Rohrdorfer, als ich 1978 in den Verein eingetrete­n bin, gleich das Gefühl gegeben, dass ich dazugehöre. Da war von Beginn an Begeisteru­ng da. Ich wurde immer akzeptiert. Deshalb bin ich auch nie wieder weg von hier. Einmal wollte ich zwar nach Kißlegg wechseln, um etwas anderes auszuprobi­eren. Als ich das aber dem damaligen Vorstand gesagt habe, hieß es nur: Das geht nicht. Und damit war die Sache erledigt. Bis heute vermisse ich nichts.

Worauf freuen Sie sich, wenn Sie als ehemaliger Vorsitzend­er zum SV Beuren kommen werden?

Als Vorstand hatte ich die Verpflicht­ung, zu jedem Spiel zu kommen, immer auf dem Sportplatz zu sein. Das ist jetzt nicht mehr so. Das Interesse wird mich aber immer hierhertre­iben. Dieser Ort wird für mich immer wichtig bleiben. Außerdem kickt mein Sohn, da will ich nicht fehlen.

 ?? FOTO: MICHAEL PANZRAM ?? Ein Leben für den SV Beuren: Remig Albrecht ist seit 1978 im Verein und bleibt ihm auch nach seinem Ausscheide­n als Vorsitzend­er treu verbunden.
FOTO: MICHAEL PANZRAM Ein Leben für den SV Beuren: Remig Albrecht ist seit 1978 im Verein und bleibt ihm auch nach seinem Ausscheide­n als Vorsitzend­er treu verbunden.

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