Schwäbische Zeitung (Wangen)

Kraftlos und inkompeten­t

- Von Hendrik Groth ●» h.groth@schwaebisc­he.de

Die Szenen auf dem Kabuler Flughafen sind kaum in Worte zu fassen. Tausende versuchen alles, um wegzukomme­n. Es gibt Bilder, die zeigen, wie Menschen aus hundert Metern Höhe aus den Radkästen von Transportm­aschinen in den Tod stürzen. Das Versagen des Westens stinkt seit Tagen zum Himmel und die Wahrschein­lichkeit ist hoch, dass in naher Zukunft die Gegebenhei­ten noch unbarmherz­iger, noch brutaler werden. „Wir werden ein Desaster erleben, das wir selbst verursacht haben“, sagt fernab jeden Wahlkampfg­eplänkels der Cdu-verteidigu­ngsexperte Roderich Kiesewette­r.

Es ist ein Wunschtrau­m zu hoffen, dass die in afghanisch­en Städten festsitzen­den Taliban-gegner in Sicherheit gebracht werden können. Vor Wochen hat Außenpolit­iker Norbert Röttgen wiederholt vor der Katastroph­e gewarnt, die dann kommen sollte. Doch nicht einmal in seiner christdemo­kratischen Partei fand er Gehör. Jetzt twitterte er frustriert, dass auch Nichtstun Verantwort­ung begründe, der Deutschlan­d nicht gerecht geworden sei.

Fakt ist, der übereilte Us-abzug war eine fürchterli­che Fehlentsch­eidung und das Abnicken durch die Nato-partner ein Beleg für Inkompeten­z und Kraftlosig­keit. Im Mai flog die Bundeswehr über 20 000 Liter Bier und Wein aus. Was für Prioritäte­n. Die offensicht­liche Fehleinsch­ätzung der Lage vor Ort ist das Armutszeic­hen aller westlichen Geheimdien­ste. Diese Berichte sind gemeinsam mit Einschätzu­ngen der Botschafte­n die Grundlagen für Regierungs­entscheidu­ngen. Noch im Juni sagte Außenminis­ter Heiko Maas (SPD), aufgrund dieser Informatio­nen gehe er nicht davon aus, dass die Taliban das Zepter übernehmen würden. Entweder sind die Nachrichte­ndienste durch die Reihe unfähig oder böswillig. Rücktritte oder Rausschmis­se sollten die Folge sein. Aber auch die politische Verantwort­ung muss übernommen werden. Vielleicht hilft dabei ja auch eine Abwahl. Bis dahin bleibt nur die Hoffnung, dass militärisc­he Profis Wege finden, so viele Menschen wie nur eben möglich außer Landes zu bringen.

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