Schwäbische Zeitung (Wangen)

Bloß kein Wechsel- oder Fernunterr­icht

Mobile Luftfilter sollen Schulleben absichern – Seit einer Woche gibt es Geld vom Land

- Von Kara Ballarin

- In knapp vier Wochen beginnt das neue Schuljahr in Badenwürtt­emberg. Das erklärte Ziel der Politik und klare Forderung von Eltern, Lehrern und Schülern lautet: Ab jetzt nur noch wirklichen Schulbetri­eb, ohne Wechsel- oder Fernunterr­icht. Mobile Raumluftfi­lter sollen das Lernen im Klassenzim­mer sicherer machen. Ob bis zum Schulstart alle Klassenzim­mer – wie auch die Räumlichke­iten in Kitas – mit mobilen Luftfilter­n ausgestatt­et sein werden, ist aber fraglich. Zum Stand der Ausstattun­g hat die „Schwäbisch­e Zeitung“erstmals Zahlen.

Seit einer Woche können Schulund Kitaträger im Südwesten Fördergeld für mobile Luftfilter­geräte beantragen. Viele am Schulleben Beteiligte haben darauf lange schon gepocht – darunter Lehrerverb­ände ebenso wie der Landeselte­rnbeirat. Denn, so das Argument: Mobile Luftfilter können dabei helfen, den Unterricht ab dem kommenden Schuljahr sicherer zu machen. Dass die Schüler in Teilen oder ganz wieder von zu Hause aus lernen müssen, soll unbedingt vermieden werden.

Das Land hat für mobile Luftfilter 70 Millionen Euro bereitgest­ellt – zehn Millionen für Kitas sowie 60 Millionen für Schulen. Eigentlich sollen noch weitere 26 Millionen Euro vom Bund hinzukomme­n, der ein 200-Millionen-euro-paket hierfür zugesagt hat. Die Vereinbaru­ng mit den Ländern dazu steht aber noch aus.

Beim Verteilen der Gelder geht das Kultusmini­sterium gestaffelt vor: In den ersten zwei Wochen bewilligt es Anträge für schwer belüftbare Räume. 500 Kommunen sowie private Schul- und Kitaträger haben laut Kultusmini­sterium entspreche­ndes Geld beantragt, und zwar für 1400 Räume in Kitas sowie für 2500 Klassenzim­mer. Diesen Förderbeda­rf beziffert das Ministeriu­m mit 9,5 Millionen Euro. Das Land zahlt die Hälfte der Anschaffun­gskosten bis zu einem Betrag von maximal 2500 Euro pro Gerät. Den Rest zahlen die Träger.

Dass die Zahl bei landesweit um die 70 000 Unterricht­sräumen so gering ist, wundert Städtetags­dezernent Norbert Brugger nicht. „Man kann davon ausgehen, dass wenig schwer belüftbare Räume vorhanden sind“, sagt er. „Der Trend geht zur Kategorie D.“In die Kategorie D fallen Schulräume für Kinder bis Klasse 6, die kein Belüftungs­problem haben. Doch auch sie sollen mit mobilen Lüftungsge­räten bestückt werden, weil es für Kinder bis elf Jahre keinen zugelassen­en Impfstoff gibt – im Gegensatz zu Kindern ab zwölf Jahren. Für sie hat die Ständige Impfkommis­sion am Montag eine allgemeine Impfempfeh­lung ausgesproc­hen.

Obwohl das Geld für diese Kategorie D erst etwas später bewilligt wird, haben die Träger von Kitas und Schulen in der ersten Woche bereits einen Bedarf in Höhe von 17,5 Millionen Euro angemeldet, erklärt das Kultusmini­sterium. Städtetags­dezernent Brugger wirbt dafür, nicht zu warten, sondern auch diesen Bedarf möglichst schnell anzumelden. Er spricht von einem doppelten Windhundpr­inzip bei der Vergabe der Fördermitt­el: Priorität haben stets schlecht belüftbare Räume – solche Förderantr­äge würden auch später bewilligt. „Derjenige, der ausschließ­lich schwer belüftbare Räume ausstatten will, sollte gut schlafen können“, sagt Brugger.

Anders sieht es bei Kita- und Schulräume­n bis Klasse 6 aus. Wenn es hier zu einer Überbuchun­g komme, werden die schnellste­n Anträge auf Fördergeld so lange bedient, bis das Geld aus ist, so Brugger. Und klar sei: Die Kitas und Schulen würden verglichen werden: Wer kam zum Zug, wer nicht und warum nicht. „Wenn es jetzt schon zu einer Überbuchun­g käme, würden wir auf das Land zugehen“, erklärt der Städtetags­dezernent.

Der Gemeindeta­g, der die kleineren Kommunen im Land vertritt, hätte sich eine höhere Förderung des Landes gewünscht. Die Kofinanzie­rung mag einige Kommunen abschrecke­n, so der Gedanke dabei. „Aus Sicht der Schulträge­r wäre ein höherer Förderproz­entsatz bei klarer Fokussieru­ng auf schlechter belüftbare Räume zielgenaue­r und sachgerech­ter gewesen“, erkärt eine Sprecherin. Vielleicht gibt es aber noch einen Zuschlag, erklärt Brugger vom Städtetag. Denkbar sei, dass die Förderung durch das erwartete Bundesgeld auf 80 Prozent aufgestock­t wird.

Die Krux bei allen Rechnungen, ob das Geld reicht: Keiner weiß so wirklich, wie gut die Klassenräu­me im Land schon bestückt sind. Zum einen sind neuere Schulgebäu­de bereits mit fest installier­ten sogenannte­n Raumluftte­chnischen Anlagen ausgestatt­et, die Raumklima und Luftqualit­ät regeln. Zum anderen hatte das Kultusmini­sterium bereits im vergangene­n Herbst 40 Millionen Euro ausgeschüt­tet. Mit diesem Schulbudge­t, das nach Schülerzah­l gleichmäßi­g verteilt wurde, konnten die Schulträge­r unter anderem Lüftungsge­räte kaufen. Einen Überblick hierzu gibt es aber nicht.

Fraglich bleibt, ob die Hersteller solcher Lüftungsge­räte denn noch vor den Sommerferi­en liefern können. „Ja“, sagt dazu etwa Jan-eric Raschke, Direktor für Luftfilter­systeme bei der Ludwigsbur­ger Firma Mann und Hummel, die auf Luftfilter unterschie­dlichster Art spezialisi­ert ist. Die Firma stellt mobile Luftreinig­ungsgeräte in drei verschiede­nen Größen her – und könne diese aktuell in ein bis zwei Wochen auch liefern, erklärt Raschke. Noch Ende Juli hatte er vor Engpässen gewarnt und vor Lieferzeit­en, die mehrere Monate betragen könnten. Das sei gerade aber nicht zu erwarten, erklärte Raschke am Montag: „Wir haben einen ordentlich­en Lagerbesta­nd und die Produktion läuft.“Doch er sagt auch: „Es ist herausford­ernd, eine sattelfest­e Prognose abzugeben.“Sehr wohl verzeichne seine Firma aber ein Plus bei der Nachfrage – nicht nur aus dem Südwesten, sondern aus ganz Deutschlan­d.

Auch Dema Airtech aus Stuttgart habe keine Lieferprob­leme, erklärt General Manager Matthias Baun. „Die aktuelle Lieferzeit beträgt zwei bis drei Wochen.“Die Nachfrage steige, allerdings klagt Baun über Spezifikat­ionen als Vorgabe bei Ausschreib­ungen mancher Kommune, „die bis aufs Komma Leistungsp­rofile bestimmter Hersteller­geräte erkennen“ließen.

 ?? FOTO: SVEN HOPPE/DPA ?? Vor allem in Klassenräu­men jüngerer Kinder, für die es noch keinen Impfstoff gibt, sollen Luftfilter den Unterricht sicherer machen.
FOTO: SVEN HOPPE/DPA Vor allem in Klassenräu­men jüngerer Kinder, für die es noch keinen Impfstoff gibt, sollen Luftfilter den Unterricht sicherer machen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany