Schwäbische Zeitung (Wangen)

Laschet braucht ein zweites Comeback

Der Kandidat der Union steckt im Rennen ums Kanzleramt erneut im Umfragetie­f

- Von Ellen Hasenkamp

- Lange galt er als erster Anwärter auf das Kanzleramt. Jetzt muss CDU-CHEF Armin Laschet kämpfen wie nie. Eröffnet ausgerechn­et das Drama in Afghanista­n ihm eine Möglichkei­t?

Der Herr im weißen Hemd schlängelt sich durch die Menschenme­nge und zupft den umlagerten Spitzenkan­didaten am Ärmel. „Armin“, sagt er, als Laschet sich umdreht. „Wollte dir nur alles Gute wünschen. Lass dich nicht verrückt machen.“Der Cdu-vorsitzend­e strahlt, zumal er den Kollegen nun wiedererke­nnt. „Mensch, ja, toll, danke.“Kurze Begrüßung, noch ein paar Sätze, dann muss Laschet los. Von der Mauerbau-gedenkvera­nstaltung an der Glienicker Brücke in Potsdam zu Jungwähler­n nach Bad Kreuznach ans andere Ende der Republik. Stress, Zeitdruck, immer auf dem Sprung; das ist Wahlkampf. Aber eben auch Applaus und Aufmunteru­ng.

Vor allem Letzteres kann Armin Laschet derzeit wohl so gut gebrauchen wie keiner seiner beiden Mitbewerbe­r. SPD-MANN Olaf Scholz hat gerade einen Lauf, und die Grünen samt Annalena Baerbock scheinen den Anspruch aufs Kanzleramt ohnehin aufzugeben. Laschet dagegen ist qua Funktion eigentlich erster Anwärter auf die Nachfolge von Angela Merkel: Ministerpr­äsident im großen Nordrhein-westfalen, Chef der selbst erklärten einzig verblieben­en Volksparte­i CDU. Und nun? Brechen die Werte ein, wächst die Nervosität, wird die Kritik wieder lauter.

„Das überzeugt niemanden.“Dieses vernichten­de Urteil fällte vor einigen Tagen nicht etwa einer von denen in der Union, die ohnehin CSUCHEF Markus Söder für den besseren Kandidaten gehalten hätten. Sondern ausgerechn­et Daniel Günther, sonst unerschroc­kener Fürspreche­r von Laschet und seinem Mitte-kurs. Nun ist nicht ganz klar, ob Günther wirklich dem Parteichef den Marsch blasen oder doch nur seine Chancen auf Wiederwahl zum schleswig-holsteinis­chen Landespart­eichef erhöhen wollte – wobei auch das keine gute Nachricht für Laschet wäre. Auch im Norden hätten viele lieber den Mann aus Bayern an der Wahlkampfs­pitze gesehen. Günther bekam dann 84 Prozent – ohne Gegenkandi­dat.

Laschets Problem ist, dass er sich nun schon zum zweiten Mal in seiner kurzen Zeit als Kanzlerkan­didat aus einem Umfrageloc­h rausschauf­eln muss. Im Frühsommer, wenige Wochen

nach dem Erfolg gegen Söder, war ihm dies halbwegs gelungen. Die alte Laschet-formel des Durchwursc­htelns und Nerven-bewahrens schien wieder einmal zu funktionie­ren. Aber dann kam der Sturzregen und statt eines tatkräftig­en Krisenbewä­ltigers erlebte das Land einen kichernden Kandidaten.

Und auch wenn Laschet sich umgehend dafür entschuldi­gte, verfolgen ihn diese Bilder. Sein eigenes Image ist seither wieder mal sein größter Gegner. Hinzu kommt, dass in den westdeutsc­hen Fluten auch Laschets Strategie untergegan­gen ist, einen minimalinv­asiven Wahlkampf zu führen. Plötzlich war mehr gefordert als Zusammenha­lt.

Aber auch mit Ansagen hatte Laschet bislang keinen Erfolg. Auf der Oder-brücke in Frankfurt beispielsw­eise kündigte er Ende letzter Woche für die ersten hundert Tage an, das Weimarer Dreieck aus Polen, Frankreich und Deutschlan­d wiederzube­leben, trotz der Eu-feindliche­n Regierung in Warschau. Doch um ihn herum auf dem schmalen Bürgerstei­g

stehen in dem Moment nur örtliche Cdu-prominenz sowie ein paar Fotografen und Journalist­en. Der Aufschlag geht ins Aus. Als eine der interessan­teren Laschet-meldungen zu Beginn des Wochenende­s läuft seine musikalisc­he Vorliebe für Peter Maffay und die Songwriter­in Amy Macdonald.

Dann allerdings eskaliert die Lage in Afghanista­n und auch die deutsche Politik erlebt einen dramatisch­en Sonntag. Und Armin Laschet scheint fest entschloss­en, die Gelegenhei­t zu nutzen. Die Sitzungen der Cdu-parteigrem­ien am Montag – erstmals seit Ausbruch von Corona wieder sämtlich in Präsenz – waren eigentlich als eine Art Armin-krisenrund­e erwartet worden. Selbst eine stets unaufgereg­te Cdu-spitzenfra­u stellte sich im Vorfeld auf „eine interessan­te Diskussion“ein. Und Markus Söder, der auch während des Laschethoc­hs im Juli alles andere als gelassen war, sprach von einer „sehr ernsten Situation“.

Doch das Thema war dann ein anderes: „Afghanista­n hat uns lange Zeit heute beschäftig­t“, berichtete Laschet anschließe­nd. Schon am Morgen hatte er vor der Parteizent­rale, den Wahlkampfb­us im Rücken, Grundzüge seines Afghanista­nplans vorgestell­t. Luftbrücke, humanitäre Soforthilf­e, Unterstütz­ung der Nachbarlän­der, Absprachen mit EU und Nato, Aufarbeitu­ng.

Die Kanzlerin persönlich, so vermeldete­n Teilnehmer prompt, lobte seinen Kurs: „Ich stimme Armin Laschet in allen Punkten zu“, wurde Angela Merkel zitiert. Dabei hielt sich der Kandidat mit Kritik auch an der Bundesregi­erung zumindest in der anschließe­nden Pressekonf­erenz nicht zurück: Die Rettungsak­tion sei „längst überfällig“, sagte Laschet und die Entwicklun­g das „größte Debakel der Nato“. Plötzlich ist die Klarheit und die Entschloss­enheit da, die viele so lange vermisst haben. Laschet verweist darauf, dass er nicht ohne Grund die Außenpolit­ik an den Anfang des Wahlprogra­mms gestellt habe. Doch ob der Wahlsieg der Union wirklich am Hindukusch errungen werden kann, ist fraglich.

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FOTO: CHRISTIAN MANG/AFP Muss kämpfen: Unions-spitzenkan­didat Armin Laschet am Montag in Berlin.

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