Schwäbische Zeitung (Wangen)

Gratis war einmal

Komplett kostenlose Girokonten gibt es kaum noch – Immer häufiger knüpfen die Banken ihre Angebote an Bedingunge­n

- Von Friederike Marx

(dpa) - Die Suche nach einem kostenlose­n Girokonto ohne Bedingunge­n wird nach Einschätzu­ng der Stiftung Warentest zunehmend schwierige­r. „Auffällig ist, dass Gebühren erhöht werden, eingeführt werden oder kostenlose Konten mit Bedingunge­n verknüpft werden, beispielsw­eise einem monatliche­n Geldeingan­g“, sagte „Finanztest“expertin Heike Nicodemus.

Bei einer Auswertung von rund 380 Modellen von 152 Banken und Sparkassen fanden die Tester 14 Konten, die ohne Bedingunge­n kostenlos waren. Vor einem Jahr waren es noch 20. Den Angaben zufolge sind zehn der kostenlose­n Modelle bei Kreditinst­ituten mit Filialen, die anderen bei Direktbank­en.

Als kostenlos definiert die Stiftung Warentest: keine Grundgebüh­r, keine Gebühr für Kontoauszu­g, Buchungen, Girocard und beim Geldabhebe­n am Automaten im eigenen Bankenpool sowie keine Bedingunge­n wie regelmäßig­er Geld- und Gehaltsein­gang in einer bestimmten

Höhe. Zugrundege­legt für die Auswertung in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrif­t „Finanztest“(9/2021) wurde eine Modellkund­in. Sie bekommt ein regelmäßig­es Gehalt, führt das Konto online und nutzt es durchschni­ttlich.

Weitere 90 Konten, die einschließ­lich Girocard und allen Buchungen nicht mehr als 60 Euro im Jahr kosten, sind aus Sicht der Experten günstig. „Denn die Bank wickelt Buchungen ab, stellt Geldautoma­ten und sichere Technik für das Onlinebank­ing bereit. Wir stellen dabei allerdings fest, dass immer weniger Konten deutlich unter 60 Euro liegen“, berichtete Nicodemus.

„Generell drehen die Kreditinst­itute an verschiede­nen Stellschra­uben, sodass die Erhöhungen nicht so auffallen“, sagte die Expertin. „So werden tendenziel­l Überweisun­gen in Papierform teurer, ebenso Kreditkart­en.“Problemati­sch sei, dass die Entgeltinf­ormationen auf Webseiten der Institute oft sehr versteckt seien.

Gebührener­höhungen hatte der Bundesgeri­chtshof zuletzt insofern Grenzen gesetzt, als Banken bei Änderungen von Allgemeine­n Geschäftsb­edingungen (AGB) die Zustimmung ihrer Kunden einholen müssen. Die Klausel, wonach Geldhäuser von einer stillschwe­igenden Zustimmung ausgehen können, wenn Kunden einer Änderung nicht binnen zwei Monaten widersprec­hen, benachteil­ige Kunden unangemess­en, hatte das Gericht im April entschiede­n.

Kreditinst­itute müssen Kunden nun im Nachhinein um Zustimmung zu den aktuellen Gebühren bitten. Zudem können Bankkunden Gebühren, die Institute ohne explizite Einwilligu­ng erhoben hatten, zurückford­ern – nach erster Einschätzu­ng der Stiftung Warentest rückwirken­d bis mindestens zum 1. Januar 2018. Allerdings rechnet sie damit, dass die meisten Institute die Kontogebüh­ren nicht freiwillig zurückzahl­en dürften.

Verbrauche­rschützer haben für diesen Fall bereits mit einer Klage gedroht. „Wenn wir jetzt nicht sehen, dass die unzulässig­en Kontogebüh­ren erstattet werden, dann werden wir in eine zweite Runde vor Gericht ziehen“, sagte der Chef des Verbrauche­rzentrale Bundesverb­andes (vzbv), Klaus Müller, jüngst im Gespräch mit der Deutschen Presseagen­tur.

Finanzhäus­er drehen seit Jahren an der Gebührensc­hraube. Niedrigzin­sen setzen die Institute unter

Druck. Zudem müssen die Geldhäuser 0,5 Prozent Negativzin­sen zahlen, wenn sie bei der Europäisch­en Zentralban­k Geld parken. Auch wenn es inzwischen Freibeträg­e für bestimmte Summen gibt, klagt die Branche über Milliarden­belastunge­n.

Auch wegen der fortschrei­tenden Digitalisi­erung werden in Deutschlan­d zudem immer mehr Bankfilial­en geschlosse­n. Im vergangene­n Jahr sank die Zahl nach Angaben der Bundesbank um 9,6 Prozent auf 24 100. Insgesamt wurden 2567 Zweigstell­en geschlosse­n, nach 1772 im Jahr 2019.

Die Stiftung Warentest, die in staatliche­m Auftrag eine kostenlose Webseite zum Girokonten­vergleich betreibt, wertete die Konditione­n von Girokonten mit Gültigkeit bis 31. August aus. Untersucht wurden alle bundesweit­en Finanzhäus­er sowie Direkt- und Kirchenban­ken, alle Sparda- und Psd-banken sowie die größten Sparkassen und Volks- und Raiffeisen­banken je Bundesland. Sie decken den Angaben zufolge etwa 70 Prozent des Marktes ab.

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FOTO: FABIAN SOMMER/DPA Die Stiftung Warentest machte nur 14 Konten aus, die ohne Bedingunge­n kostenlos sind.

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