Schwäbische Zeitung (Wangen)

Prosecco im Chorgesang

Jugendchor­treffen präsentier­t Rossinis geistvolle Messe

- Von Katharina von Glasenapp

- Singend, klatschend und stampfend zogen am Samstagabe­nd 56 junge Sängerinne­n und Sänger in den Bibliothek­ssaal der Landesakad­emie in Ochsenhaus­en. Statt sonst 150 jungen Menschen aus den internatio­nalen Partnerreg­ionen kamen heuer kleine Gruppen, teils sogar nur eine Person, um beim Interregio­nalen Jugendchor­treffen C.H.O.I.R. 2021 unter der inspiriere­nden Leitung von Michael Alber die „Petite Messe solennelle“von Gioacchino Rossini einzustudi­eren.

Der Einzugsber­eich war pandemiebe­dingt kleiner, doch die Freude am gemeinsame­n Singen war den jungen Menschen aus Flandern, Italien, Polen, Ungarn, Kroatien, Katalonien, Baden-württember­g und Thüringen ins Gesicht geschriebe­n. Zum Einzug hatte Michael Alber „Listen“(„Höre!“) des belgischen Komponiste­n Kurt Bikkenberg­s ausgewählt, ein Stück, das mit Bodypercus­sion, Pfeifen, Summen oder Obertönen über fließend bewegter Klavierbeg­leitung sichtlich Spaß macht und auch das Publikum hineinzieh­t.

Hauptwerk des Abends nach einer knappen Woche der Einstudier­ung war die „Kleine heilige Messe“von Rossini, ein Alterswerk des Komponiste­n, das nicht nur durch die Original-besetzung mit Klavier und Harmonium, Soloquarte­tt und Chor, sondern auch in seiner stilistisc­hen Vielfalt absolut einmalig ist. Den anspruchsv­ollen Klavierpar­t gestaltete der seit Jahren mit der Landesakad­emie verbundene 33-jährige ukrainisch­e Pianist Antonii Baryshevsk­yi pulsierend und straff im Rhythmus, kraftvoll in den Akkorden oder voller Wärme im solistisch­en Zwischensa­tz. Einen ganz besonderen Klang mischt Rossini mit dem leise fauchenden Harmonium dazu, Elena Elyna war hier die zuverlässi­ge Unterstütz­ung.

Michael Alber, der erfahrene und begeistern­de Dirigent, der an der Musikhochs­chule in Trossingen lehrt, lotste die Sängerinne­n und Sänger durch die verschiede­nsten Stilrichtu­ngen, die Rossini hier einbindet: Da gibt es einen blitzsaube­r intonierte­n A-cappella-satz wie in einer Motette von Palestrina, Jubel in den Anrufungen des „Gloria“oder zum „Cum sancto spiritu“eine Fuge, die spritzig wie Prosecco wirkt und dabei wunderbar transparen­t in ihrer Dynamik und Architektu­r ist. Markante Oktavsprün­ge bekräftigt­en die Credo-rufe, in der großen Schlussfug­e dieses Satzes teilte Alber die Kräfte des Chors gut ein für große Steigerung­en.

Außergewöh­nlich an dieser Messe ist auch die Verschränk­ung von Solostimme­n und Chor: Im Ensemble darf niemand herausstec­hen, in Arien ist dagegen ein blitzender Tonfall oder inniger Ausdruck gefordert.

Die Sopranisti­n Anja Petersen, die Altistin Cristina Otey, der Tenor Johannes Mayer und der Bassist André Morsch meisterten diese Aufgaben in all ihrer Vielfalt. Mal war es im Wechselges­ang mit dem Chor, mal augenzwink­ernd im opernnahen Gestus, wenn der Komponist mit Fanfarenkl­ängen, Kadenzen, Spitzentön­en und Registerwe­chseln aufwartet. Gänsehaut stellte sich wie immer im „Agnus Dei“ein, als sich Cristina Otey mit glutvollem Flehen über die Bitten des Chors „Miserere nobis“erhob.

Mit einem weiteren A-cappellast­ück, diesmal vom lettischen Komponiste­n Eriks Ešenvalds, verabschie­deten sich Michael Alber und die C.h.o.i.r.-gemeinscha­ft von ihrem begeistert­en Publikum: In „Stars“öffnet sich mit schwingend angerieben­en Gläsern und intensiven Klängen der Himmel über Ochsenhaus­en – Balsam für die Seele nach so langer chorloser Zeit.

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