„Derrick“war an allem schuld
Fritz Wepper wird 80 – Statt Hollywood eroberte der vielseitige Schauspieler das deutsche Fernsehen
Harry fährt den Wagen längst nicht mehr vor, und Bürgermeister Wöller musste in Kaltenthal den Hut nehmen. Trotzdem: Dank „Derrick“und „Um Himmels Willen“konnte Fritz Wepper ein Stück Tv-erfolgsgeschichte schreiben. Am 17. August wird er 80.
Muss man in einem Geburtstagsartikel für einen bekannten deutschen Schauspieler auch den Klatsch und Tratsch um seine Person erwähnen? Man kommt nicht darum herum: Hatte Fritz Wepper eine Affäre mit Iris Berben? Wie war sein Verhältnis zu Ehefrau Angela von Morgan, mit der er von 1979 bis zu ihrem Tod 2019 verheiratet war? Immerhin wandte er sich zwischendurch der 33 Jahre jüngeren Kamerafrau und Regisseurin Susanne Kellermann zu, die 2011 eine Tochter von ihm bekam … Wer mehr wissen möchte, findet wohl neue Erkenntnisse in seiner Autobiografie „Ein ewiger Augenblick“, die rechtzeitig vor seinem runden Geburtstag erschienen ist. Tatsache ist jedenfalls, dass Wepper dieses Jahr Kellermann geheiratet hat und sie ihm als Regisseurin mit der sehr persönlichen Dokumentation „Mein Fritz“im Bayerischen Fernsehen ein Geburtstagsgeschenk machte, das nicht jedem 80-Jährigen in dieser Form zuteil wird.
Aber Fritz Wepper ist halt auch eine besondere, mit vielen Auszeichnungen bis zum Bayerischen Fernsehpreis für sein Lebenswerk ausgezeichnete Persönlichkeit im Filmgeschäft. Dabei war sein Start ins Leben, wie bei so vielen in den Kriegsjahren Geborenen, eher schwierig: Zusammen mit seinem jüngeren, 1944 geborenen Bruder Elmar wuchsen sie bei der Mutter in München auf. Der Vater galt seit 1945 als in Polen vermisst.
Erste Kontakte mit Rundfunk und Theater hatte Fritz Wepper sehr früh. Schon mit elf stand er in dem Kinderstück „Peter Pan“am Münchner Staatstheater auf der Bühne. Selbstsicher antwortete er damals auf die Frage eines Reporters, ob ihm dies denn gefalle: „Ja, ich wollte schon immer zum Theater!“Mit dieser frühen Liebe zur Schauspielerei war sein Lebensweg vorgezeichnet, der ihn dann aber nicht auf die Bühnenbretter führte, sondern vor die Kamera.
Einen ersten internationalen Erfolg feierte er bereits 1959 mit seiner Rolle als 16-jähriger Albert Mutz in dem Antikriegsfilm „Die Brücke“von Bernhard Wicki. Zusammen mit sechs Klassenkameraden werden hier Jugendliche in den letzten Kriegstagen zur sinnlosen Verteidigung einer ohnehin zur Sprengung vorgesehenen Brücke abkommandiert. Albert ist der Einzige, der überlebt. Im Kriegswinter 1944 spielte das 1964 erschienene Filmdrama „Kennwort: Reiher“. Dabei stammte das Drehbuch von Herbert Reinecker, der später auch die Ideen zu „Der Kommissar“und „Derrick“lieferte. In dem Film ging es um die Résistance in Frankreich und Belgien, und Wepper wurde wegen seiner Darstellung des amerikanischen Jagdfliegers Philip Sturgess als bester Nachwuchsschauspieler ausgezeichnet.
Und noch einmal ging es für Wepper zurück in die braune Vergangenheit: Neben Liza Minnelli spielte er in Bob Fosses „Cabaret“den jüdischen Gigolo Fritz Wendel. Der Film wurde 1973 mit acht Oscars ausgezeichnet, für Wepper schien eine Uskarriere zum Greifen nahe: In der Folge wurden ihm Rollen in einem Broadway-stück sowie in zwei amerikanischen Filmen angeboten, wie in seinen Memoiren nachzulesen ist. Doch zu diesem Zeitpunkt war der Schauspieler bereits durch sein Engagement als Harry Klein in „Der Kommissar“(1969 bis 1974) vertraglich an das ZDF gebunden, und die Us-filmemacher bestanden auf sofortiger Zusage. Nicht einmal zur Oscar-verleihung konnte Wepper reisen, weil Produzent Helmut Ringelmann auf Drehverpflichtungen pochte.
Der amerikanische Traum war damit ausgeträumt, aber im deutschen
Fernsehen startete Fritz Wepper durch. Er blieb zwar Harry Klein, wechselte aber als Assistent 1974 zu Oberinspektor Derrick alias Horst Tappert. Die Serie lief mit 281 Episoden bis 1998, wurde in über 100 Ländern ausgestrahlt und ist damit die international erfolgreichste deutsche Fernsehserie. Abruptes Ende der Wiederholungen: Als fünf Jahre nach dem Tod Horst Tapperts 2013 dessen Mitgliedschaft in der Waffenss bekannt wurde, beschloss das ZDF 2016, die „Derrick“-konserven in den Giftschrank zu verbannen. Das sprichwörtliche Zitat „Harry, fahr schon mal den Wagen vor“aber blieb präsent – wenn es so auch nie gefallen ist.
Fast so erfolgreich, aber auf jeden Fall weniger mörderisch, war die Serie „Um Himmels Willen“, die von Januar 2002 bis Juni 2021 lief. Wepper gab den zwischen Arroganz und Sturheit, Geldgier und Großmut schwankenden Bürgermeister Wöller, der im steten Clinch mit den Schwestern von Kloster Kaltenthal lag. Die vor allem beim älteren Publikum sehr beliebte Dienstagabendserie brachte es auf 20 Staffeln mit 260 Episoden und vier Specials. Damit ist es aber noch längst nicht genug mit der Aufzählung diverser Serien. Von 1994 bis 2001 spielte er mit seinem Bruder Elmar 17 Episoden in der Zdf-krimireihe „Zwei Brüder“, mit seiner Tochter Sophie aus erster Ehe von 2007 bis 2017 „Mord in bester Gesellschaft“. Dabei war er allerdings mal nicht der Kriminaler, sondern der Psychotherapeut, der beim Lösen von Kriminalfällen half.
Auf sein Konto gehen noch einige weitere Filme, wobei er sichtlich alle Genres beherrschte, tatsächlich aber vor allem ein Mann der Komödie war. Von gesundheitlichen Problemen blieb der Schauspieler – nebenbei auch noch leidenschaftlicher Jäger – in den letzten Jahren nicht verschont. Nicht zuletzt deshalb wurde auch die Dauerserie „Um Himmels Willen“gestoppt, sehr zum Leidwesen der Protagonisten. Im März dieses Jahres musste sich Wepper einer Not-operation unterziehen, und Susanne Kellermann startete mit ihrem Porträt – damals nicht wissend, wie viel Zeit ihr mit ihrem Fritz noch bleibt.
Die Dokumentation von Susanne Kellermann:
ist in der Mediathek des Bayerischen Rundfunks zu sehen.