Schwäbische Zeitung (Wangen)

3G-regel löst gemischte Gefühle aus

Freude hier, Sorgen da: Betroffene Betriebe befürchten Umsatzrück­gänge – Reaktionen auf neue Corona-verordnung

- Von Ruth Auchter-stellmann, Christian Reichl, Bernd Treffler und Annette Vincenz

- Seit Montag gilt in ganz Baden-württember­g eine neue Corona-verordnung. Der Inzidenzwe­rt ist vorerst nicht mehr entscheide­nd, dafür gilt in Innengastr­onomie, bei Kulturvera­nstaltunge­n oder im Fitnessstu­dio bis auf Weiteres die 3G-regel: Am gesellscha­ftlichen Leben teilhaben darf nur, wer gegen Sars-cov-2 geimpft, von Covid-19 genesen oder frisch negativ getestet ist. Bei den Betroffene­n kommt die Testpflich­t nicht überall gut an.

Der Kreisvorsi­tzende des Deutschen Hotel- und Gaststätte­nverbandes (Dehoga), Max Haller, meint, alles könnte schlimmer sein: „Ich bin froh und glücklich, dass es so keine Aussicht mehr auf einen weiteren Lockdown gibt.“Die Testpflich­t in der Innengastr­onomie hätte ab einer Inzidenz von 35 ohnehin gegolten, und auf diesen Wert ist der Landkreis Ravensburg in den vergangene­n Tagen stramm zumarschie­rt. Problemati­sch sei es für ihn und seine Kollegen jedoch, wenn ein Gewitter oder plötzliche­r Regen aufziehe, sagt Haller – wie in diesem Sommer oft. Dann dürfen Ungetestet­e nämlich nicht von draußen nach drinnen wechseln, sondern müssen nach Hause gehen. „Das bringt uns in zusätzlich­en Stress.“Im Zweifel würden größere Gruppen, in denen nicht alle geimpft seien, eher wieder im eigenen Garten oder in der Garage grillen. „Die Umsätze werden zurückgehe­n“, fürchtet der regionale Dehogavors­itzende.

Diese Sorge hat auch Gallion Anastassia­des vom Cineparc Ravensburg. Darum will der Kinobetrei­ber nun ein, zwei Wochen beobachten, ob so viele Besucher kommen, dass es sich überhaupt rentiert, den Betrieb am Laufen zu halten. Immerhin seien 80 Prozent seines Zielpublik­ums zwischen fünf und 30 Jahre alt – eine Altersgrup­pe, in der noch längst nicht alle geimpft sind. Außerdem bedeutet die 3G-regel für Anastassia­des, dass er Personal abstellen muss, um die Besucher entspreche­nd zu kontrollie­ren – seit 1. Juli hatte es genügt, die Kontaktdat­en zu erfassen, Maske zu tragen und die Abstände einzuhalte­n.

Die Probleme seines Ravensburg­er Kollegen teilt Markus Sohler, Betreiber des gleichnami­gen Wangener Lichtspiel­hauses, wo seit Juli zwar nur 30 Prozent der Gäste, aber diese ohne Nachweis reindurfte­n. Nun falle zwar die Mengenbesc­hränkung weg, aber die Hygiene- und Abstandsre­geln würden weiterhin gelten. Darum befürchtet auch Sohler mit der neuen Verordnung einen Besucherrü­ckgang und einen riesigen organisato­rischen Mehraufwan­d. „Wenn Herr Lucha das Überprüfen der Nachweise möchte, dann soll er selber am Eingang jemand hinstellen, der das kontrollie­rt“, so Sohler. Er hält die 3G-pflicht auch deshalb für unverständ­lich, weil Kinos wie auch die Gastronomi­e nicht zu den Pandemietr­eibern gehörten.

Dass Ungeimpfte fürs Training im Fitnessstu­dio jetzt einen negativen Schnelltes­t brauchen, sieht Sylvia Rohrbacher mit gemischten Gefühlen. „Wichtig ist, dass wir bis auf Weiteres geöffnet haben können, da sind wir froh drüber“, sagt die sportliche Leiterin der Sportinsel, dem Fitnessstu­dio der MTG Wangen. „Für viele Mitglieder ist das aber wieder eine Umstellung.“Gemeint ist der nun erforderli­che, tagesaktue­lle Testnachwe­is bei Ungeimpfte­n. „Das ist schon eine zusätzlich­e Hürde“, so Rohrbacher. Und die werde noch höher, wenn ab 11. Oktober die Tests kostenpfli­chtig würden. „Das wird interessan­t sein zu beobachten, wie sich die Lage dann entwickelt.“Das betrifft nicht nur das vereinseig­ene Fitnessstu­dio, sondern generell alle Indoor-sportarten, die der Wangener Großverein anbietet.

Auch Franz Moosherr, Geschäftsf­ührer der Kreishandw­erkerschaf­t Ravensburg, macht sich nichts vor: Natürlich führe „jede zusätzlich­e Anforderun­g, die den Besuch erschwert“, zu einem Kundenrück­gang. Trotzdem hält er es für angemessen, dass beim Friseurbes­uch nun die 3G-regel greift – zumal entspreche­nd geschulte Mitarbeite­r in den Salons seit 5. Mai offizielle Testnachwe­ise ausstellen dürfen. Grundsätzl­ich seien die Friseure im Kreis froh, dass sie überhaupt arbeiten dürfen, so Moosherr. Außerdem spürten sie, dass sich die Lage „peu a peu entschärft, weil immer mehr Kunden geimpft sind“.

Und die Auswirkung­en der neuen Verordnung auf die Kulturbran­che? Zumindest für die Festspiele Wangen wird sich in der letzten Woche der Saison nichts ändern. „Wir hatten von Anfang an die 3G-regel“, sagt Christoph Morlok vom Vorstand des Festspiel-vereins, der statt der möglichen 210 nur rund 120 Plätze pro Vorstellun­g anbietet. Die Maske solle deshalb nur bis zum Platz getragen und könne dann abgelegt werden. Das sei auch so, wenn Vorstellun­gen in die Stadthalle verlegt werden müssten.

Uneingesch­ränkte Freude darüber, „dass wir nun wieder unter Vollauslas­tung spielen können“, herrscht laut Geschäftsf­ührer Albert Bauer beispielsw­eise im Theater Ravensburg. Allerdings starten die Vorstellun­gen hier erst nach der Sommerpaus­e am 14. Oktober. Und da sich die Vorgaben bezüglich Corona in letzter Zeit häufig geändert hätten, werde der Spielplan erst einmal nur für Oktober und November gemacht: „Dann sieht man, wohin der Hase läuft“, so Bauer.

Änderungen wird die neue Corona-verordnung auch für die Büchereien bringen, beispielsw­eise in Wangen, aber auch in Ravensburg. Dort sieht die Leiterin der Stadtbüche­rei durch die 3G-regel einen ziemlichen Mehraufwan­d auf ihr Team zukommen: „Pro Schicht brauchen wir jetzt eine Mitarbeite­rin zusätzlich“, erklärt Claudia Dostler. Generell sei die Kundenfreq­uenz aufgrund der Pandemie zurückgega­ngen, weil viele Leute verunsiche­rt seien und „sich genau überlegen, ob sie öffentlich­e Räume betreten“. Trotzdem wurden auch in den vergangene­n 18 Monaten fast so viele Bücher ausgeliehe­n wie vor Corona – online gab es gar „heftige Zuwächse“, teilweise versorgten Geimpfte Freunde und Verwandte mit Exemplaren aus der Bücherei. Dostler konstatier­t: Bücher – seien es Koch- , Kinder-, Garten- oder Sachbücher – hätten in der Corona-zeit „einen neuen Stellenwer­t bekommen“.

Und bei den Museen? Peter Fritsch, Ausstellun­gskoordina­tor am Museum Humpisquar­tier, geht nicht davon aus, dass der Betrieb durch 3G umständlic­her wird oder womöglich weniger Besucher kommen. Er ist zuversicht­lich, dass jemand, der gern ins Museum möchte, einen entspreche­nden Nachweis mitbringt.

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FOTO: MATTHIAS BEIN/DPA Ohne Corona-test kommt, wer nicht geimpft oder genesen ist, seit Montag nicht mehr zum Friseur, ins Fitnessstu­dio, ins Museum oder in den Innenberei­ch eines Restaurant­s.

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