3G-regel löst gemischte Gefühle aus
Freude hier, Sorgen da: Betroffene Betriebe befürchten Umsatzrückgänge – Reaktionen auf neue Corona-verordnung
- Seit Montag gilt in ganz Baden-württemberg eine neue Corona-verordnung. Der Inzidenzwert ist vorerst nicht mehr entscheidend, dafür gilt in Innengastronomie, bei Kulturveranstaltungen oder im Fitnessstudio bis auf Weiteres die 3G-regel: Am gesellschaftlichen Leben teilhaben darf nur, wer gegen Sars-cov-2 geimpft, von Covid-19 genesen oder frisch negativ getestet ist. Bei den Betroffenen kommt die Testpflicht nicht überall gut an.
Der Kreisvorsitzende des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga), Max Haller, meint, alles könnte schlimmer sein: „Ich bin froh und glücklich, dass es so keine Aussicht mehr auf einen weiteren Lockdown gibt.“Die Testpflicht in der Innengastronomie hätte ab einer Inzidenz von 35 ohnehin gegolten, und auf diesen Wert ist der Landkreis Ravensburg in den vergangenen Tagen stramm zumarschiert. Problematisch sei es für ihn und seine Kollegen jedoch, wenn ein Gewitter oder plötzlicher Regen aufziehe, sagt Haller – wie in diesem Sommer oft. Dann dürfen Ungetestete nämlich nicht von draußen nach drinnen wechseln, sondern müssen nach Hause gehen. „Das bringt uns in zusätzlichen Stress.“Im Zweifel würden größere Gruppen, in denen nicht alle geimpft seien, eher wieder im eigenen Garten oder in der Garage grillen. „Die Umsätze werden zurückgehen“, fürchtet der regionale Dehogavorsitzende.
Diese Sorge hat auch Gallion Anastassiades vom Cineparc Ravensburg. Darum will der Kinobetreiber nun ein, zwei Wochen beobachten, ob so viele Besucher kommen, dass es sich überhaupt rentiert, den Betrieb am Laufen zu halten. Immerhin seien 80 Prozent seines Zielpublikums zwischen fünf und 30 Jahre alt – eine Altersgruppe, in der noch längst nicht alle geimpft sind. Außerdem bedeutet die 3G-regel für Anastassiades, dass er Personal abstellen muss, um die Besucher entsprechend zu kontrollieren – seit 1. Juli hatte es genügt, die Kontaktdaten zu erfassen, Maske zu tragen und die Abstände einzuhalten.
Die Probleme seines Ravensburger Kollegen teilt Markus Sohler, Betreiber des gleichnamigen Wangener Lichtspielhauses, wo seit Juli zwar nur 30 Prozent der Gäste, aber diese ohne Nachweis reindurften. Nun falle zwar die Mengenbeschränkung weg, aber die Hygiene- und Abstandsregeln würden weiterhin gelten. Darum befürchtet auch Sohler mit der neuen Verordnung einen Besucherrückgang und einen riesigen organisatorischen Mehraufwand. „Wenn Herr Lucha das Überprüfen der Nachweise möchte, dann soll er selber am Eingang jemand hinstellen, der das kontrolliert“, so Sohler. Er hält die 3G-pflicht auch deshalb für unverständlich, weil Kinos wie auch die Gastronomie nicht zu den Pandemietreibern gehörten.
Dass Ungeimpfte fürs Training im Fitnessstudio jetzt einen negativen Schnelltest brauchen, sieht Sylvia Rohrbacher mit gemischten Gefühlen. „Wichtig ist, dass wir bis auf Weiteres geöffnet haben können, da sind wir froh drüber“, sagt die sportliche Leiterin der Sportinsel, dem Fitnessstudio der MTG Wangen. „Für viele Mitglieder ist das aber wieder eine Umstellung.“Gemeint ist der nun erforderliche, tagesaktuelle Testnachweis bei Ungeimpften. „Das ist schon eine zusätzliche Hürde“, so Rohrbacher. Und die werde noch höher, wenn ab 11. Oktober die Tests kostenpflichtig würden. „Das wird interessant sein zu beobachten, wie sich die Lage dann entwickelt.“Das betrifft nicht nur das vereinseigene Fitnessstudio, sondern generell alle Indoor-sportarten, die der Wangener Großverein anbietet.
Auch Franz Moosherr, Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Ravensburg, macht sich nichts vor: Natürlich führe „jede zusätzliche Anforderung, die den Besuch erschwert“, zu einem Kundenrückgang. Trotzdem hält er es für angemessen, dass beim Friseurbesuch nun die 3G-regel greift – zumal entsprechend geschulte Mitarbeiter in den Salons seit 5. Mai offizielle Testnachweise ausstellen dürfen. Grundsätzlich seien die Friseure im Kreis froh, dass sie überhaupt arbeiten dürfen, so Moosherr. Außerdem spürten sie, dass sich die Lage „peu a peu entschärft, weil immer mehr Kunden geimpft sind“.
Und die Auswirkungen der neuen Verordnung auf die Kulturbranche? Zumindest für die Festspiele Wangen wird sich in der letzten Woche der Saison nichts ändern. „Wir hatten von Anfang an die 3G-regel“, sagt Christoph Morlok vom Vorstand des Festspiel-vereins, der statt der möglichen 210 nur rund 120 Plätze pro Vorstellung anbietet. Die Maske solle deshalb nur bis zum Platz getragen und könne dann abgelegt werden. Das sei auch so, wenn Vorstellungen in die Stadthalle verlegt werden müssten.
Uneingeschränkte Freude darüber, „dass wir nun wieder unter Vollauslastung spielen können“, herrscht laut Geschäftsführer Albert Bauer beispielsweise im Theater Ravensburg. Allerdings starten die Vorstellungen hier erst nach der Sommerpause am 14. Oktober. Und da sich die Vorgaben bezüglich Corona in letzter Zeit häufig geändert hätten, werde der Spielplan erst einmal nur für Oktober und November gemacht: „Dann sieht man, wohin der Hase läuft“, so Bauer.
Änderungen wird die neue Corona-verordnung auch für die Büchereien bringen, beispielsweise in Wangen, aber auch in Ravensburg. Dort sieht die Leiterin der Stadtbücherei durch die 3G-regel einen ziemlichen Mehraufwand auf ihr Team zukommen: „Pro Schicht brauchen wir jetzt eine Mitarbeiterin zusätzlich“, erklärt Claudia Dostler. Generell sei die Kundenfrequenz aufgrund der Pandemie zurückgegangen, weil viele Leute verunsichert seien und „sich genau überlegen, ob sie öffentliche Räume betreten“. Trotzdem wurden auch in den vergangenen 18 Monaten fast so viele Bücher ausgeliehen wie vor Corona – online gab es gar „heftige Zuwächse“, teilweise versorgten Geimpfte Freunde und Verwandte mit Exemplaren aus der Bücherei. Dostler konstatiert: Bücher – seien es Koch- , Kinder-, Garten- oder Sachbücher – hätten in der Corona-zeit „einen neuen Stellenwert bekommen“.
Und bei den Museen? Peter Fritsch, Ausstellungskoordinator am Museum Humpisquartier, geht nicht davon aus, dass der Betrieb durch 3G umständlicher wird oder womöglich weniger Besucher kommen. Er ist zuversichtlich, dass jemand, der gern ins Museum möchte, einen entsprechenden Nachweis mitbringt.