„Fast alle Kulturschaffenden stehen dahinter“
Verein setzt sich für Kulturquartier um die Kemptener Allgäuhalle ein – Das sind die Ziele
- Das 2022 freiwerdende Areal um die Allgäuhalle könnte ein Kulturquartier werden. Nun haben Unterstützer der Idee von Thomas Wirth einen Verein gegründet. Vorsitzender Stephan A. Schmidt hat Klaus-peter Mayr erläutert, welche Ziele er verfolgt.
Herr Schmidt, warum haben Sie einen Unterstützerverein fürs Kulturquartier Allgäuhalle ins Leben gerufen?
Wir wollten dieses wichtige Projekt, diese einmalige Chance für Kempten und seine Region, aus der Unverbindlichkeit einer vermeintlich kleinen Privatinitiative herausholen. Wir unterstützen es nicht nur; es ist ebenso unser Projekt.
Braucht die Stadt solch ein Kulturquartier angesichts vieler anderer Veranstaltungsorte und Initiativen?
Es gibt eben nicht ‚viele’ andere Veranstaltungsorte, sondern zu wenig – und immer weniger, während die Stadt weiter wächst. Insbesondere die gestorbenen kleinen Bühnen, vom Altstadtengel bis zum Klecks, fehlen schmerzlich. Zudem soll das Kulturquartier mehr als Bühnen und eine reine Anreisekultur bieten: nämlich eine interdisziplinäre Präsenzkultur mit Proberäumen für Musiker und Amateurtheater, mit Ateliers, mit Straßen- und Szenekultur rund um den Rollsport – und das inklusiv gedacht. Sowohl eigene Umfragen und Analysen als auch die der Firma Eloprop und die Untersuchungen zum Kulturentwicklungskonzept sprechen eine eindeutige Sprache: Es herrscht ein immenser wie akuter Bedarf für solche Flächen; jeder und jede hofft auf ein solches Kulturquartier. Ähnliche Projekte in vergleichbaren Städten wie Bamberg unterstreichen dies. Kultur bedingt Kultur, statt sich in Konkurrenz zu kannibalisieren.
Wie sehen die Kulturschaffenden in Kempten und Umgebung die Idee? Stehen viele hinter dem Konzept?
Viele? Fast alle. Ein Kulturquartier Allgäuhalle bekam als eine von 80 herausgearbeiteten Maßnahmen in der Schlussveranstaltung zum Kulturentwicklungskonzept Kempten nicht nur die meisten Stimmen, sondern sogar rund doppelt so viele wie die zweitpriorisierte digitale
Kultur- und Kommunikationsplattform. Wenn ich unsere Petition vom vergangenen Herbst durchsehe, finde ich unter den 1224 Unterschriften aus Kempten plus den über 1100 aus dem umliegenden Allgäu kaum einen und eine Kulturschaffende, die nicht unterschrieben hat.
Das Kulturquartier Allgäuhalle ist bisher eine Idee auf dem Papier. Glauben Sie, dass es sich realisieren lässt angesichts der Kosten?
Wir sind da flexibel bis zum Spagat – je nachdem, was gemacht werden soll. Das reicht von circa 400 000 Euro für eine einfache Ertüchtigung bis zu acht Millionen Euro mit zwei variablen Neubauten – wobei das eine Zielversion ist, zu der man auch schrittweise gelangen kann. Dieser Weg aber wird den immensen Bedarf lange nicht decken und anfangs schmerzen. Andererseits: Ein Start im Gebäudebestand, also in der Allgäu- und in der Kälberhalle plus bestenfalls mit der ehemaligen Kfz-zulassungsstelle, möglichst bald nach dem Auszug der Herdebuchgesellschaft und mit nur wenigen, sowieso für jede Folgenutzung fälligen Renovierungs- und Ertüchtigungsarbeiten, dazu eine Nachrüstung bisher heizungsloser Gebäudeteile – das wäre ein besserer
Anfang für die freie Szene, als ein tatenloses Warten während langwieriger Investitionsdiskussionen.
Besteht eine Chance auf Realisierung angesichts der politischen Verhältnisse im Stadtrat? Es gibt ja auch andere Ideen für eine Nachnutzung der Halle.
Klar geht es erst einmal um die grundsätzliche Entscheidung, ob man eine kulturelle Nutzung haben will, oder eine kommerzielle. Und natürlich muss man alle Ideen abklopfen. Aber inzwischen schreiben alle, vom Städtetag über den Einzelhandels- sowie den Hotel- und Gaststättenverband bis zu renommierten Stadtforschern, den Kommunen seit Jahren unisono ins Stammbuch: Die Zukunft vitaler Innenstädte liegt im verzahnten, gemeinsamen Vierklang aus Einzelhandel, Gastronomie, Kultur und Freizeit. Noch ein Bauernmarkt allein, zumal schädlich für die nördliche Innenstadt, wird das nicht richten.
Wer unterstützt Sie im Verein? Sind alle Kulturgenres vertreten?
Bei einem Verein muss man unterscheiden zwischen einer hauptsächlich exekutiven Verwaltungs- und Vorstandsstruktur, und eher programmatischen, gestalterischen Kräften wie Arbeitskreisen und einem möglichst hochkarätig wie vielfältig besetzten Beirat. Den Vorstand haben wir nun schaffen können. Bereits
hier sind wir breit aufgestellt – von Street Culture über Bildende Kunst, Theater, Musik, Veranstaltern bis hin zum wichtigen Thema Inklusion. An Arbeitskreisen und Beirat sind wir gerade dran.
Soll das Kulturquartier ein Ort für Kemptener Künstler sein? Oder soll auch das umgebende Oberallgäu oder gar das ganze Allgäu angesprochen sein?
Es gibt keine Kunst, keine Kultur und keine Soziokultur, die an einer Stadtgrenze endet oder beginnt. Unser Konzept hat das Potenzial für Impulse auch ins gesamte Allgäu.
Eine Frage noch zum Konzept: Stammt es allein von Thomas Wirth?
Das ist längst ein gewachsenes, detailliertes Konzept von vielen. Andreas Schütz vom Klecks und ich arbeiten seit über eineinhalb Jahren daran mit, ebenso Architekten und Bauingenieure. Hinzu kommen klar definierte Bedarfe aus über hundert Einzelgesprächen mit verschiedenen Kultur- und Szeneakteuren, die es im konkreten Entwurf abzudecken galt. Ebenso nannten potenzielle Projektpartner, wo und wie sie sich hier wiederfinden würden – zum Beispiel die Caritas, der Allgäuer Filmemacher Leo Hiemer sowie der Historiker und Kemptener Heimatvereinsvorsitzende Markus Naumann.