Schwäbische Zeitung (Wangen)

„Wir waren wie Brüder“

Einstige Weggefährt­en wie Franz Beckenbaue­r hat der Tod von Gerd Müller schwer getroffen

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(SID) - Der Schock bei Franz Beckenbaue­r über den Tod seines Kumpels Gerd Müller saß tief. Doch die Erinnerung an ein Erlebnis aus der glorreiche­n Zeit beim FC Bayern zauberte dem schwer getroffene­n „Kaiser“dann doch kurz ein Lächeln ins Gesicht. „Wir wohnten damals nur ein paar Kilometer voneinande­r entfernt. Er holte mich vor Spielen ab und musste manchmal auf mich warten. Als er mal ungeduldig sagte: ,Franz, wir kommen zu spät zur Mannschaft­sabfahrt.‘ Da lachte ich: ,Dicker‘ – so nannte ich ihn – ,merke dir eines. Ohne uns fährt bei Bayern keiner ab‘“, erzählte Beckenbaue­r.

Es sind solche Anekdoten und Erinnerung­en, die bleiben. Für die meisten Fußballfan­s war Müller der vollkommen­e Torjäger, eben der „Bomber der Nation“– für seine ehemaligen Weggefährt­en war „kleines, dickes Müller“aber viel mehr: ein Freund fürs Leben! „Er war so ein feiner Kerl und viel feinsinnig­er, als viele dachten. Gerd und ich – wir waren wie Brüder“, sagte Beckenbaue­r der „Bild“über seinen langjährig­en Weggefährt­en, mit dem er Welt- und Europameis­ter wurde und eine Ära im deutschen Fußball geprägt hatte.

Auch Uli Hoeneß stellte die menschlich­en Qualitäten von Müller,

der am Sonntag im Alter von 75 Jahren an den Folgen einer Alzheimer-erkrankung gestorben war, heraus. „Gerd war auf dem Platz einmalig und neben dem Platz stets ein bescheiden­er, bodenständ­iger, von uns allen über die Maße geschätzte­r Gefährte“, sagte Hoeneß der „tz“. Für den früheren Bayern-präsidente­n war Müller ein Mann, „dem wir alle unendlich viel zu verdanken haben“.

Müller habe seinen „Lebensweg entscheide­nd mitgeprägt“, betonte Paul Breitner und würdigte seinen Freund voller Emotionen als „friedliebe­nden, positiv denkenden und immer freundlich­en Mensch“.

Dies ist auch für den heutigen Bayern-star Thomas Müller „die wichtigste Botschaft: Du warst ein sensatione­ll guter Mensch“. Einer, der „trotz seiner außergewöh­nlichen Erfolge mit jedem redete“, sagte Welt- und Europameis­ter Jürgen Grabowski voller Anerkennun­g.

Man sage ja „immer nie etwas Böses über die Toten“, meinte Ex-nationalto­rwart Wolfgang Kleff: „In diesem Fall stimmt es aber: Er war ein gutmütiger, kleiner knubbelige­r Fußballer und Mensch. Gerd war ein feiner Mann.“Ein Großer, „weil er nie groß sein wollte“, ergänzte Bayerns ehemaliger Vorstandsc­hef Karlheinz

Rummenigge. Deshalb war es für Müllers ehemalige Mitspieler auch so „ein Schock“, wie Beckenbaue­r betonte, „auch wenn man schon seit Langem die Nachricht befürchten musste“.

Beckenbaue­r und Müller prägten zusammen mit Breitner, Hoeneß, Sepp Maier oder Franz „Bulle“Roth eine Ära – wobei Müller wegen seiner unzähligen Tore immer ein bisschen über allen stand. „Gerd Müller war für mich der größte Fußballer meines Lebens. Gerd ist der Sockel, auf dem der große FC Bayern unserer Tage entstanden ist“, schrieb Breitner in der „tz“.

Der Spruch von Beckenbaue­r, den dieser bei jeder Gelegenhei­t benutzte, ist ohnehin legendär: „Ohne die Tore vom Gerd wären wir noch immer in unserer alten Holzhütte an der Säbener Straße.“Die alten Kumpels besuchten ihren Gerd auch immer in seinem Pflegeheim im Süden Münchens und demonstrie­rten auch so ihre große Verbundenh­eit. Breitner bedankte sich deshalb auch bei Müllers Frau Uschi, „dass ich ihn gerade auch in seinen letzten Jahren im Heim begleiten durfte. Bis zuletzt konnte ich ihm noch nahe sein.“

Uschi Müller will „ja eine Beisetzung im ganz kleinen Kreis“, verriet „Bulle“Roth: „Ich hoffe aber, dass wir doch alle auf die Beerdigung gehen können.“Um von ihrem Kumpel gebührend Abschied zu nehmen.

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FOTO: FRED JOCH/IMAGO IMAGES Die nicht nur 1974 prägende Achse des FC Bayern München: Gerd Müller (vorn), Sepp Maier und Franz Beckenbaue­r.

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