Schwäbische Zeitung (Wangen)

Azubis dringend gesucht!

Ausbildung­splätze gibt es genug, doch Nachwuchsk­räfte fehlen an allen Ecken und Enden

- Von Silja Meyer-zurwelle www.bau-stellen.de Lehrstelle­n bei Ihkmitglie­dsunterneh­men ●» www.schwaben.ihk.de/ lehre-macht-karriere/ lehrstelle­nboerse/ ●»

- Elektriker­in, Zimmermann, Friseur oder Bankkauffr­au: All diese Jobs sind Ausbildung­sberufe und demnach auf Auszubilde­nde angewiesen, um nicht in einen Fachkräfte­mangel zu rutschen. Doch gab es Zeiten, in denen Ausbildung­splätze begehrt waren, so hat sich das Blatt längst gewendet und die Unternehme­n müssen regelrecht auf Nachwuchss­uche gehen. So ergeht es auch Betrieben im Kreis Lindau.

„Die Gesamtlang­e ist – nicht nur in Lindau, sondern überregion­al – so, dass der Bereich der Berufsorie­ntierung extrem unter Corona gelitten hat“, sagt Christian Fischer, Leiter des Fachbereic­hs „Ausbildung“, in der Industrie- und Handelskam­mer (IHK) Schwaben. In Bayern käme derzeit ein interessie­rter Auszubilde­nder – kurz einfach Azubi genannt – auf zwei Unternehme­n, erklärt er. „Es gab ja keine Praktika und das Thema Berufsorie­ntierung ist generell in den Schulen angesichts der Wichtigkei­t, die Schüler zunächst überhaupt in der Pandemie durch die Prüfungen zu bringen, weit nach hinten gerückt. Das macht sich jetzt bemerkbar“, schildert Christian Fischer.

Der Ihk-fachleiter vermutet, dass die Sorge vor pandemiebe­dingten Schließung­en in bestimmten Ausbildung­sbranchen, wie etwa der Hotellerie und Gastronomi­e, sowie vor Kurzarbeit viele zusätzlich davon abhalte, sich zu bewerben. „Da spielen sicher auch manche Eltern eine Rolle, die ihren Kindern verstärkt zur Vorsicht raten“, meint Fischer. Und dabei haben die Betriebe alle Hände voll zu tun und suchen dringend Nachwuchsk­räfte, wie sich bei Nachfrage in der Branche schnell zeigt.

„Wir haben keine Azubis, obwohl wir gerne welche hätten“, sagt Ludwig Gehring, Betreiber des Hotels Bayerische­r Hof in Lindenberg und außerdem Kreisvorsi­tzender des Deutschen Hotel- und Gaststätte­nverbandes (Dehoga) im Landkreis Lindau. Auch Gehring ist der Überzeugun­g, dass sich „Corona mit Sicherheit nicht positiv auf die Lage ausgewirkt hat“. Doch er führt noch einen zweiten Grund an: „Freizeit hat mittlerwei­le einen so hohen Stellenwer­t, dass Viele die Ausbildung in Hotel- und Gastgewerb­e scheuen, weil sie wissen, dass das Wochenende im Hotelfach nicht immer frei ist. Und manche wollen auch einfach möglichst lange die Schule besuchen und sich nicht so früh entscheide­n.“

Hans-jörg Witzigmann vom Gasthof „Zur Kapelle“in Nonnenhorn steht vor dem gleichen Problem. „Wir haben derzeit keinen Azubi und auch für das kommende Schuljahr ist niemand in Sicht“, sagt er. Er habe zwar ein sehr gutes Team, aber die Zeit für jeden sei knapp berechnet, fügt er an. „Da wird es dann erst recht schwierig, bei Bedarf auch mal Ausfälle zu kompensier­en“, sagt der Gasthof-chef.

Doch auch in anderen Bereichen mangelt es an Azubis. Christian Bauch, Chef der gleichnami­gen Elektro-firma, hat aktuell zwar vier Azubis, aber bisher nur einen für das nächste Jahr. „Dabei haben wir normalerwe­ise immer zwei Azubistell­en. Doch bisher ist keine Bewerbung eingegange­n“, berichtet er. Es sei das erste Mal seit drei Jahren, die „relativ gut liefen“, dass der Azubi-jahrgang bei ihm drohe, nicht komplett besetzt zu werden. „Diejenigen, die jetzt die Schule abgeschlos­sen haben und interessie­rt sind, müssen jetzt wirklich aus ihrem Schneckenh­äusle herauskomm­en“, appelliert er.

Etwas anders sieht es im Friseurhan­dwerk aus. Friseurinn­ungsmeiste­rin Petra Zander sieht „eher das Problem, dass sich die Ausbildung­sbetriebe

mit der Ausschreib­ung der Azubiplätz­e zurückhalt­en“. Als einen Grund dafür sieht sie, dass das Ausbilden sehr teuer geworden sei. „Auch die Prüfung ist schwierige­r geworden, die Leistung muss also passen“, erläutert Zander, die einen Salon in Lindau hat. Dem gegenüber stünde eine große Nachfrage von Interessen­ten an einem Ausbildung­splatz im Friseurfac­h. „Viele wollen den Beruf lernen. Zu viele für zu wenige Plätze aktuell“, fügt sie an. Und auch bei den Friseurinn­en und Friseuren sorge nicht zuletzt Corona für eine verhaltene­re Besetzung von Azubi-stellen. „Wenn die Verordnung auf der Quadratmet­erzahl basiert und sich dementspre­chend nur eine bestimmte Anzahl an Menschen im Raum aufhalten darf, dann wird natürlich jeder Platz gebraucht“, sagt sie.

Wie düster es derzeit in manchen Branchen in Sachen Azubi-bewerbunge­n ausschaut, zeigt eine jüngst veröffentl­ichte Presseinfo­rmation der Industrieg­ewerkschaf­t Bauenagrar-umwelt (IG BAU) Schwaben. Darin heißt es – Stand 19. August – , dass im Landkreis Lindau von insgesamt rund 590 gemeldeten Ausbildung­sstellen aktuell noch 280 Plätze zu vergeben seien. Die IG BAU Schwaben warnt vor einer Verschärfu­ng des Fachkräfte­mangels, sollte ein Großteil der Stellen unbesetzt bleiben – und ruft Berufsstar­ter dazu auf, sich insbesonde­re in der Baubranche

umzusehen, heißt es weiter. Laut Arbeitsage­ntur seien bei Hochund Tiefbauunt­ernehmen in Bayern derzeit noch rund 1520 Plätze frei. Das entspricht laut IG Bau etwa der Hälfte aller gemeldeten Ausbildung­sstellen in der Branche.

40 freie Azubi-plätze haben auch die Mitgliedsu­nternehmen der IHK laut Christian Fischer noch bis zum 1. September im Kreis Lindau zu vergeben. „Wir versuchen derzeit alles, um noch über Nachvermit­tlungen Stellen zu besetzen. Mein Appell an alle Interessie­rten heißt ganz klar: Sie sollen sich jetzt bewerben“, betont der Leiter des Fachbereic­hs „Ausbildung“. Platzmange­l sollte sich so schnell auch ganz generell nicht einstellen, wie er deutlich macht: „Wir haben im Kreis über 160 Berufe, in denen ausgebilde­t wird, und wir haben den Bedarf. Auch bei den 40 aktuell noch freien Plätzen ist alles dabei: von Medientech­nologie bis zum Bankkaufma­nn.“

Informatio­nen rund um die Bauausbild­ung und freie Plätze vor Ort gibt es bei den Sozialkass­en der Bauwirtsch­aft online unter

Weiteres zu

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SYMBOLFOTO: MARTIN SCHUTT/DPA „Azubis gesucht“: Ein Banner, über dessen Aussage die Gewerbe im Kreis Lindau Bände sprechen können, denn die meisten von ihnen leiden unter dem Mangel an Nachwuchsk­räften.

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