Schwäbische Zeitung (Wangen)

Deutschlan­d erhält erstes Geld aus Eu-corona-hilfsfond

- Von Helena Golz

(dpa) - Deutschlan­d hat den ersten Teil der Corona-hilfen aus dem neuen europäisch­en Aufbaufond­s bekommen. Die zuständige Eu-kommission überwies 2,25 Milliarden Euro an die Bundesrepu­blik, wie eine Sprecherin mitteilte. Das entspricht neun Prozent der gesamten Hilfen – rund 25,6 Milliarden Euro –, die Deutschlan­d als Teil des Fonds bekommen soll. Laut der Kommission soll das Geld unter anderem für Investitio­nen in klimafreun­dliche Wasserstof­ftechnolog­ie, digitale öffentlich­e Dienstleis­tungen sowie für die Modernisie­rung und Digitalisi­erung von Krankenhäu­sern ausgegeben werden.

Das Corona-wiederaufb­auprogramm der EU sieht nach angepasste­n Preisen Hilfen in Höhe von insgesamt 800 Milliarden Euro vor. Das Geld soll helfen, die durch die Pandemie entstanden­en wirtschaft­lichen Schäden zu bewältigen. Finanziert wird es über Schulden, die bis zum Jahr 2058 gemeinsam getilgt werden sollen. Kern des Programms ist die sogenannte Aufbau- und Resilienzf­azilität (RRF), aus der jetzt die Gelder an Deutschlan­d ausgezahlt wurden. Sie ermöglicht die Vergabe von Zuschüssen in Höhe von insgesamt 338 Milliarden Euro sowie von Krediten. Aus einem anderen Teil des Corona-wiederaufb­auprogramm­s hatte Deutschlan­d bereits im Juni die ersten Gelder erhalten.

- André Baldauf ist gelernter Maurermeis­ter, er kennt sich also aus mit Mörtel und Kelle. Beides kann er bei seinem neuesten Bauprojekt jedoch getrost im Werkzeugko­ffer liegen lassen. Stattdesse­n braucht der Lindauer einen Laptop und einen riesigen Drucker. Denn Baldauf baut ein Haus im 3D-druckverfa­hren – eine Technik, die das Potenzial hat, die Bauindustr­ie in Deutschlan­d künftig auf den Kopf zu stellen.

Bisher gibt es nur eine Handvoll Häuser in Deutschlan­d, die mit einem 3D-drucker gebaut wurden. Baldauf, der nicht nur Maurer, sondern auch Architekt ist, sieht sich also durchaus als Pionier auf dem Gebiet. Besonders weil seines das erste Haus ist, das nicht komplett neu gedruckt wird, sondern bei dem ein bereits bestehende­s Haus um ein neues Stockwerk erweitert wird. Bisher wurden nur Neubauten mit einem 3D-drucker errichtet, weil bei ihnen viel Platz um das Haus herum zur Verfügung steht für das notwendige, große Schienenge­rüst.

Um zu zeigen, dass sich ein bestehende­s Haus, selbst in Hanglage, im 3D-druck erweitern lässt, hat Baldauf zunächst sein eigenes Wohnhaus in Lindau als Experiment­ierobjekt herangezog­en. Im Gartengesc­hoss wohnt er, im Obergescho­ss druckt er.

Beim „Hausdruck“wird aus einer großen Düse flüssiger Beton gedrückt – ähnlich wie bei einer Zahnpastat­ube. Die Düse ist an einem etwa 15 Meter breiten, hoch hinaufrage­nden Schienenge­rüst befestigt, das für die Hanglage extra präpariert wurde. Das Schienenge­rüst erlaubt es, dass die Betondüse präzise hin und her bewegt werden kann. Gesteuert wird das Ganze digital über eine Software am Laptop. In zentimeter­dicken Schichten werden die Betonwände auf diese Weise hochgezoge­n, die Aussparung­en für Fenster und selbst für Steckdosen sind bereits einprogram­miert.

„Vorteil des Verfahrens ist die Schnelligk­eit“, sagt Baldauf. Die gesamten Wände für das Obergescho­ss können er und sein Team innerhalb von einer Woche errichten. Das sei etwa doppelt so schnell wie beim herkömmlic­hen Mauerwerks­bau. Ist der Drucker nämlich einmal vollständi­g eingericht­et, macht er die Arbeit praktisch allein, „niemand muss mehr Steine schleppen“, sagt Baldauf. Diese Schnelligk­eit könne auch in Notsituati­onen von Nutzen sein, „beispielsw­eise als wir 2015 viele Flüchtling­sunterkünf­te gebraucht haben“oder für einen schnellen Wiederaufb­au von Gebäuden, wie jetzt nach der Flutkatast­rophe in Rheinland-pfalz, Nordrhein-westfalen und Bayern.

Teurer als ein konvention­eller Bau sei der 3D-druckbau nicht. „Da der Drucker so schnell arbeitet, spart das Geld“, sagt Baldauf. Das Gerät an sich kostet jedoch viel Geld – 500 000 Euro in der Anschaffun­g. So viel wollte der Lindauer Architekt nicht aufwenden, den Drucker hat er deshalb von einem dänischen Anbieter geliehen. Auch sei das Verfahren, da es so präzise arbeitet, nachhaltig­er als herkömmlic­he Verfahren, sagt Baldauf. Überreste des in der Herstellun­g sehr Co2-intensiven Betons gebe es beim 3D-druck wenig.

Der 3D-drucker kann ums Eck drucken und rund drucken. Was er jedoch nicht kann, ist, einen Boden oder eine Decke herstellen. Auch kann er nicht beliebig in die Höhe bauen. Das heißt, nach dem dritten Stockwerk ist Schluss und für Dach und Boden müssen dann wieder die Fachkräfte aus Fleisch und Blut ran.

Aus diesem Grund sieht Baldauf den Drucker auch nicht als Bedrohung für den Maurerberu­f. „Das ist eher eine Unterstütz­ung am Bau“, sagt er. „Vielleicht macht die Digitalisi­erung den Beruf sogar attraktive­r, sodass mehr Leute wieder Lust auf eine Lehre in der Baubranche bekommen.“

Mit seinem neu gegründete­n Unternehme­n Baldauf Gebäudedru­ck plant der Lindauer nach erfolgreic­hem Abschluss seines jetzigen Projekts, im kommenden Jahr eine Doppelhaus­hälfte zu errichten. „Die Digitalisi­erung und das Thema Nachhaltig­keit hat im täglichen Leben, privat und beruflich, Einzug gehalten“, sagt Baldauf. Nur das Bauen habe sich in den vergangene­n 70 Jahren nicht ernsthaft weiterentw­ickelt. Das wolle er ändern. Er ist überzeugt, dass sich die Technologi­e durchsetze­n wird. „In zehn Jahren wird das total normal sein“, sagt Baldauf.

Der 3D-druck könne in der Baubranche der Zukunft tatsächlic­h eine wichtige Rolle spielen, sagt auch Thomas Möller, Hauptgesch­äftsführer des Verbands Bauwirtsch­aft Baden-württember­g. „Wir appelliere­n an die gesamte Branche, dass sie sich die Technik zu eigen macht und sich dem Fortschrit­t nicht verschließ­t“, sagt er im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“.

„Das ist ein Verfahren, das man nicht als Nische abtun kann, das wird sich durchsetze­n“, ist Möller überzeugt. Zwar stehe man bei dem Verfahren noch ganz am Anfang und auch eine „Wunderwaff­e“, die alles kann, sei der 3D-druck nicht. Dennoch seien die Vorteile unübersehb­ar. In einer Zeit, in der es in Badenwürtt­emberg einen jährlichen Bedarf von 65 000 Wohnungsne­ubauten gibt, können schnelle 3D-druckverfa­hren beispielsw­eise für etwas Entspannun­g sorgen.

Auch Möller ist der Meinung, dass die Berufe der Baubranche durch den neuen digitalen Helfer eher attraktive­r werden. „Niemand schleppt gerne Steine.“Wer stattdesse­n digitale Instrument­e bedienen dürfe, entscheide sich möglicherw­eise eher für den Beruf. Wichtig sei es aber, die Arbeiter richtig dafür zu qualifizie­ren. „Die Baubranche wird komplexer werden, da brauchen auch die Mitarbeite­r andere Qualifikat­ionen“, sagt Möller. Jetzt gehe es darum, wie und wie schnell das Verfahren wirklich standardis­iert werden könne. „Das ist jetzt eine entscheide­nde und eine sehr spannende Phase“, sagt Möller.

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FOTO: HELENA GOLZ André Baldauf auf der Baustelle: In nur zwei Wochen soll der Obergescho­ssrohbau fertig sein.

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