OSK bekennt sich zum Wangener Krankenhaus
Ärzte fürchten Parallelen zu Leutkirch und Isny – Klinikverbund nennt Angst vor Schließung unbegründet
Gibt es im württembergischen Allgäu bald gar kein Krankenhaus mehr? Allgäuer Ärzte, die sich noch gut an die Schließung der Krankenhäuser in Leutkirch und Isny erinnern können, schlagen angesichts der Gedankenspiele der Osk-geschäftsführung zum Wangener Westallgäu-klinikum jedenfalls Alarm. Der Klinikverbund Oberschwabenklinik bekennt sich auf Anfrage der „Schwäbischen Zeitung“dagegen klar zum Standort.
Die Leutkircher Hausärztin Brigitte Schuler-kuon erinnern die Ende Juli von Osk-geschäftsführer Oliver Adolph ins Gespräch gebrachten Spezialisierungspläne – die Überlegungen sehen unter anderem vor, dass in Wangen keine Notfallpatienten mehr operiert werden sollen und stattdessen dort ein Orthopädieschwerpunkt entstehen soll – stark an die Vorgänge vor der Schließung der Krankenhäuser in Leutkirch und Isny. Damals wurden auch Abteilungen zusammengelegt, was dann aber wieder rückgängig gemacht worden ist, blickt Schuler-kuon zurück. „Die Nummer wiederholt sich gerade. Wangen wird fallen, wenn es so läuft“, ist sie sich sicher.
Wenn die Notfallpatienten in Wangen wegfallen, bleiben auch die damit verbundenen Fallpauschalen aus, erklärt sie. Dann werde es finanziell noch schwieriger für den Krankenhausstandort im württembergischen Allgäu, der laut dem im Juni ausgeschiedenen Ravensburger Osk-chefarzt Ekkehard Jehle seit Jahren Verluste macht. Das könne durch die Spezialisierung nicht aufgefangen werden.
Die OSK sieht das anders. „Derzeit bietet die OSK elektive (also planbare Eingriffe) Gelenkmedizin in Ravensburg, Bad Waldsee und Wangen an. Der Gedanke, in Wangen ein Osk-weites Zentrum für Orthopädie zu etablieren, würde die regionale und sogar überregionale Bedeutung des Westallgäu-klinikums erheblich aufwerten. Diese Spezialisierung bedeutet eine Riesenchance für das Haus, zumal die Gelenkchirurgie sehr gut vergütet wird“, erklärt Oskpressesprecherin Vera Sproll.
In einem Klinikum von der Größe Wangens gehe es darum, dem vorgehaltenen Personal und den vorgehaltenen Geräten die entsprechenden Leistungen gegenüberzusetzen. Dafür biete sich die elektive Orthopädie an. „Darüber hinaus wurden die wirtschaftlichen Auswirkungen der strategischen Neuausrichtung seit Jahresbeginn in komplexen Datenbanken simuliert und wiederholt mit dem Aufsichtsrat ausführlich diskutiert. Die Ergebnisse sind sehr vielversprechend“, so Sproll. Ziel des Aufsichtsrates sei es, bei der Neuausrichtung eine nachhaltige Lösung zu finden, die den Standort Wangen langfristig tragen könne. In diesem Zuge spricht sie von einem Zeitfenster von 20 bis 30 Jahren.
Die Sprecherin versichert darüber hinaus, dass es für die überwiegende Zahl der Patienten, die heute die Notaufnahme in Wangen aufsuchen, auch zukünftig eine Notfallversorgung am Ort geben werde. „Die Frage ist, was mit schwerer erkrankten Patienten geschieht. Diese werden schon heute in spezialisierte Zentren verlegt, die zum Beispiel auf die Behandlung von Polytraumen (komplexe Verletzungsmuster nach schweren Unfällen), Schlaganfällen oder Herzinfarkten ausgerichtet sind“, erklärt Sproll. Diese Tendenz zur Versorgung in Zentren werde sich mit der Weiterentwicklung der Medizin verstärken. „Dies geschieht im Interesse der Patienten, die nicht irgendeine, sondern die am besten geeignete Versorgung erhalten sollen“, betont sie.
Schuler-kuon dagegen befürchtet für den Fall, dass mehrere Abteilungen aus dem Krankenhaus Wangen nach Ravensburg verlegt werden, einen großen Verlust von dringend benötigtem Fachpersonal, sowohl in der Pflege als auch bei den Ärzten. So gebe es etwa in Wangen „Top-chirurgen“, die vermutlich nicht alle mit nach Ravensburg gehen würden, wenn die Chirurgie komplett ans EK verlegt wird.
Von einer „Diskussion zur Unzeit“spricht ein niedergelassener Arzt aus Wangen, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte. Die von der Osk-geschäftsführung angestoßene Debatte bringe noch mehr Unruhe in das Wangener Krankenhaus als dort eh schon herrsche.
So verschrecke man die guten Leute dort und es werde noch schwerer, diese an Bord zu halten. Eine Situation, die auch ihn fatal an das Ende in Isny und Leutkirch erinnere. Da das württembergische Allgäu schon diese beiden Krankenhäuser verloren hat, ist es aus seiner Sicht katastrophal, wenn auch noch das in Wangen in Gefahr gerate. Der Arzt hat grundsätzlich überhaupt das Gefühl, dass die OSK das württembergische Allgäu längst aus dem Blick verloren hat.
Diesem Eindruck widerspricht die Osk-sprecherin deutlich: „Es gibt mittlerweile etliche Landkreise, in denen es nur noch ein Krankenhaus gibt. Die aktuellen Vorschläge der Geschäftsführung für die Zukunft der OSK zielen aber gerade darauf ab, in unserem Landkreis alle Standorte zu erhalten. Dies entspricht dem Auftrag des Aufsichtsrates, sich rechtzeitig darüber Gedanken zu machen. Voraussetzung für ein Überleben der Standorte sind medizinische Inhalte, die an diesem Ort eine Zukunft haben.“
Die der Sz-redaktion zu Ohren gekommene Information, dass das Krankenhaus Wangen nur noch mit der Orthopädie betrieben werden soll, bezeichnet Sproll als „Desinformation“: „Am EK Ravensburg werden in den nächsten Monaten neue Chefärzte für Allgemein-, Viszeralund Thoraxchirurgie und für die Innere Medizin beginnen. Beide haben dargelegt, wie sie sich in ihren Fächern das Zusammenspiel zwischen dem EK und dem Westallgäu-klinikum vorstellen könnten“, erklärt sie. Es gehe darum, dass beide Häuser noch enger zusammenrücken. „Darin liegt ein wesentliches Stück der Zukunft für das Westallgäu-klinikum“, so Sproll.
Was bei der Schließung der stationären Versorgung in Leutkirch und Isny für die Versorgung im Westallgäu vorgesehen wurde, sei einschließlich der ambulanten Medizinischen Versorgungszentren und der Aufstockung der Bettenzahl am Westallgäu-klinikum sowie dem Erhalt aller Notarztstandorte alles umgesetzt worden. „Darauf können wir jetzt aufbauen“, erklärt die Sprecherin.
Leutkirchs Oberbürgermeister Hans-jörg Henle betont auf Anfrage, dass im Kreistag noch kein offizieller Beschluss gefasst wurde. Klar ist für das Stadtoberhaupt allerdings: „Wir brauchen den Neubau eines Akutkrankenhauses in Wangen, das die Menschen im Allgäu gut versorgen kann.“Sämtliche Überlegungen für eine Spezialisierung begrüßt Henle, die Grundversorgung müsse in Wangen allerdings zwingend gewährleistet werden. Dafür will sich der Leutkircher Rathauschef in Zusammenarbeit mit weiteren Kommunen einsetzen.
Hinter der Forderung nach einem Neubau steckt der bauliche Zustand des Klinikums am Wangener Engelberg. Das Gebäude ist im Kern mehr als 100 Jahre alt. Seit längerem ist bekannt, dass eine Grundsanierung nicht ausreichen wird, sondern dass komplett neu gebaut werden müsste. Ebenfalls seit einigen Jahren ist klar, dass der Landkreis Ravensburg, über dessen Immobilientochter IKP Eigentümer, für das Gebäude eine „Lebenszeit“von noch rund 20 Jahren veranschlagt. Das ist also ungefähr jener Zeitrahmen, wenn die OSK von einer langfristigen Tragfähigkeit des Westallgäu-klinikums spricht.