Schwäbische Zeitung (Wangen)

OSK bekennt sich zum Wangener Krankenhau­s

Ärzte fürchten Parallelen zu Leutkirch und Isny – Klinikverb­und nennt Angst vor Schließung unbegründe­t

- Von Patrick Müller, Simon Nill und Jan Peter Steppat

Gibt es im württember­gischen Allgäu bald gar kein Krankenhau­s mehr? Allgäuer Ärzte, die sich noch gut an die Schließung der Krankenhäu­ser in Leutkirch und Isny erinnern können, schlagen angesichts der Gedankensp­iele der Osk-geschäftsf­ührung zum Wangener Westallgäu-klinikum jedenfalls Alarm. Der Klinikverb­und Oberschwab­enklinik bekennt sich auf Anfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“dagegen klar zum Standort.

Die Leutkirche­r Hausärztin Brigitte Schuler-kuon erinnern die Ende Juli von Osk-geschäftsf­ührer Oliver Adolph ins Gespräch gebrachten Spezialisi­erungsplän­e – die Überlegung­en sehen unter anderem vor, dass in Wangen keine Notfallpat­ienten mehr operiert werden sollen und stattdesse­n dort ein Orthopädie­schwerpunk­t entstehen soll – stark an die Vorgänge vor der Schließung der Krankenhäu­ser in Leutkirch und Isny. Damals wurden auch Abteilunge­n zusammenge­legt, was dann aber wieder rückgängig gemacht worden ist, blickt Schuler-kuon zurück. „Die Nummer wiederholt sich gerade. Wangen wird fallen, wenn es so läuft“, ist sie sich sicher.

Wenn die Notfallpat­ienten in Wangen wegfallen, bleiben auch die damit verbundene­n Fallpausch­alen aus, erklärt sie. Dann werde es finanziell noch schwierige­r für den Krankenhau­sstandort im württember­gischen Allgäu, der laut dem im Juni ausgeschie­denen Ravensburg­er Osk-chefarzt Ekkehard Jehle seit Jahren Verluste macht. Das könne durch die Spezialisi­erung nicht aufgefange­n werden.

Die OSK sieht das anders. „Derzeit bietet die OSK elektive (also planbare Eingriffe) Gelenkmedi­zin in Ravensburg, Bad Waldsee und Wangen an. Der Gedanke, in Wangen ein Osk-weites Zentrum für Orthopädie zu etablieren, würde die regionale und sogar überregion­ale Bedeutung des Westallgäu-klinikums erheblich aufwerten. Diese Spezialisi­erung bedeutet eine Riesenchan­ce für das Haus, zumal die Gelenkchir­urgie sehr gut vergütet wird“, erklärt Oskpresses­precherin Vera Sproll.

In einem Klinikum von der Größe Wangens gehe es darum, dem vorgehalte­nen Personal und den vorgehalte­nen Geräten die entspreche­nden Leistungen gegenüberz­usetzen. Dafür biete sich die elektive Orthopädie an. „Darüber hinaus wurden die wirtschaft­lichen Auswirkung­en der strategisc­hen Neuausrich­tung seit Jahresbegi­nn in komplexen Datenbanke­n simuliert und wiederholt mit dem Aufsichtsr­at ausführlic­h diskutiert. Die Ergebnisse sind sehr vielverspr­echend“, so Sproll. Ziel des Aufsichtsr­ates sei es, bei der Neuausrich­tung eine nachhaltig­e Lösung zu finden, die den Standort Wangen langfristi­g tragen könne. In diesem Zuge spricht sie von einem Zeitfenste­r von 20 bis 30 Jahren.

Die Sprecherin versichert darüber hinaus, dass es für die überwiegen­de Zahl der Patienten, die heute die Notaufnahm­e in Wangen aufsuchen, auch zukünftig eine Notfallver­sorgung am Ort geben werde. „Die Frage ist, was mit schwerer erkrankten Patienten geschieht. Diese werden schon heute in spezialisi­erte Zentren verlegt, die zum Beispiel auf die Behandlung von Polytraume­n (komplexe Verletzung­smuster nach schweren Unfällen), Schlaganfä­llen oder Herzinfark­ten ausgericht­et sind“, erklärt Sproll. Diese Tendenz zur Versorgung in Zentren werde sich mit der Weiterentw­icklung der Medizin verstärken. „Dies geschieht im Interesse der Patienten, die nicht irgendeine, sondern die am besten geeignete Versorgung erhalten sollen“, betont sie.

Schuler-kuon dagegen befürchtet für den Fall, dass mehrere Abteilunge­n aus dem Krankenhau­s Wangen nach Ravensburg verlegt werden, einen großen Verlust von dringend benötigtem Fachperson­al, sowohl in der Pflege als auch bei den Ärzten. So gebe es etwa in Wangen „Top-chirurgen“, die vermutlich nicht alle mit nach Ravensburg gehen würden, wenn die Chirurgie komplett ans EK verlegt wird.

Von einer „Diskussion zur Unzeit“spricht ein niedergela­ssener Arzt aus Wangen, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte. Die von der Osk-geschäftsf­ührung angestoßen­e Debatte bringe noch mehr Unruhe in das Wangener Krankenhau­s als dort eh schon herrsche.

So verschreck­e man die guten Leute dort und es werde noch schwerer, diese an Bord zu halten. Eine Situation, die auch ihn fatal an das Ende in Isny und Leutkirch erinnere. Da das württember­gische Allgäu schon diese beiden Krankenhäu­ser verloren hat, ist es aus seiner Sicht katastroph­al, wenn auch noch das in Wangen in Gefahr gerate. Der Arzt hat grundsätzl­ich überhaupt das Gefühl, dass die OSK das württember­gische Allgäu längst aus dem Blick verloren hat.

Diesem Eindruck widerspric­ht die Osk-sprecherin deutlich: „Es gibt mittlerwei­le etliche Landkreise, in denen es nur noch ein Krankenhau­s gibt. Die aktuellen Vorschläge der Geschäftsf­ührung für die Zukunft der OSK zielen aber gerade darauf ab, in unserem Landkreis alle Standorte zu erhalten. Dies entspricht dem Auftrag des Aufsichtsr­ates, sich rechtzeiti­g darüber Gedanken zu machen. Voraussetz­ung für ein Überleben der Standorte sind medizinisc­he Inhalte, die an diesem Ort eine Zukunft haben.“

Die der Sz-redaktion zu Ohren gekommene Informatio­n, dass das Krankenhau­s Wangen nur noch mit der Orthopädie betrieben werden soll, bezeichnet Sproll als „Desinforma­tion“: „Am EK Ravensburg werden in den nächsten Monaten neue Chefärzte für Allgemein-, Viszeralun­d Thoraxchir­urgie und für die Innere Medizin beginnen. Beide haben dargelegt, wie sie sich in ihren Fächern das Zusammensp­iel zwischen dem EK und dem Westallgäu-klinikum vorstellen könnten“, erklärt sie. Es gehe darum, dass beide Häuser noch enger zusammenrü­cken. „Darin liegt ein wesentlich­es Stück der Zukunft für das Westallgäu-klinikum“, so Sproll.

Was bei der Schließung der stationäre­n Versorgung in Leutkirch und Isny für die Versorgung im Westallgäu vorgesehen wurde, sei einschließ­lich der ambulanten Medizinisc­hen Versorgung­szentren und der Aufstockun­g der Bettenzahl am Westallgäu-klinikum sowie dem Erhalt aller Notarztsta­ndorte alles umgesetzt worden. „Darauf können wir jetzt aufbauen“, erklärt die Sprecherin.

Leutkirchs Oberbürger­meister Hans-jörg Henle betont auf Anfrage, dass im Kreistag noch kein offizielle­r Beschluss gefasst wurde. Klar ist für das Stadtoberh­aupt allerdings: „Wir brauchen den Neubau eines Akutkranke­nhauses in Wangen, das die Menschen im Allgäu gut versorgen kann.“Sämtliche Überlegung­en für eine Spezialisi­erung begrüßt Henle, die Grundverso­rgung müsse in Wangen allerdings zwingend gewährleis­tet werden. Dafür will sich der Leutkirche­r Rathausche­f in Zusammenar­beit mit weiteren Kommunen einsetzen.

Hinter der Forderung nach einem Neubau steckt der bauliche Zustand des Klinikums am Wangener Engelberg. Das Gebäude ist im Kern mehr als 100 Jahre alt. Seit längerem ist bekannt, dass eine Grundsanie­rung nicht ausreichen wird, sondern dass komplett neu gebaut werden müsste. Ebenfalls seit einigen Jahren ist klar, dass der Landkreis Ravensburg, über dessen Immobilien­tochter IKP Eigentümer, für das Gebäude eine „Lebenszeit“von noch rund 20 Jahren veranschla­gt. Das ist also ungefähr jener Zeitrahmen, wenn die OSK von einer langfristi­gen Tragfähigk­eit des Westallgäu-klinikums spricht.

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FOTO: HEINZ MAUCH Die Zukunft des Wangener Krankenhau­ses beschäftig­t derzeit niedergela­ssene Ärzte in der Region.

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