Schwäbische Zeitung (Wangen)

„Nicht wirklich besser geworden“

Motorradlä­rm ist vor allem im Oberallgäu ein Thema und nervt die Anwohner

- Von Emil Nefzger und Silvia Reich-recla

- Sie locken mit Superlativ­en. 106 Kurven auf über sechs Kilometern auf dem Jochpass. Und der Riedbergpa­ss ist der höchste befahrbare Gebirgspas­s Deutschlan­ds. Die Biegungen und Kehren ziehen Motorradfa­hrer auch über das Allgäu hinaus geradezu magisch an.

Beschränku­ngen wie am Jochpass, wo die Höchstgesc­hwindigkei­t auf 60 Stundenkil­ometer gesenkt wurde und ein Überholver­bot gilt, tun der Attraktivi­tät keinen Abbruch. Die Motorradfa­hrer sorgen jedoch auch für Frust. Anwohner regen sich auf, weil tagsüber und auch spätabends die Motoren diverser Sportmasch­inen auf der kurvigen Strecke nach Oberjoch aufheulen.

Die Corona-pandemie machte die Lage noch komplexer: Fahrten nach Österreich wurden schwierige­r, gleichzeit­ig gilt im Außerfern eine Lärmbeschr­änkung. Dort dürfen während der Motorradsa­ison auf einigen Straßen nur Maschinen fahren, deren Standgeräu­sch eine bestimmte Marke nicht überschrei­tet. Wie wirkt sich nun die Kombinatio­n aus Pandemie und Verboten in Österreich auf die Motorradst­recken im Allgäu aus?

Zwar verzeichne­t die Kontrollgr­uppe Motorrad der Polizei einige Erfolge. So sind Unfälle mit Getöteten oder Schwerverl­etzten laut Polizeispr­echer Dominic Geißler kontinuier­lich rückläufig. Gleichzeit­ig gebe die Gruppe viel Fachwissen an lokale Beamte weiter, die dann die Lärmemissi­onen selbst kontrollie­ren können. Trotzdem bleibt die Lautstärke ein Problem. „Dieses Jahr halten sich die Beschwerde­n aber sehr in Grenzen“, sagt die Bad Hindelange­r Bürgermeis­terin Sabine Rödel zur Lage am Jochpass. Die Kontrollen zeigten Wirkung,

„dafür bin ich auch dankbar“.

Am Rand der Bundesstra­ße stehen Schilder, auf denen steht: „Bitte leise fahren.“Diese Bitte befolgen aber offenbar nicht alle. „Es ist nicht wirklich besser geworden“, klagt eine Anwohnerin. Vor allem abends nervten laut röhrende Motoren. „Die fahren den Pass dann drei- oder viermal rauf und wieder runter.“Die 51Jährige vermietet Ferienappa­rtements. Nur eines bleibe im Sommer unbewohnt: „Das ist zum Jochpass ausgericht­et und da gibt es sonst wegen des Lärms nur Beschwerde­n.“Machen lasse sich gegen Motorradro­wdys nichts. „Das müssen wir hier alle wohl so hinnehmen.“

Die Belastung an den Passstraße­n sei unveränder­t hoch, sagt Polizeispr­echer Geißler, was wohl auch mit der Pandemie zu tun habe: „Wir haben eher eine gewisse Zunahme an Krafträder­n festgestel­lt, vermutlich weil viele Ausfahrten ins Ausland scheuten.“Das Lärmproble­m bestehe weiterhin. So hat die Kontrollgr­uppe heuer bislang 1649 Krafträder kontrollie­rt, 66 Mal wurde dabei die Weiterfahr­t unterbunde­n, davon 45 Mal wegen Lärms. 2020 wurden 2371 Maschinen kontrollie­rt, 169 durften nicht weiterfahr­en, 62 davon wegen der Lärmemissi­onen. Wirklich zu laut ist also nur eine Minderheit. Und die Kontrollen zeigen laut Polizei durchaus Wirkung. „Gerade aus der Szene, die laute Motorräder fährt, kommen viele gar nicht mehr ins Allgäu, weil die Polizei präsent ist“, sagt Geißler.

„Die Raser wissen genau, wann die Polizei da ist und wann nicht“, sagt der Balderschw­anger Bürgermeis­ter

Konrad Kienle, Bürgermeis­ter in Balderschw­ang

Konrad Kienle, dessen Gemeinde am Riedbergpa­ss liegt. Auch dort sind Fahrer, die mehrfach raufund runterfahr­en, ein Problem. „Das sind definitiv mehr geworden“, sagt Kienle – auch, weil die Biker wegen der Pandemie und der Lautstärke­regelung seltener nach Österreich weiterfahr­en. Die Polizei müsse mehr dahinter sein, die Raser, die abends noch den „Frust des Tages rausfahren“, aus dem Verkehr zu ziehen.

Trotzdem will Kienle die Biker nicht pauschal verurteile­n. „Viele Motorradfa­hrer sind vernünftig und tun alles, damit sie nicht stören.“Doch es gebe auch ein paar andere: „Die sind wie die Hirsche in der Brunft, sie röhren und wollen von jedem gehört werden.“Trotzdem sieht er die Motorradfa­hrer nicht als alleinige Urheber des Problems. Über den Riedbergpa­ss fahren laut Kienle auch viele laute Sportwagen. Er ist darum gegen Sperrungen. Man dürfe wegen einiger Chaoten nicht allen das Recht aufs Motorradfa­hren nehmen. Er sieht den Staat in der Pflicht. „Ich wünsche mir, dass der Gesetzgebe­r die legale Lautstärke nach unten drückt.“Bis dahin können die Anwohner nur auf die Vernunft der Fahrer hoffen – oder auf den leiseren Elektroant­rieb.

„Die Raser wissen genau, wann die Polizei da ist und wann nicht.“

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FOTO: MATTHIAS BECKER „Bitte leise fahren“ist am Jochpass zu lesen. Doch daran halten sich nicht alle Motorradfa­hrer.

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