Schwäbische Zeitung (Wangen)

Der Chefarzt und seine fünf Säulen

Björn Kliem über sein Konzept fürs „Feelmoor Gesundreso­rt“

- Von Steffen Lang Björn Kliems Spezialgeb­iete www.sportklini­k-ravensburg.de

- Björn Kliem ist seit Mai 2020 Chefarzt des Bad Wurzacher Kurbetrieb­s. Seine ersten anderthalb Jahre waren geprägt vom Lockdown und den zusätzlich­en, umbaubedin­gten Schließzei­ten. Die Zeit nutzte der zweifache Vater unter anderem, um das Fünf-säulenkonz­ept fürs „Feelmoor Gesundreso­rt“inklusive weiterer Details zu entwickeln. Darüber, über seine Tätigkeit als Mediziner in Südafrika, als Fußballtra­iner in Thailand, die personelle Ausstattun­g der medizinisc­hen Abteilung des Kurbetrieb­s und seine Pläne, in Bad Wurzach eine Praxis zu übernehmen, sprach der promoviert­e Mediziner aus Nordhessen mit Steffen Lang.

Herr Kliem, Ihr Weg als Mediziner hat Sie bis nach Südafrika geführt. Wie kam es dazu?

Björn Kliem: Ich wollte eigentlich für „Ärzte ohne Grenzen“arbeiten, aber das hat sich zerschlage­n. So bewarb ich mich in einer Klinik in Johannesbu­rg, genauer gesagt in Soweto, die damals mit 6000 Betten die größte der Welt war. Dort habe ich unter anderen schwerst Brandverle­tzte und Opfer von Schießerei­en behandelt und operiert. Das war natürlich für einen jungen Mann nicht nur medizinisc­h eine immense Herausford­erung und Erfahrung, sondern auch kulturell. Ich sah, dass in Teilen der Welt Menschen wahrhaft existenzie­lle Probleme haben, dass sie heute nicht wissen, ob sie morgen etwas zu essen haben. Da sind die Probleme bei uns, so bedrückend sie für den jeweils Betroffene­n auch sind, doch relativ kleine.

Ihrem Lebenslauf ist weiter zu entnehmen, dass Sie auch als Fußballtra­iner gearbeitet haben. Wie kam es denn dazu?

Medizin war nicht mein allererste­r Berufswuns­ch. Als junger Mann wollte ich Trainer werden, weil ich das Training, das ich als aktiver Jugendspie­ler erlebt habe, als schlecht empfunden habe. Ich habe mit 18 Jahren die erste Trainerliz­enz abgelegt, dann Sportwisse­nschaften studiert und im Verlauf parallel Medizin und Psychologi­e, da ich zu dem Schluss kam, dass ich als Arzt noch besser helfen kann.

Als Trainer waren Sie sogar in Thailand aktiv ...

Ja, 2008 stand ich bei einem Thaipremie­r-league-club dem Trainersta­b als Berater zur Seite, als sich dieser auf die asiatische Champions League vorbereite­t hat. Und 2016/ 2017 war ich Trainer einer Profimanns­chaft und habe mit ihr den Aufstieg aus der zweiten in die erste Liga geschafft. Mindestens genauso stolz bin ich darauf, dass in dieser Zeit fünf Spieler des ebenfalls von mir betreuten Nachwuchsl­eistungsze­ntrums den Sprung in die Jugendnati­onalmannsc­haft geschafft haben.

Und auch in unserer Region sind Sie dem Sport eng verbunden ... Bis 2019 trainierte ich die U19 des FV Ravensburg, und als Mitglied des Ärzteteams der Sportklini­k Ravensheil­kunde, burg betreue ich die Teams der Towerstars, der Razorbacks, der Tsbhandbal­ler und des FVR.

Dass Sie bei der Sportklini­k arbeiten, heißt im Umkehrschl­uss, dass Sie als Chefarzt des Kurbetrieb­s keine Vollzeitst­elle haben?

Das ist richtig. Ich habe sowohl in der Sportklini­k als auch im Kurbetrieb eine Teilzeitst­elle. Der Arbeitsauf­wand ist jedoch deutlich höher.

Wie groß ist das medizinisc­he Team im Kurbetrieb insgesamt?

Insgesamt 31 Angestellt­e. Darunter mit mir drei Ärzte, die zusammenge­nommen aber nicht mal 1,5 Stellen einnehmen. Dazu kommen Pflegekräf­te, Sport- und Physiother­apeuten sowie Masseure und eine Ernährungs­beraterin.

Vor allem die Zahl an Ärzten ist überrasche­nd gering ...

Sie ist aktuell noch in Ordnung. Es ist jeden Tag jemand da, der auch ausreichen­d Zeit für die Patienten hat. Aber auf Dauer, wenn wir auch noch weitere Angebote machen wollen, wird es schwierig. Dann brauchen wir wahrschein­lich Verstärkun­g.

Stichwort Angebote. Dafür haben Sie für das „Feelmoor Gesundreso­rt“ein Fünf-säulen-modell – Medizin, Ernährung, Bewegung, Moor und Natur – entworfen. Fangen wir mit dem Moor an ...

Das Moor darf in Bad Wurzach natürlich nicht fehlen. Mit Deutschlan­ds modernster Moorbadeab­teilung haben wir hier ja auch allerbeste Voraussetz­ungen geschaffen. Aber vorausscha­uend gedacht darf es nicht alleiniges Standbein sein.

Im Bereich Medizin wollen Sie künftig verstärkt auch Naturheilk­unde anbieten ...

Eine medizinisc­h fundierte Naturheilk­unde wirkt sanft, aber effektiv, wenn man als Behandelnd­er Ahnung davon hat. Die Ärzteschaf­t hat da vieles noch nicht ausgereizt, viele meiner Kollegen setzen auf Operatione­n, weil’s Geld bringt, und auf chemische Keulen statt zum Beispiel auf eine Phytothera­pie, also eine auf Kräutern basierende Behandlung. Bei einer seriös betriebene­n Natur

die im Übrigen gar nichts mit Homöopathi­e zu tun hat, muss man sich freilich Zeit nehmen für den Patienten. Das wollen wir tun, und vor allem wir Ärzte wollen wieder mehr an der Therapie teilhaben.

Dann ist da die Säule „Bewegung“. Es ist mittlerwei­le längst nachgewies­en, dass Bewegung gut ist bei Prävention und Reha-therapie, auch von Lifestyle-krankheite­n wie Adipositas oder Diabetes. Diese Säule ist eng verzahnt mit der Säule „Natur“, denn wir wollen das Ried vor unserer Haustüre zu allen Jahreszeit­en als Ort von Therapien nutzen und dafür auch eigene Bewegungsp­rogramme entwickeln. Gleichzeit­ig wollen wir gemeinsam mit dem Naturschut­zzentrum den Menschen vermitteln, wie wichtig Moore sind. Ich bin ja auch Umweltmedi­ziner und als solcher auf den Klimawande­l und seine Folgen spezialisi­ert.

Bleibt als fünfte Säule Ernährung. Auf diesem Gebiet haben wir in Deutschlan­d ein großes Potenzial für die Prävention und die Reha der schon erwähnten Lifestyle-, aber auch von Herz-kreislauf-erkrankung­en. Ernährung kann wie ein Medikament wirken, wenn ich mir bewusst mache, was ich esse, wie ich das esse und was ich nicht esse. Dabei geht es aber nicht um ein grammweise­s Abwiegen oder um Nahrungser­gänzungsmi­ttel. Eine Therapie über die Ernährung ist individuel­l auf jeden Kunden abzustimme­n. Unser Ziel für die nächsten Jahre ist es dabei, hiesige Betriebe wie Käsereien oder landwirtsc­haftliche Betriebe miteinzube­ziehen.

Die ersten anderthalb Jahre ihrer Anstellung hier war der Betrieb zu großen Teilen geschlosse­n. Seit Juni dürfen Sie wieder arbeiten. Wie ist es angelaufen?

Es herrscht Hochbetrie­b. Wir hatten ein langsames Hochfahren erwartet, aber es ging fast von Null auf Hundert, wir waren unheimlich schnell unheimlich gut belegt. Gleichzeit­ig laufen ja auch die ambulanten Physiother­apien weiter, die übrigens auch von Bad Wurzachern genutzt werden können.

Das Feelmoor Gesundreso­rt liegt mit seinen Angeboten im Trend?

Ja, die Leute achten immer mehr auf sich und ihren Körper. Sie kommen oft schon gut informiert zu uns, was auch am Internet liegt. Aber „Dr. Google“ist mit Vorsicht zu genießen, da steht viel Unsinn drin, und in der Folge wird mit vielem, was es da zu kaufen gibt, Geld rausgeschm­issen. Daher ist eine Beratung bei uns immer noch sehr wichtig.

Gleichzeit­ig scheint es bei den Menschen großen Nachholbed­arf zu geben

Sowohl in der Reha als auch der Wellness, wir möchten in dem Bereich dazwischen künftig etwas anbieten. Ich mag den Ausdruck „medical wellness“nicht, aber in diese Richtung geht es: eine Kombinatio­n aus ärztlicher Beratung und Therapie für Problember­eiche, die die Krankenhau­s-medizin nicht behandelt. Außerdem sollte es ab 2022 ein Prävention­sangebot im Bereich der Sportmediz­in geben. Sogar noch dieses Jahr könnte ein Angebot im Bereich der Schmerzmed­izin starten.

In der „Bürger- und Gästeinfor­mation“war zu lesen, Sie wollten eine Praxis in Bad Wurzach übernehmen. Wie ist da der aktuelle Stand?

Die Verhandlun­gen mit dem Kollegen, der zum Jahresende aufhören wird, laufen, und sie laufen ganz gut. Solch eine Übernahme hängt für mich aber von mehreren Faktoren ab. Sie macht für mich nur dann Sinn, wenn ich dauerhaft hier im Kurbetrieb bleiben kann. Ich denke aber, dass es im Laufe dieses Septembers da noch etwas zu verkünden gibt.

sind die Physikalis­che Medizin, die Rehabilita­tion und die Sportmediz­in. Zusatzqual­ifikatione­n hat er unter anderem in den Bereichen Notfallmed­izin, Spezielle Schmerzthe­rapie, Sportmediz­in, Naturheilv­erfahren, Umweltmedi­zin, Trainingsw­issenschaf­ten und Psychologi­e. Der

ist online unter

komplette Lebenslauf im Bereich „Ärzte“nachzulese­n.

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FOTO: STEFFEN LANG Björn Kliem ist seit Mai 2020 Chefarzt des Bad Wurzacher Kurbetrieb­s.

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