Luxus auf Rädern
Wegen hoher Nachfrage und Lieferengpässen werden Reisemobile teurer – Gleichzeitig fehlen Stellplätze
- Früher oft als spießig verschrien, könnte Caravaning heute beliebter nicht sein. Die Zahl der Reisemobile und Wohnwagen auf deutschen Straßen wächst und wächst und wächst. Allein in den ersten sieben Monaten dieses Jahres wurden rund 75 000 der Freizeitfahrzeuge neu zugelassen, wie der Caravaning Industrie Verband (CIVD) berichtet. Das ist ein Rekordwert und ein Plus von rund sechs Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Bereits 2020 war die Zahl der Neuzulassungen um 32,6 Prozent im Vergleich zu 2019 gestiegen. „Caravaning ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen“, sagte Civd-geschäftsführer Daniel Onggowinarso im Rahmen des noch bis Sonntag laufenden Caravansalons in Düsseldorf, der weltweit größten Messe für Reisemobile und Wohnwagen. Gerade in der Pandemie haben Reisemobile noch mal an Beliebtheit gewonnen, denn „mit dem Reisemobil ist man individuell und weitestgehend autark unterwegs“, sagt Civd-präsident Hermann Pfaff, „das macht den Urlaub sicher.“Insgesamt hofft die Branche in diesem Jahr, 120 000 mobile Eigenheime zu verkaufen, zwölf Prozent mehr als im Vorjahr.
Doch das dürfte schwer werden, denn die Caravaning-branche kämpft wie viele andere Wirtschaftszweige mit massiven Lieferschwierigkeiten. „Viele Komponenten und Rohstoffe sind aufgrund der Pandemie und stockender Lieferketten aktuell kaum verfügbar, sodass die weiterhin sehr hohe Nachfrage teilweise nicht bedient werden kann“, sagt Onggowinarso.
„Bei unseren Marken stehen Fahrzeuge, die praktisch fertig produziert sind, aber nicht ausgeliefert werden können, weil bestimmte Komponenten und Rohstoffe fehlen“, sagt Martin Brandt, Chef der Erwin-hymergruppe (EHG) mit Sitz im oberschwäbischen Bad Waldsee der „Schwäbischen Zeitung“. Außerdem gebe es Lieferengpässe bei den Lieferanten der Fahrzeugchassis, sagt Brandt. Der insgesamt größte Mangel bestehe bei „Bauteilen für wichtige elektronische Komponenten – insbesondere Halbleiter –, ohne die Fahrzeuge nicht fertiggestellt und ausgeliefert werden können“, sagt Brandt.
Die Knappheit wirkt sich auch auf die Preise aus. Reisemobile und Wohnwagen – auch gebrauchte Modelle – werden immer mehr zum Luxusgut.
Im Jahr des Pandemieausbruchs hatten sich Reisemobile laut CIVD um knapp drei Prozent auf durchschnittlich 73 829 Euro verteuert, Wohnwagen um fast vier Prozent auf im Mittel 22 248 Euro. Dieser Aufwärtstrend scheint nicht vorbei. Man müsse kurz- und mittelfristig von höheren Preisen ausgehen, sagt EHGCHEF Brandt.
„Wir werden mit dem Thema Materialknappheit und einer deutlichen Materialverteuerung sicher noch die nächsten Monate rechnen müssen“, prognostizierte auch Bernd Wuschack, Geschäftsführer des Reisemobilherstellers Carthago aus Aulendorf (Kreis Ravensburg) bereits im Juli bei der Jahresbilanzkonferenz des Unternehmens.
Die Branche selbst heizt das Geschäft unterdessen mit immer neuen Fahrzeugen und Ausrüstungsgegenständen an. Das zeigt sich auch beim Caravan Salon. 645 Aussteller präsentieren auf mehr als 200 000 Quadratmetern
knapp 300 Neuheiten. Mit dabei sind Campingbusse, die Extrahomeoffice-module anbieten. Es gibt Einsteigermodelle mit kompakter Küche und zum Bett umbaubarer Sitzecke, aber auch Xxl-modelle der Luxusklasse, wie dem Performance S von Volkner Mobil: 18 Tonnen zulässiges Gesamtgewicht, 530 PS stark, zwölf Meter lang und 3,85 Meter hoch. Mehr als zwei Millionen Euro kostet das Luxusmodell und ist nach Angaben der Messe das teuerste Reisemobil beim diesjährigen Caravan Salon. Dass Camping nicht nur im Sommer geht, zeigt der Hersteller Kabe mit seinem Oberklasse-caravan Estate 600 GDL KS. Er verfügt über eine Fußbodenheizung und ein eigenes Skifach am vorderen Ende des Wagens. Hier können die Skier nach einem Ausflug hineingeschoben und getrocknet werden. Das Modell mit Platz für vier Personen kostet etwa 50 000 Euro, das Modell für fünf Personen liegt bei 67 200 Euro.
„Wir beobachten insbesondere einen Boom bei den Camper Vans. Den führen wir darauf zurück, dass zunehmend die Millennials zu unseren Kunden gehören und diese Generation das Camping für sich als Urlaubsform neu entdeckt hat“, sagt EHGCHEF Brandt. Die Erwin-hymergruppe mit Marken wie Hymer, Dethleffs oder Bürstner ist beim diesjährigen Caravan Salon nicht vertreten. Das Unternehmen will stattdessen verstärkt auf neue Digital- und Liveformate setzen. In Düsseldorf wird es daher nur noch im Zwei-jahres-rhythmus vertreten sein.
Der Hersteller Carthago aus Aulendorf setzt hingegen weiterhin auf das klassische Messeformat. „Nur hier haben wir die Möglichkeit, unsere Produktportfolios in der notwendigen Breite auszustellen“, erklärt Bernd Wuschack. In Düsseldorf präsentiert Carthago die neue Generation seines Reisemobils chic c-line, unter anderem mit überarbeitetem
Kühlergrill, neu gestaltetem Barschrank und Heckschlafzimmer. Kostenpunkt: etwa 100 000 Euro. Der Preis ist das eine. Die Frage, wo sich das Fahrzeug dann parken lässt, ist eine andere. Insgesamt sind in Deutschland laut Tüv-verband rund 1,8 Millionen Campingfahrzeuge zugelassen, darunter Wohnmobile, Wohnwagen und umgebaute Transporter. Dem stünden derzeit lediglich etwa 2800 geöffnete Campingplätze mit rund 208 000 Stellplätzen gegenüber, sagt Joachim Bühler, Geschäftsführer des Tüv-verbands. „Der schleppende Ausbau der Campinginfrastruktur steht in einem krassen Missverhältnis zu den rasant steigenden Zulassungszahlen von Reisemobilen und Wohnwagen. Hier muss insbesondere die Regional- und Lokalpolitik aktiv werden”, sagt er.
Der wohnmobile Urlaubstrend bringe laut Bühler viele Kommunen an die Belastungsgrenze und schade der Umwelt. Vielerorts fehle es an Sanitäranlagen, Wasseranschlüssen, Müllentsorgung und Internetzugängen. „Die Folgen dieser fehlenden Infrastruktur zeigen sich in der freien Natur an unsachgerecht entleerten Chemietoiletten, zurückgelassenen Müllbergen, einer Zunahme von Wildcampen und illegalen Lagerfeuern”, sagt Bühler.
Natürlich kennt auch Martin Brandt von der EHG das Problem. „Kapazitätsengpässe sehen wir vor allem in der Hochsaison und an den Hotspots. Hier sind innovative Lösungen gefragt, wie sie diverse Anbieter bereits in Eigeninitiative vermarkten. Diese Entwicklungen beobachten wir als Marktführer sehr genau und prüfen, wo und wie wir diese sinnvoll ergänzen und unterstützen können“, verspricht er. Andererseits stelle die EHG auch einen Trend zu kleinen Stellplätzen fest, „etwa an Weingütern oder Bauernhöfen in Deutschland – wo durchaus auch während der Saison Kapazitäten vorhanden sind“.
Die Politik müsse für eine bessere Infrastruktur sorgen, fordert Joachim Bühler vom Tüv-verband. „So sollten bestehende Rasthöfe und Raststätten an Autobahnen und Landstraßen Anlagen zur Abwasserund Müllentsorgung, Entsorgungsstationen für Chemietoiletten, leistungsfähige Internetverbindungen sowie Strom- und Wasseranschlüsse für Camper vorhalten.“Bei der Campinginfrastruktur seien andere europäische Länder wie Frankreich bereits deutlich weiter. „Hier besteht in Deutschland Nachholbedarf.“