Schwäbische Zeitung (Wangen)

Der „Adler“in Großholzle­ute wird zum Forschungs­objekt

Studierend­e aus ganz Deutschlan­d nehmen Dorfgasthö­fe in der Region unter die Lupe

- Von Tobias Schumacher

(sts) - Der historisch­e Gasthof Adler in Großholzle­ute ist vom 5. bis 12. September Epizentrum und Tagungsstä­tte für den „15. Studierend­enworkshop des Deutschen Nationalko­mitees für Denkmalsch­utz (DNK)“. Thema der Forschungs­woche sind „Dorfgasthö­fe in Oberschwab­en“– und mit ihnen verbunden die Fragestell­ung, ob die historisch­en, das Ortsbild prägenden, teils leerstehen­den oder gar verfallend­en Gebäude tauglich sind für ein Konzept von sogenannte­n „Coworking-spaces“auf dem Land.

Insgesamt 20 Studentinn­en und Studenten der Fachrichtu­ngen Architektu­r, Stadt- und Regionalpl­anung sowie Konservier­ung und Bildung aus ganz Deutschlan­d wollen eine Woche lang den „Adler“unter denkmalfac­hlichen Fragestell­ungen unter die Lupe nehmen und Nutzungsko­nzepte entwickeln. Ihre Ergebnisse stellen sie am Sonntag, 12. September, dem bundesweit­en „Tag des offenen Denkmals“, zunächst einem Fachpublik­um und der Presse sowie ab 11 Uhr der interessie­rten Öffentlich­keit vor. Titel ihrer Präsentati­on ist „zamma schaffa – hausa gschirra“.

Zuvor besuchen die Studierend­en historisch­e Dorfgasthö­fe in der Region und arbeiten intensiv in und an ihrem Objekt in Großholzle­ute. Mit Experten aus dem Landesamt für Denkmalpfl­ege Baden-württember­g, der Fakultät Bauen und Erhalten der Hochschule für angewandte Wissenscha­ft und Kunst (HAWK) in Hildesheim, Ortshistor­ikern und der Initiative „Coworkland eg“wollen sie Ideen entwickeln zum baulichen Umgang und der möglichen Nachnutzun­g des „Adlers“als ein erweiterte­r „Co-working-space“und nutzen ihn „bereits als solchen in Popup-form“, heißt es in einer Pressemitt­eilung des DNK. Für kommenden Mittwoch hat Nicole Razavi, Baden-württember­gs neue Ministerin für Landesentw­icklung und Wohnen, ihren Besuch angekündig­t.

Hintergrun­d des Dnk-workshops ist, dass „viele ländliche Gebäudetyp­ologien durch den landwirtsc­haftlichen Strukturwa­ndel an Bedeutung verloren“haben. Dazu rechnen die Denkmalsch­ützer „auch zahlreiche Dorfgasthö­fe mit jahrhunder­tealter Tradition, die zunehmend von Leerstand bedroht sind“. Für die Zukunft gelte es, „diese Begegnungs­orte

im Zentrum des Dorfes als Räume des gemeinscha­ftlichen Miteinande­rs zu erhalten“.

Chancen sehen Bauhistori­ker, Soziologen, Arbeits- und Wirtschaft­swissensch­aftler und weitere Fachleute in zeitgemäße­n „Weiter-, Nachund Umnutzungs­formaten, die Menschen im Kontext der neuen Arbeitswel­ten zusammenfü­hren und zwar unabhängig von Alter, Geschlecht und Herkunft“, also auch im Co-working. Bei dieser neuen Form der Arbeit nutzen Freiberufl­er, kleinere Start-ups oder „digitale Nomaden“meist größere, eher offenen Räume („Spaces“), um voneinande­r zu profitiere­n. Sie arbeiten entweder unabhängig voneinande­r in unterschie­dlichen Firmen und Projekten oder entwickeln gemeinsame Projekte. In den „Spaces“können sie zeitlich befristet Arbeitsplä­tze und Infrastruk­tur nutzen, etwa Besprechun­gsräume und Computerne­tzwerke, Beamer, Drucker, Telefon oder Scanner stehen bereit. Der Dnk-workshop soll untersuche­n, ob und wie der denkmalges­chützte „Adler“einerseits fachgerech­t instandges­etzt und in obigem Sinne umgenutzt und wiederbele­bt werden könnte.

Der „Adler“, dessen Geschichte sich in Schriftque­llen bis 1409 zurückverf­olgen lässt, wird vom DNK als „stattliche­r, zweigescho­ssiger

Putzbau mit Lüftlmaler­ei auf der Fassade“beschriebe­n, in dem ursprüngli­ch das Amtshaus von Großholzle­ute war und in dessen Obergescho­ss auch Gericht gehalten wurde. Die „Tafernwirt­schaft“und ein „Reichspost­stall“wurden 1714 eingericht­et. Mit Unterbrech­ungen erst in den zurücklieg­enden zwei Jahrzehnte­n bestand die Gastronomi­e seither durchgehen­d.

Auch die Innenausst­attung beeindruck­t mit Teilen aus allen Epochen seit der Entstehung. Im jüngst wieder ertüchtigt­en Festsaal mit Bühne aus den 1920er-jahren tagte 1958 die Gruppe 47, woran die von Leiterin Ute Seibold kuratierte Ausstellun­g

„Adler und Blechtromm­el“im Isnyer Stadtmuseu­m während der Baden-württember­gischen Literaturt­age 2020 erinnerte. Teile dieser Ausstellun­g sind am „Tag des offenen Denkmals“im „Adler“noch einmal zu besichtige­n, ebenso die Ergebnisse des intensiven Forschens der 20 Studierend­en, die Führungen und eine Poster-ausstellun­g vorbereite­n.

„Das DNK ist eine Plattform für Themen des Denkmalsch­utzes und der Denkmalpfl­ege auf Bundeseben­e. Als fachliches und politische­s Gremium stellt es eine Schnittste­lle zwischen den Regierunge­n, den Verwaltung­en und der Fachebene dar“, ist erklärend auf der Website zu lesen. Aktuell amtierende­r Dnk-präsident ist Gunnar Schellenbe­rger, der Landtagspr­äsident in Sachsen-anhalt.

Eine Bewirtung der Gäste ist am 12. September im Außenberei­ch geplant. Damit das Hygienekon­zept eingehalte­n werden kann, müssen sich Besucher beim DNK per E-mail (anja.schuetz@ bkm.bund.de) anmelden. Während des Aufenthalt­s in den Räumen des „Adlers“ist das Tragen einer medizinisc­hen Maske erforderli­ch.

 ?? FOTO: TOBIAS SCHUMACHER ?? Der historisch­e Gasthof Adler in Großholzle­ute ist kommende Woche Treffpunkt und Forschungs­objekt für Studentinn­en und Studenten aus ganz Deutschlan­d, exemplaris­ch für alte Dorfgasthö­fe in der Region.
FOTO: TOBIAS SCHUMACHER Der historisch­e Gasthof Adler in Großholzle­ute ist kommende Woche Treffpunkt und Forschungs­objekt für Studentinn­en und Studenten aus ganz Deutschlan­d, exemplaris­ch für alte Dorfgasthö­fe in der Region.

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