„In den Bergen geht es nur gemeinsam“
Wenn Jäger, Alphirten und Waldbesitzer an einem Strang ziehen – ein Beispiel aus dem Rettenschwanger Tal
- Die Gams grast ruhig auf der Wiese im Steilhang. Weiter unten im flachen Gelände liegen die Kühe der Sennalpe Mitterhaus auf der eingezäunten Weide und käuen wider. Gämsen, Rot- und Rehwild mit Kühen und Schumpen im gleichen Lebensraum: Kommen sich die beiden nicht buchstäblich ins Gehege? „Nein, hier im Retterschwanger Tal nicht. Da arbeiten Alpwirtschaft und Jagd zusammen“, sagt Hubert Stärker, Grundbesitzer und Revierinhaber. Benedikt Besler, Pächter der Mitterhausalpe, stimmt ihm zu: „Etwas Schöneres als hier kann ich mir nicht vorstellen.“Es gibt nur einen Störfaktor in dem System.
Alpwirtschaft, Jagd und Forstwirtschaft, das sei im Oberallgäu „eine jahrhundertealte Symbiose, ein alteingespieltes System“, erklärt Stärker. Im Retterschwanger Tal bei Bad Hindelang will man ihm das gerne glauben. Allerdings herrschen dort auch ideale Voraussetzungen. Stärkers Familie gehören dort große Bereiche, und sie ist auch Revierinhaber. Gemeinsam mit Pachtflächen im Hintersteiner Tal kommt Stärker auf 5000 Hektar und neun Alpen.
Dadurch könne er Alpwirtschaft, Jagd und Forst in Einklang bringen. „Aber das funktioniert auch in der Genossenschaft hervorragend“, betont Stärker. Damit meint er, dass alle beteiligten Waldbesitzer und die Jäger sich einig seien, was den Abschuss beim Wild betrifft: „Dort, wo es zu viel an Rotwild oder Rehen gibt, steuern wir nach.“
Bei der Vergabe der Alpen kommt es für den Augsburger vor allem darauf an, „dass der Pächter regional und nachhaltig wirtschaftet“. Benedikt Besler, Pächter der Mittelhausalpe, macht das: „Wir verkaufen an die Gäste nur den Käse und den Schinken, den wir selber auf der Alpe herstellen. Wenn wir etwas nicht mehr haben, wird nicht zugekauft“, sagt der 36-Jährige. Im zwölften Sommer ist er schon mit seiner Familie auf der Alpe. Als studierter Landwirt verarbeitet er die Milch seiner 15 Kühe zu 1,5 bis zwei Tonnen Käse in der Saison. Die Molke bekommen die neun Schweine auf der Alpe, die wiederum für den Schinken sorgen. Auf den Weideflächen um die Alpe grasen 60 bis 80 Schumpen im Sommer. „Mehr Direktvermarktung, wie wir sie hier betreiben, ist fast nicht mehr möglich“, sagt Besler.
Stärker und Besler betonen die gute Zusammenarbeit zwischen der Alphirt-familie und den Jägern. Die Hirten halten mit dem Vieh und dem Schwenden der Büsche und Sträucher die Weideflächen offen. Die werden im Frühjahr und Spätherbst von den Wildtieren als Futterplätze genutzt. Wobei die beiden Berufsjäger der Familie Stärker das Gras in den Steilhängen selber mähen. Das wird im Wintergatter gleich hinter der Alpe zur Fütterung des Rotwilds in der kalten Jahreszeit verwendet. „Durch die freien Wiesen und das Wintergatter reduziert sich der Verbiss-schaden im Wald“, erläutert Stärker.
Die Jäger helfen den Hirten bei der Viehhaltung, indem sie ihnen Schäden an Zäunen oder ausgebrochene Schumpen melden. Im Winter ist Besler dankbar, dass er mit ihnen auf dem Schneemobil hochfahren kann, um seinen Käse mit Salzwasser einzureiben. Alles Holz, das die Alpe braucht, bekommt sie aus dem umliegenden Wald. Also eine perfekte Idylle? „Leider nein“, sagen die beiden. „Beim Tourismus haben wir bereits eine Grenze überschritten“, glaubt Stärker.
„Viele Wanderer haben auch keinen Respekt mehr vor der Natur oder unseren Weiden“, pflichtet ihm Besler bei. Da werde einfach der Müll liegen gelassen oder das hohe Gras der Wiesen niedergetrampelt. Stärker: „Da müssen wir unbedingt mehr Aufklärung betreiben.“