Schwäbische Zeitung (Wangen)

„In den Bergen geht es nur gemeinsam“

Wenn Jäger, Alphirten und Waldbesitz­er an einem Strang ziehen – ein Beispiel aus dem Rettenschw­anger Tal

- Von Franz Summerer

- Die Gams grast ruhig auf der Wiese im Steilhang. Weiter unten im flachen Gelände liegen die Kühe der Sennalpe Mitterhaus auf der eingezäunt­en Weide und käuen wider. Gämsen, Rot- und Rehwild mit Kühen und Schumpen im gleichen Lebensraum: Kommen sich die beiden nicht buchstäbli­ch ins Gehege? „Nein, hier im Retterschw­anger Tal nicht. Da arbeiten Alpwirtsch­aft und Jagd zusammen“, sagt Hubert Stärker, Grundbesit­zer und Revierinha­ber. Benedikt Besler, Pächter der Mitterhaus­alpe, stimmt ihm zu: „Etwas Schöneres als hier kann ich mir nicht vorstellen.“Es gibt nur einen Störfaktor in dem System.

Alpwirtsch­aft, Jagd und Forstwirts­chaft, das sei im Oberallgäu „eine jahrhunder­tealte Symbiose, ein alteingesp­ieltes System“, erklärt Stärker. Im Retterschw­anger Tal bei Bad Hindelang will man ihm das gerne glauben. Allerdings herrschen dort auch ideale Voraussetz­ungen. Stärkers Familie gehören dort große Bereiche, und sie ist auch Revierinha­ber. Gemeinsam mit Pachtfläch­en im Hinterstei­ner Tal kommt Stärker auf 5000 Hektar und neun Alpen.

Dadurch könne er Alpwirtsch­aft, Jagd und Forst in Einklang bringen. „Aber das funktionie­rt auch in der Genossensc­haft hervorrage­nd“, betont Stärker. Damit meint er, dass alle beteiligte­n Waldbesitz­er und die Jäger sich einig seien, was den Abschuss beim Wild betrifft: „Dort, wo es zu viel an Rotwild oder Rehen gibt, steuern wir nach.“

Bei der Vergabe der Alpen kommt es für den Augsburger vor allem darauf an, „dass der Pächter regional und nachhaltig wirtschaft­et“. Benedikt Besler, Pächter der Mittelhaus­alpe, macht das: „Wir verkaufen an die Gäste nur den Käse und den Schinken, den wir selber auf der Alpe herstellen. Wenn wir etwas nicht mehr haben, wird nicht zugekauft“, sagt der 36-Jährige. Im zwölften Sommer ist er schon mit seiner Familie auf der Alpe. Als studierter Landwirt verarbeite­t er die Milch seiner 15 Kühe zu 1,5 bis zwei Tonnen Käse in der Saison. Die Molke bekommen die neun Schweine auf der Alpe, die wiederum für den Schinken sorgen. Auf den Weidefläch­en um die Alpe grasen 60 bis 80 Schumpen im Sommer. „Mehr Direktverm­arktung, wie wir sie hier betreiben, ist fast nicht mehr möglich“, sagt Besler.

Stärker und Besler betonen die gute Zusammenar­beit zwischen der Alphirt-familie und den Jägern. Die Hirten halten mit dem Vieh und dem Schwenden der Büsche und Sträucher die Weidefläch­en offen. Die werden im Frühjahr und Spätherbst von den Wildtieren als Futterplät­ze genutzt. Wobei die beiden Berufsjäge­r der Familie Stärker das Gras in den Steilhänge­n selber mähen. Das wird im Wintergatt­er gleich hinter der Alpe zur Fütterung des Rotwilds in der kalten Jahreszeit verwendet. „Durch die freien Wiesen und das Wintergatt­er reduziert sich der Verbiss-schaden im Wald“, erläutert Stärker.

Die Jäger helfen den Hirten bei der Viehhaltun­g, indem sie ihnen Schäden an Zäunen oder ausgebroch­ene Schumpen melden. Im Winter ist Besler dankbar, dass er mit ihnen auf dem Schneemobi­l hochfahren kann, um seinen Käse mit Salzwasser einzureibe­n. Alles Holz, das die Alpe braucht, bekommt sie aus dem umliegende­n Wald. Also eine perfekte Idylle? „Leider nein“, sagen die beiden. „Beim Tourismus haben wir bereits eine Grenze überschrit­ten“, glaubt Stärker.

„Viele Wanderer haben auch keinen Respekt mehr vor der Natur oder unseren Weiden“, pflichtet ihm Besler bei. Da werde einfach der Müll liegen gelassen oder das hohe Gras der Wiesen niedergetr­ampelt. Stärker: „Da müssen wir unbedingt mehr Aufklärung betreiben.“

 ?? FOTO: FRANZ SUMMERER ?? Alpe Mitterhaus im Retterschw­anger Tal: Dort arbeiten Alpwirtsch­aft, Jagd und Forstwirts­chaft zusammen: Pächter und Senn Benedikt Besler (links) und Grundbesit­zer Hubert Stärker sind sich bei der Bewirtscha­ftung einig.
FOTO: FRANZ SUMMERER Alpe Mitterhaus im Retterschw­anger Tal: Dort arbeiten Alpwirtsch­aft, Jagd und Forstwirts­chaft zusammen: Pächter und Senn Benedikt Besler (links) und Grundbesit­zer Hubert Stärker sind sich bei der Bewirtscha­ftung einig.

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