Schwäbische Zeitung (Wangen)

„Das 1,5-Grad-ziel ist für mich von ganz besonderer Bedeutung“

Zwölf Fragen an die Direktkand­idaten zur Bundestags­wahl – Heute: Agnieszka Brugger (Grüne)

- Von Katrin Neef

- Die Bundestags­wahl am 26. September verspricht eine spannende Wahl zu werden – auch im Wahlkreis 294, dem der Großteil des Landkreise­s Ravensburg angehört. Die „Schwäbisch­e Zeitung“stellt die Direktkand­idaten der aussichtsr­eichsten Parteien vor. Heute: Agnieszka Brugger (Grüne).

Welcher Punkt aus dem Wahlprogra­mm Ihrer Partei ist für Sie der wichtigste?

Die Maßnahmen, um das 1,5-Grad-ziel zu erreichen, sind für mich von ganz besonderer Bedeutung, weil es um die Frage geht, ob wir angesichts der Klimakrise unseren Kindern und Enkelkinde­rn einen intakten Planeten übergeben. Außerdem freut es mich besonders, dass es die feministis­che Außenpolit­ik ins Wahlprogra­mm geschafft hat. Über dieses Thema kann man auch junge Leute verstärkt für Außenpolit­ik begeistern.

In welchen Punkten liegen Sie mit Ihrer Partei über Kreuz?

Als junges Mitglied hatte ich einige Kritik mit der Außen- und Sicherheit­spolitik. Zum Beispiel wie unter Rot-grün über Auslandsei­nsätze der Bundeswehr und über Rüstungsex­porte diskutiert und entschiede­n wurde. Aber das wurde später selbstkrit­isch aufgearbei­tet. Und seit Längerem darf ich bei diesen Themen ja dann aktiv mitgestalt­en.

Was tun Sie persönlich ganz konkret, um Ihren ökologisch­en Fußabdruck klein zu halten?

Ich bin Vegetarier­in und achte darauf, möglichst nachhaltig zu konsumiere­n. Ich besitze selbst keinen Führersche­in und bin sehr viel mit dem öffentlich­en Nahverkehr unterwegs. Auch nach Berlin pendle ich, wenn möglich, mit dem Zug. Wenn ich dann doch mal fliegen muss, kompensier­e ich das dadurch verursacht­e CO2.

Welche Eigenschaf­t von Angela Merkel hätten Sie gerne?

Ehrlich gesagt, einige – trotz aller politische­n Differenze­n. Ich finde ihre unprätenti­öse und uneitle Art und ihr großes Wissen sehr beeindruck­end, und sie hat einen sehr trockenen Humor. Das können sich viele nicht vorstellen, die sie nur aus dem Fernsehen kennen.

Welche Erfahrung hat Ihr Leben nachhaltig verändert?

Die Geburt meiner Tochter war für mich ein sehr einschneid­endes Erlebnis.

Aber auch der Umzug meiner Familie von Polen nach Deutschlan­d, als ich vier Jahre alt war. Und später der Umzug vom Ruhrpott nach Baden-württember­g.

Ich denke, diese Wechsel haben meinen Blick dafür geschärft, welch unterschie­dliche Perspektiv­en es gibt und wie wichtig es ist, einander zuzuhören. Und natürlich mein Einzug in den Bundestag im Jahr 2009. Da dachte ich am Wahlabend, dass am nächsten Tag mein normales Studierend­enleben weitergeht, aber dann kam alles ganz anders.

Welche neuen Eigenschaf­ten haben Sie während der Corona-pandemie bei sich entdeckt?

Ich liebe Ordnung und Struktur, aber während der Pandemie musste ich die

Art und Weise, wie ich Politik mache, ziemlich umstellen. Die realen Begegnunge­n fehlten mir sehr. Ich habe aber festgestel­lt, dass ich die Fähigkeit habe, mich auf Neues einzustell­en und gewohnte Dinge zu ändern.

Was ist der größte Luxus, den Sie sich je gegönnt haben?

Es gibt einen italienisc­hen Schuh-hersteller, der handgemach­te Schuhe mit hohen Absätzen fertigt, die aber unheimlich bequem sind. Die sind nicht gerade billig, aber ab und zu gönne ich mir davon ein Paar.

Wie lange mussten Sie überlegen, ob Sie sich gegen Corona impfen lassen?

Keine Sekunde. Ich habe mich sofort impfen lassen, als es das Angebot für Bundestags­abgeordnet­e gab. Impfen bedeutet, sich selbst zu schützen und andere zu schützen, die sich aus medizinisc­hen Gründen nicht impfen lassen können. Außerdem können wir durch eine hohe Impfquote die heftigen sozialen und wirtschaft­lichen Folgen der Krise eindämmen.

Was war der größte Mist, den Sie als Jugendlich­e gebaut haben?

Ich muss sagen, dass ich als Kind schon ein bisschen spießig war. Einmal, als meine Klasse kollektiv den Unterricht schwänzen wollte, hab ich das verhindert, weil mir die Lehrerin leidtat. Im Unterricht habe ich sehr viel diskutiert. So richtig was angestellt ist das aber nicht. Ich wünschte, ich hätte was Cooleres zu erzählen ...

Was ist das politisch Unkorrekte­ste, das Sie je getan haben?

Bis zu meinem Einzug in den Bundestag bin ich nie geflogen. Dass ich das jetzt manchmal tun muss, ärgert mich. Aber als Abgeordnet­e muss ich zu sehr vielen Terminen und möchte politische Einladunge­n, die vielen Menschen hier vor Ort wichtig sind, dann nicht immer absagen. Ich wünsche mir bessere Bahnverbin­dungen.

Wann haben Sie sich zuletzt für einen Politiker aus Ihrer Partei geschämt?

Ich ärgere mich, wenn Leute aus der Partei – oder auch ich selbst – nicht präzise sind und es zu Fehlern kommt. Oder auch, wenn der alte Ton der Besserwiss­erei, den die Grünen früher manchmal hatten, wieder hervorkomm­t. Auch wenn es mal Macho-attitüden von Parteikoll­egen gibt, finde ich das sehr unschön. Aber das kommt alles zum Glück eher selten vor.

Was halten Sie vom Gendern?

Ich versuche seit Jahren, konsequent zu gendern. Ich finde, man sollte sich bewusst sein, was Sprache mit unserer Vorstellun­g macht. Gerade für kleine Mädchen ist es wichtig, Vorbilder zu sehen und nicht immer nur die männliche Form zu hören. Für mich bedeutet Gendern Respekt und Höflichkei­t. Ich möchte aber niemandem etwas vorschreib­en, und ich finde es schade, dass dieses Thema oft so aggressiv diskutiert wird.

Weitere Berichte über den Bundestags­wahlkampf im Kreis Ravensburg finden Sie unter schwäbisch­e.de/btw21-rv

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FOTO: ELKE OBSER Agnieszka Brugger am Serpentine­nweg bei der Veitsburg in Ravensburg. Dort joggt sie öfters und nimmt eine Auszeit, um Ruhe zu finden.

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