„Das 1,5-Grad-ziel ist für mich von ganz besonderer Bedeutung“
Zwölf Fragen an die Direktkandidaten zur Bundestagswahl – Heute: Agnieszka Brugger (Grüne)
- Die Bundestagswahl am 26. September verspricht eine spannende Wahl zu werden – auch im Wahlkreis 294, dem der Großteil des Landkreises Ravensburg angehört. Die „Schwäbische Zeitung“stellt die Direktkandidaten der aussichtsreichsten Parteien vor. Heute: Agnieszka Brugger (Grüne).
Welcher Punkt aus dem Wahlprogramm Ihrer Partei ist für Sie der wichtigste?
Die Maßnahmen, um das 1,5-Grad-ziel zu erreichen, sind für mich von ganz besonderer Bedeutung, weil es um die Frage geht, ob wir angesichts der Klimakrise unseren Kindern und Enkelkindern einen intakten Planeten übergeben. Außerdem freut es mich besonders, dass es die feministische Außenpolitik ins Wahlprogramm geschafft hat. Über dieses Thema kann man auch junge Leute verstärkt für Außenpolitik begeistern.
In welchen Punkten liegen Sie mit Ihrer Partei über Kreuz?
Als junges Mitglied hatte ich einige Kritik mit der Außen- und Sicherheitspolitik. Zum Beispiel wie unter Rot-grün über Auslandseinsätze der Bundeswehr und über Rüstungsexporte diskutiert und entschieden wurde. Aber das wurde später selbstkritisch aufgearbeitet. Und seit Längerem darf ich bei diesen Themen ja dann aktiv mitgestalten.
Was tun Sie persönlich ganz konkret, um Ihren ökologischen Fußabdruck klein zu halten?
Ich bin Vegetarierin und achte darauf, möglichst nachhaltig zu konsumieren. Ich besitze selbst keinen Führerschein und bin sehr viel mit dem öffentlichen Nahverkehr unterwegs. Auch nach Berlin pendle ich, wenn möglich, mit dem Zug. Wenn ich dann doch mal fliegen muss, kompensiere ich das dadurch verursachte CO2.
Welche Eigenschaft von Angela Merkel hätten Sie gerne?
Ehrlich gesagt, einige – trotz aller politischen Differenzen. Ich finde ihre unprätentiöse und uneitle Art und ihr großes Wissen sehr beeindruckend, und sie hat einen sehr trockenen Humor. Das können sich viele nicht vorstellen, die sie nur aus dem Fernsehen kennen.
Welche Erfahrung hat Ihr Leben nachhaltig verändert?
Die Geburt meiner Tochter war für mich ein sehr einschneidendes Erlebnis.
Aber auch der Umzug meiner Familie von Polen nach Deutschland, als ich vier Jahre alt war. Und später der Umzug vom Ruhrpott nach Baden-württemberg.
Ich denke, diese Wechsel haben meinen Blick dafür geschärft, welch unterschiedliche Perspektiven es gibt und wie wichtig es ist, einander zuzuhören. Und natürlich mein Einzug in den Bundestag im Jahr 2009. Da dachte ich am Wahlabend, dass am nächsten Tag mein normales Studierendenleben weitergeht, aber dann kam alles ganz anders.
Welche neuen Eigenschaften haben Sie während der Corona-pandemie bei sich entdeckt?
Ich liebe Ordnung und Struktur, aber während der Pandemie musste ich die
Art und Weise, wie ich Politik mache, ziemlich umstellen. Die realen Begegnungen fehlten mir sehr. Ich habe aber festgestellt, dass ich die Fähigkeit habe, mich auf Neues einzustellen und gewohnte Dinge zu ändern.
Was ist der größte Luxus, den Sie sich je gegönnt haben?
Es gibt einen italienischen Schuh-hersteller, der handgemachte Schuhe mit hohen Absätzen fertigt, die aber unheimlich bequem sind. Die sind nicht gerade billig, aber ab und zu gönne ich mir davon ein Paar.
Wie lange mussten Sie überlegen, ob Sie sich gegen Corona impfen lassen?
Keine Sekunde. Ich habe mich sofort impfen lassen, als es das Angebot für Bundestagsabgeordnete gab. Impfen bedeutet, sich selbst zu schützen und andere zu schützen, die sich aus medizinischen Gründen nicht impfen lassen können. Außerdem können wir durch eine hohe Impfquote die heftigen sozialen und wirtschaftlichen Folgen der Krise eindämmen.
Was war der größte Mist, den Sie als Jugendliche gebaut haben?
Ich muss sagen, dass ich als Kind schon ein bisschen spießig war. Einmal, als meine Klasse kollektiv den Unterricht schwänzen wollte, hab ich das verhindert, weil mir die Lehrerin leidtat. Im Unterricht habe ich sehr viel diskutiert. So richtig was angestellt ist das aber nicht. Ich wünschte, ich hätte was Cooleres zu erzählen ...
Was ist das politisch Unkorrekteste, das Sie je getan haben?
Bis zu meinem Einzug in den Bundestag bin ich nie geflogen. Dass ich das jetzt manchmal tun muss, ärgert mich. Aber als Abgeordnete muss ich zu sehr vielen Terminen und möchte politische Einladungen, die vielen Menschen hier vor Ort wichtig sind, dann nicht immer absagen. Ich wünsche mir bessere Bahnverbindungen.
Wann haben Sie sich zuletzt für einen Politiker aus Ihrer Partei geschämt?
Ich ärgere mich, wenn Leute aus der Partei – oder auch ich selbst – nicht präzise sind und es zu Fehlern kommt. Oder auch, wenn der alte Ton der Besserwisserei, den die Grünen früher manchmal hatten, wieder hervorkommt. Auch wenn es mal Macho-attitüden von Parteikollegen gibt, finde ich das sehr unschön. Aber das kommt alles zum Glück eher selten vor.
Was halten Sie vom Gendern?
Ich versuche seit Jahren, konsequent zu gendern. Ich finde, man sollte sich bewusst sein, was Sprache mit unserer Vorstellung macht. Gerade für kleine Mädchen ist es wichtig, Vorbilder zu sehen und nicht immer nur die männliche Form zu hören. Für mich bedeutet Gendern Respekt und Höflichkeit. Ich möchte aber niemandem etwas vorschreiben, und ich finde es schade, dass dieses Thema oft so aggressiv diskutiert wird.
Weitere Berichte über den Bundestagswahlkampf im Kreis Ravensburg finden Sie unter schwäbische.de/btw21-rv