„Wir haben nie aufgegeben“
Ein riesiges Schneebrett zerstörte im Januar 2019 in Balderschwang den Wellnessbereich des Hotels Hubertus
- Die weiße Walze setzte sich um kurz nach fünf Uhr morgens in Bewegung – und rauschte mit einem dumpfen Grollen hangabwärts. Marc Traubel wird das Geräusch der 300 Meter breiten Lawine nie vergessen. Vor fünf Jahren sorgte sie für einen Schockmoment im Leben des heute 40-jährigen Geschäftsführers des Hotels Hubertus in Balderschwang (Kreis Oberallgäu). Der Familienvater musste mitansehen, wie die Schneemassen den Wellnessbereich des Vier-sterneresorts unter sich begruben und total zerstörten. Experten schätzten, dass damals 20.000 Kubikmeter Schnee hinunterdonnerten. Tagelang hatte es zuvor heftig geschneit. „Das waren Naturgewalten, wie ich sie noch nie erlebt habe“, sagt Traubel. Aufgeschreckt liefen Hotelgäste durch die Flure ins Freie. Dann das Aufatmen: Verletzt wurde niemand. Der Haupttrakt des Hotels blieb von den Schneemassen verschont. Der Schaden war dennoch enorm.
Dabei hätte jener verhängnisvolle 14. Januar 2019 ein großer Tag für Traubel werden sollen. Für den Vormittag war ein Notartermin geplant. Sein Onkel wollte ihm seine Anteile am 127-Bettenhotel überschreiben. Mit einem Schlag war alles anders. Traubel stand mit seinem Vater Karl, 69, vor einem Scherbenhaufen. „Und das willst Du jetzt übernehmen?!“Diese Frage sei ihm kurzzeitig durch den Kopf geschossen, erinnert sich der Junior-chef. Er habe sie jedoch bald verdrängt. Ab jetzt gab es nur noch eines: „Anpacken!“
Die Anstrengungen haben sich gelohnt. Heute, fünf Jahre später, führt Traubel stolz durch den vor zweieinhalb Jahren eröffneten und preisgekrönten Spa- und Wellnessbereich auf einer Fläche von 4500 Quadratmetern. „Vier Saunen, vier Wasserflächen, zehn Behandlungsräume, 100 Liegen, Yoga-raum ...“, zählt er auf. 15 Millionen Euro haben Abriss und Neubau gekostet. Etwa drei Millionen davon übernahm die Versicherung. Auch in finanzieller Hinsicht ein gewaltiger Kraftakt. Dennoch, sagt Traubel, könne er ruhig schlafen.
Der Hang oberhalb des Wellnessbereichs ist mittlerweile mit Stahlgitternetzen gesichert. Diese
sollen auch Feuerwehr- und Bergwachtgebäude vor Lawinen schützen. Allein in die sogenannte
technische Lawinenverbauung in diesem Bereich haben die Gemeinde Balderschwang sowie der Kreis Oberallgäu 1,5 Millionen Euro investiert. Laut Bürgermeister Konrad Kienle (CSU) soll teils noch aufgeforstet und ein Unterhaltsweg verlängert werden. Zudem mussten die Traubels eine fünf Meter hohe Lawinenschutzwand an der Rückseite des Wellnessbereichs aufbauen. „Hier ist alles absolut sicher“, ist Traubel überzeugt und blinzelt in die Sonne, während im dampfenden Outdoor-pool eine Familie planscht.
Rückendeckung in der schweren Zeit gaben der Familie Helfer aus dem Ort, Stammgäste – und die f leißigen Mitarbeiter. „Das war einfach mega“, sagt Traubel. Zugunsten der Helfer richteten die Traubels ein Spendenkonto ein. 30.000 Euro kamen zusammen.
Das Geld wurde an Vereine und Organisationen, wie Freiwillige Feuerwehr, Bergwacht und Lawinenwarndienst, ausgezahlt.
Kreativ ging auch die Hotel-familie mit der Krise um. Zwei Monate nach dem Lawinenabgang eröffnete das „Hubertus“wieder – und zwar unter dem augenzwinkernden Begriff „Hotel unplugged“, den der Senior-chef persönlich erfunden hatte. Eine Anspielung darauf, dass dem Hotel buchstäblich der Stecker gezogen wurde – genau wie den Musikern bei den beliebten Unplugged-konzerten des Musiksenders MTV. Und weil nur ein Viertel des Hotel-gebäudes zur Verfügung stand, wurde ein Rabatt von 25 Prozent gegeben. „Ans Aufgeben haben wir nie gedacht“, sagt Traubel, stellvertretend für seine 105 Mitarbeiter aus 18 Nationen.