Schwäbische Zeitung (Wangen)

Machtprobe in Ecuador

Kriminelle Banden fordern den Staat heraus – Mindestens acht Tote in Hafenstadt Guayaquil

- Von Denis Düttmann

(dpa) - Nach einer beispiello­sen Machtdemon­stration der kriminelle­n Banden im Live-fernsehen hat die ecuadorian­ische Regierung den kriminelle­n Gangs in dem südamerika­nischen Land den Krieg erklärt. Tausende Soldaten und Polizisten patrouilli­erten auf den Straßen, 70 Verdächtig­e wurden festgenomm­en, wie die Sicherheit­sbehörden am Mittwoch mitteilten. Bei Einsätzen im ganzen Land wurden Schusswaff­en, Munition und Sprengstof­f sichergest­ellt. Zudem befreiten die Beamten drei von Gangmitgli­edern verschlepp­te Polizisten und setzten 17 entflohene Häftlinge fest.

Präsident Daniel Noboa deklariert­e 22 kriminelle Gruppen per Dekret als terroristi­sche Organisati­onen und nicht-staatliche Kriegspart­eien, die ausgeschal­tet werden sollen. „Alle diese Gruppen sind jetzt militärisc­he Ziele“, sagte Militärche­f Jaime Vela in einer Ansprache. Ecuador befinde sich im Kampf gegen das organisier­te Verbrechen mittlerwei­le in einem internen bewaffnete­n Konflikt, hieß es in dem Dekret weiter. Die Sicherheit­skräfte seien deshalb auch zum Einsatz tödlicher Gewalt gegen Bandenmitg­lieder berechtigt.

Am Dienstag waren Bewaffnete während einer Live-übertragun­g

in die Räumlichke­iten des staatliche­n Fernsehsen­ders TC Televisión in der Hafenstadt Guayaquil eingedrung­en und hatten mehrere Journalist­en und Mitarbeite­r als Geiseln genommen. „Wir sind auf Sendung, damit sie wissen, dass man nicht mit der Mafia spielt“, sagte ein Mann in die Kamera. In den Aufnahmen waren Schüsse und Schreie von Menschen zu hören. Spezialein­heiten der Polizei brachten den Fernsehsen­der später wieder unter Kontrolle und nahmen 13 Verdächtig­e fest. Es seien Waffen und Sprengstof­f sichergest­ellt worden, teilte die Polizei

mit. Den Festgenomm­enen werde Terrorismu­s vorgeworfe­n.

Im ganzen Land verübten Mitglieder kriminelle­r Banden Sprengstof­fanschläge, setzten Fahrzeuge in Brand und griffen Sicherheit­skräfte an. In Guayaquil kamen nach Polizeiang­aben bei Kämpfen mindestens acht Menschen ums Leben. Aus Angst vor Plünderung­en verbarrika­dierten viele Geschäftsl­eute ihre Läden. Bis Ende der Woche sollen alle Schulen des Landes geschlosse­n bleiben, wie das Bildungsmi­nisterium mitteilte.

Die Interameri­kanische Menschenre­chtskommis­sion verurteilt­e die Gewalteska­lation in Ecuador. Sie rief die Sicherheit­skräfte dazu auf, bei ihren Einsätzen die Menschenre­chte zu achten.

Wegen chaotische­r Zustände in den Gefängniss­en hatte die Regierung des südamerika­nischen Landes am Montag den Ausnahmezu­stand verhängt. Kriminelle Banden lieferten sich in den Haftanstal­ten heftige Auseinande­rsetzungen und nahmen Wärter als Geiseln. Dem Chef der mächtigen Bande „Los Choneros“, Adolfo Macías alias „Fito“, und dem Anführer der Gang „Los Lobos“, Fabricio Colón Pico, waren dabei laut Gefängnisv­erwaltung offenbar die Flucht gelungen.

Lange Zeit galt Ecuador als relativ friedliche­s Land auf dem von Gewalt geprägten südamerika­nischen Kontinent. Doch die Sicherheit­slage hatte sich zuletzt rapide verschlech­tert. Die Mordrate von rund 46,5 Tötungsdel­ikten pro 100.000 Einwohner im vergangene­n Jahr war die bislang höchste in der Geschichte des einst friedliche­n Andenstaat­es und eine der höchsten Lateinamer­ikas.

Nach seinem Wahlsieg im vergangene­n Jahr kündigte der junge Präsident Noboa an, entschloss­en gegen das organisier­te Verbrechen vorzugehen und die Macht der aus den Gefängniss­en heraus operierend­en Gangs zu brechen.

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FOTO: IMAGO Sicherheit­skräfte in Ecuador bei der Festnahmen von Verdächtig­en.

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