Er sah die „Gustloff“sinken
Zum 103. Geburtstag schwelgt der Amtzeller Georg Vogler präzise in Erinnerungen
- Georg Vogler stammt aus Amtzell, wo er auch den Großteil seines Lebens verbracht hat. Zu Weihnachten war er wieder in seiner alten Umgebung am Waldweg, um mit seinen drei Töchtern und deren Familien das Christfest zu feiern. Bürgermeisterin Manuela Oswald überbrachte bei dieser Gelegenheit die Glückwünsche und Grüße der Gemeinde. Sicher praktisch, vielleicht aber etwas verfrüht. Denn „erst“am 11. Januar wird der heute in Neu-ulm lebende Altersjubilar 103 Jahre alt. Und dort begeht er auch seinen Ehrentag.
Er sitzt an seinem angestammten Platz im Wohnzimmer und kann es kaum erwarten, bis er erzählen kann. „Es tut so gut, in Erinnerungen zu schwelgen“, sagt Georg Vogler und legt auch ohne Umschweife los. Die Jahreszahlen mit den entsprechenden Ereignissen sprudeln nur so aus ihm heraus. Kaum, dass er eine Pause des Nachdenkens einlegt, um ja keinen gedanklichen Fehler zu machen.
Der 103. Geburtstag steht bevor? Kaum zu glauben. Noch immer blitzen seine blauen Augen aus einem fast faltenfreien Gesicht. Als man ihm sagt, dass er noch immer ein gut aussehender Mann sei, lächelt er und nickt: „Man kann mich noch springen lassen, nicht wahr?“Und Tochter Cornelia zeigt das Foto des damals 21-Jährigen, das ihn als schmucken Marinesoldaten zeigt. Das ist quasi das Stichwort für Georg Vogler, das geradewegs zum Militärdienst bei der Ostseeflotte führen soll.
Zuvor muss er aber auf Bitten noch davon berichten, dass er als Jüngstes von insgesamt elf Kindern in der Voglerschen Hammerschmiede groß geworden ist. Dass er mit 13 Jahren eine Maschinenbaulehre in Weingarten begann und sich anschließend in Ravensburg für den Militärdienst bei der Marine meldete.
Seine Ausbildung zum Maat absolvierte er in Wesermünde und Kiel, erste Borderfahrungen machte er in Stettin und erlebte das Kriegsende auf der Fahrt von Gotenhafen nach Kiel, wo er mit ansehen musste, wie die mit Flüchtlingen und Wehrmachtsangehörigen überfüllte „Wilhelm Gustloff“von einem sowjetischen U-boot torpediert wurde. Sein eigenes Schiff nahm selbst Flüchtlinge auf und brachte diese nach Lübeck.
Mit einem schlesischen Kameraden machte sich Vogler noch im Mai 1945 auf den Weg Richtung Süddeutschland. Über Stuttgart und Ulm gelangte man auf abenteuerlichen Wegen schließlich nach Amtzell. Bei der Anmeldung im Rathaus lernte der nun
24-Jährige seine spätere Frau Annerose kennen und dann auch lieben. 1947 wurde geheiratet. Gemeinsam bekamen sie drei Töchter.
Hatte Georg Vogler zunächst bei einem seiner Brüder in der Schlosserei gearbeitet, bekam er bald eine Anstellung bei der Maschinenfabrik Sohler in Wangen. Zunächst als Dreher, nach erfolgreich absolvierter Meisterprüfung dann als Lehrlingsausbilder und als Betriebsmeister der mechanischen Abteilung. Nach dem Tod seiner Frau, mit der er ebenso die diamantene wie auch die eiserne Hochzeit feiern konnte, zog er im Jahr 2012 von Amtzell nach Neuulm zu seiner ältesten Tochter.
Besonders stolz ist Vogler auf eine Art „Skipiste“, die er für die Spielshow des ZDF „Der goldene Schuss“mit Vico Torriani in den 1960er-jahren bauen konnte. „Mit einer kleineren Version bin ich damals durch ganz Deutschland gezogen, um sie diversen Skiherstellern für deren Reklame anzubieten“, erinnert sich Georg Vogler. Und wie hat sich der Jubilar seinerzeit in Amtzell engagiert? Gesungen hat er zunächst im Kirchen-, dann im Männerchor, er war aktives Mitglied im Sportverein und gehört als ältestes und längstes Mitglied der Soldatenkameradschaft Amtzell an. Seine Begeisterung für das Rote Kreuz in Wangen veranlasste Vogler, auch eine Zweigstelle in Amtzell zu begründen.
Gefragt nach einem Lebensmotto muss der alte Herr nicht
lange überlegen. „Leben und arbeiten“, sagt er und verrät noch, was er dann, wenn er mal nachts nicht schlafen kann, leise vor sich hin summt: „Wenig, wenig begehr‘ ich hienieden, wenig, wenig und doch so viel!“Womit gemeint ist: „Frieden im Haus und
im Herzen Frieden, dazu ein klingendes Saitenspiel!“
Ja, und noch etwas gehört neben der Vorfreude auf eine jährlich zu unternehmende Reise mit seinen Töchtern zum Alltag von Georg Vogler dazu: Er legt jeden Tag wenigstens eine Patience.