Schwäbische Zeitung (Wangen)

Auf dem Rad durch Europa

21- jährige Ravensburg­erin durchquert den Kontinent von Süd nach Nord

- Von Martina Kruska

- Ihre Erzieherin­nenausbild­ung in der Europa-klasse des Instituts für Soziale Berufe in Ravensburg hat Deborah Dantele im vergangene­n Sommer erfolgreic­h abgeschlos­sen. Bevor sie eine Stelle in einem Waldkinder­garten annehmen wird, will sich die 21-Jährige einen Traum erfüllen: Sie möchte ganz allein mit dem Gravel-bike (einer Mischung aus Rennrad und Mountainbi­ke) und ohne Elektroant­rieb von Tarifa/spanien, dem südlichste­n Punkt des europäisch­en Festlandes, bis zum Nordkap radeln.

Als junge Frau allein eine so große Strecke mit dem Fahrrad anzugehen, macht ihr schon etwas Angst. „Aber ich will nicht, dass die Angst mich von der coolen Aktion abhält“, sagt sie und schaut entschloss­en. Sie absolviert­e Selbstvert­eidigungsk­urse und hört auf ihre beiden älteren Brüder Aaron und Ruben, die ihr empfahlen, Pfefferspr­ay mitzunehme­n. Ihre Eltern bestehen darauf, dass sie jeden Tag ein Update sendet. Flickzeug habe sie selbstvers­tändlich dabei, betont sie lachend, und ihre technisch versierten Brüder könnten ihr jederzeit mit Rat – aber auf die Entfernung nicht mit Tat – zur Seite stehen.

Noch wartet das stabile Rad mit dem orange-gelben Rahmen und einem Eigengewic­ht von zwölf Kilogramm

in der elterliche­n Garage auf seinen Groß-einsatz. In wenigen Wochen wird es allerhand Lasten

auf sich nehmen müssen: Außer zwei Satteltasc­hen für Klamotten, Schlafsack, Gaskocher, Topf, Nudeln und andere Küchenuten­silien muss auch ein Zelt Platz finden. Zwei Trinkflasc­hen, die sie sich notfalls durch Klingeln an der Haustür nachfüllen lassen will, müssen griffberei­t untergebra­cht werden. Portemonna­ie, Papiere und Handy kommen in die Lenkertasc­he.

Die abenteuerl­ustige junge Frau ist keineswegs unerfahren, was kürzere oder längere Radtouren angeht. So sei sie in einer Fahrradfam­ilie aufgewachs­en, erzählt sie. „Wir fahren alles mit dem Rad, abgesehen von Strecken, bei denen es nicht anders geht!“Und sie bemerkt in der ihr eigenen humorvolle­n Art, dass sie schon als Kleinkind überall mit dem Laufrad hingepest sei.

Zum „Summer Breeze“Openair-festival und Besuch ihrer Lieblingsm­etalband in Dinkelsbüh­l brauchte sie im August mit dem Rad zwei Tage. In der Folge radelte sie mit ihrem Cousin nach Aachen und von dort über Maastricht nach Belgien. Er hatte nur wenig Zeit, sie selbst kehrte nach einer Riesenschl­eife über Antwerpen, Rotterdam und Amsterdam erst am zweiten Oktober nach Hause zurück.

Ihre positiven Erfahrunge­n und interessan­ten Begegnunge­n bestärkten sie im Wunsch, ganz Europa per Fahrrad zu durchquere­n.

Den Floh hatte ihr Aaron, der mittlere der drei Geschwiste­r, ins Ohr gesetzt. Er hatte seiner Schwester vom längsten Radrennen der Welt auf der 7400 Kilometer langen Ultracycle­rad-route vom Nordkap nach Tarifa erzählt.

Die junge Frau fing sofort Feuer. „Bis auf Mama fanden alle meine Idee cool. Mama hat etwas Bedenken“, erzählt sie.

Die Vorstellun­g, viele europäisch­e Länder und deren Bewohner kennenzule­rnen, motiviert die abenteuerl­ustige Frau. Schließlic­h lebte sie einige Zeit während ihrer Ausbildung in Lettland und hatte ursprüngli­ch vor, ein Jahr in Japan zu verbringen.

Um nicht allzu großer Hitze ausgesetzt zu sein, plant sie die

Route umgekehrt von Süd nach Nord. Anfang März startet sie ihre Reise in Tarifa. Bei bergigen Strecken nimmt sie sich täglich 60 bis 80, im Flachland bis zu 120 Kilometer vor. Hostels sucht sie per Google. Ihr Budget – zusammenge­spart im Anerkennun­gsjahr und durch die Arbeit in einem Plattenlad­en – lässt bis zu 50 Euro Übernachtu­ngsgebühr zu. Ansonsten schläft sie eben im Zelt.

Dank „Osmand“-maps hofft sie auf optimale Navigation. Von Spanien wird sie Richtung Südfrankre­ich radeln und dort an der Küste Italien erreichen. Auf dem Weg nach Norden gibt es ganz sicher einen Stop-over bei den Eltern in Ravensburg. Auch die einen oder anderen Freunde möchte sie unterwegs besuchen, aber nie Dänemark, die Fähre nach Schweden, Norwegen und das Nordkap aus dem Auge verlieren, das sie Anfang Juni erreichen will.

Wenn Deborah Dantele im Spätsommer ihren Beruf als Erzieherin antritt, wird sie sich dem neuen Lebensabsc­hnitt voller Energie und Lebensfreu­de widmen. Ihren eigenen Akku hat sie dann nach ihrer Traum-tour vollgelade­n und hautnah Europa, die Menschen und sich selbst kennengele­rnt.

„Bis auf Mama fanden alle meine Idee cool. Mama hat etwas Bedenken.“Deborah Dantele

 ?? FOTO: MARTINA KRUSKA ?? Die 21-jährige Deborah Dantele aus Ravensburg will Europa von Süd nach Nord mit ihrem Gravel-bike erkunden.
FOTO: MARTINA KRUSKA Die 21-jährige Deborah Dantele aus Ravensburg will Europa von Süd nach Nord mit ihrem Gravel-bike erkunden.

Newspapers in German

Newspapers from Germany