Schwäbische Zeitung (Wangen)

Rumpsteak mit Reisepass

Warum Metzger und Verbrauche­rschutz wenig von neuer Fleisch-kennzeichn­ung halten

- Von Luca Mader

- Bunte Tierwohl-labels und verschiede­ne Gütesiegel sind auf Fleisch-verpackung­en oft zu sehen. Ab dem ersten Februar muss aber auch die Herkunft von unverpackt­em Schweine-, Schaf-, Ziegen- und Gef lügelf leisch angegeben werden. Sowohl das Aufzuchtsa­ls auch das Schlachtla­nd muss dann für den Verbrauche­r klar erkennbar sein. Zukünftig werden also beschrifte­te Schildchen in den Frischethe­ken zu sehen sein. Diese neue Eu-regelung soll für mehr Transparen­z sorgen. Doch nicht bei allen kommt die Vorgabe gut an.

„Für den Betrieb ist das mehr Aufwand und dem Verbrauche­r bringt es nichts“, sagt Andreas Beier. Er ist Sprecher des Ausschusse­s für Lebensmitt­elrecht im Landesinnu­ngsverband für das Fleischerh­andwerk Baden-württember­g.

Die Kennzeichn­ungspf licht biete insbesonde­re deswegen keinen Mehrwert, weil der Verbrauche­r in der Regel genauer wissen wolle, wo sein Fleisch herkomme. „Wenn, dann will ich doch wissen, ob mein Fleisch zum Beispiel aus Baden-württember­g kommt. Das hätte ich gerne gekennzeic­hnet“, sagt Beier. Zudem würden viele Metzgereie­n sowieso schon mit der Regionalit­ät ihrer Produkte werben. In seiner Metzgerei in Remchingen (Enzkreis) kennzeichn­e er klar, woher sein Fleisch stamme, sagt Beier. Für die Kunden gebe es außerdem einen simplen Weg, um die Herkunft des Fleisches in Erfahrung zu bringen. „Ich empfehle jedem Verbrauche­r, einfach an der Theke nachzufrag­en“, so Andreas Beier.

Der Verbrauche­rzentrale Baden-württember­g geht die Regelung nicht weit genug. „Verbrauche­rinnen und Verbrauche­r, die regionales Fleisch kaufen möchten, brauchen genauere Angaben als das Ursprungsl­and: Sie wollen wissen, ob das Fleisch aus ihrer direkten Umgebung wie ihrem Landkreis stammt“, sagt Vanessa Schifano, Leiterin der Abteilung Lebensmitt­el und Ernährung bei der Verbrauche­rzentrale Badenwürtt­emberg.

Die Informatio­nspf licht gelte außerdem weder für verarbeite­tes Fleisch, noch für marinierte­s Fleisch, Schinken oder Wurst. „In Sachen Transparen­z ist also noch Luft nach oben“, sagt Schifano. Trotzdem sehe man die neue Regelung grundsätzl­ich positiv. „Die Herkunft von Lebensmitt­eln spielt für viele Verbrauche­rinnen und Verbrauche­r eine große Rolle. Bei Fleisch erfuhren sie bislang nur bei abgepackte­r Ware, woher es stammt“, so Schifano.

Die baden-württember­gischen Regierungs­fraktionen stehen hingegen hinter der Kennzeichn­ungspf licht. Die Grünen nennen diese „richtig und wichtig“. „Verbrauche­rinnen und Verbrauche­r haben eine Wahlfreihe­it bei ihrer

Kaufentsch­eidung und können die regionale Landwirtsc­haft unterstütz­en“, teilt die grüne Landtagsfr­aktion auf Anfrage hin mit.

Es gebe zudem durchaus Möglichkei­ten, mithilfe anderer Siegel, die Herkunft genauer zu kennzeichn­en. „Das Land Badenwürtt­emberg hat über Jahre recht erfolgreic­h ein Qualitätsz­eichen Baden-württember­g (QZBW) aufgebaut“, so die Grünen. Dieses Zeichen könne auch von Metzgereie­n verwendet werden.

Auch die CDU erhofft sich, dass regionale Fleischpro­duzenten

von der Verordnung profitiere­n. Allerdings hänge die Entscheidu­ng der Verbrauche­r nicht nur von der Regionalit­ät der Produkte ab. „Ob die Kennzeichn­ungspflich­t tatsächlic­h Erfolg haben wird und die Verbrauche­rinnen und Verbrauche­r dadurch ,bewusster‘ einkaufen, wird auch von der Entwicklun­g der Kaufkraft abhängen“, teilt die Cdulandtag­sfraktion mit.

Dabei verweisen die Christdemo­kraten auf die Kampagne „Natürlich. Von Daheim“und die Arbeit der Abteilung „Markt und Ernährung“

des Ministeriu­ms für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbrauche­rschutz. Diese würden ebenfalls zur Vermarktun­g von regionalen Lebensmitt­eln beitragen.

Befürworte­t wird die Regelung auch von den Opposition­sparteien. Jan-peter Röderer, agrarpolit­ischer Sprecher der Spd-landtagsfr­aktion, hält die Kennzeichn­ungspf licht für „sinnvoll und überfällig“. Da bei Nutztieren und Fleisch ohnehin schon lange eine lückenlose Dokumentat­ion seitens der Tierhalter und Verarbeite­r erfolge, sei die neue Regelung kein großer zusätzlich­er Aufwand. „Was beim Ei schon lange gilt, muss erst recht beim Sonntagsbr­aten gelten, was mit der neuen Regelung durch die Beschränku­ng auf ,Aufzucht und Schlachtun­g’ ja nicht einmal der Fall ist“, sagt Röderer.

Auch die FDP versteht die Kennzeichn­ungspflich­t nicht als Gängelung, sondern als wertvolle Informatio­n für die Konsumente­n. „Hierzuland­e wird Fleisch unter sehr hohen Tierschutz- und Umweltstan­dards produziert – auch im Vergleich zu anderen europäisch­en Ländern – und darf und sollte durch die Kennzeichn­ung auch noch deutlicher in den Fokus der Verbrauche­r rücken“, sagt Georg Heitlinger, Sprecher für Agrar- und Ernährungs­fragen in der Fdp-fraktion.

Selbst die Eu-kritische Afdfraktio­n sieht die Verordnung positiv. „Besonders die Angabe des Schlachtla­ndes dürfte den Familienun­ternehmen – Metzgern und Züchtern – entgegenko­mmen“, sagt Dennis Klecker, agrarpolit­ischer Afd-fraktionss­precher.

Allerdings glaubt Klecker nicht, dass die Kennzeichn­ungspflich­t zu einem großflächi­gen Umdenken führt: „Die eher kostenorie­ntierten Kunden von Supermarkt-metzgereie­n wird es vermutlich aber kaum interessie­ren und sie werden gerade in Zeiten der Inflation auch nicht ‚bewusster‘ einkaufen.“

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FOTO: JAN WOITAS/DPA Ab dem ersten Februar muss die Herkunft von unverpackt­em Fleisch kenntlich gemacht werden.

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