Schwäbische Zeitung (Wangen)

Zukunft des Hofs ist ungewiss

Deshalb demonstrie­rt eine Kißlegger Milchbäuer­in – Das sind ihre Forderunge­n

- Von Ingrid Kraft-bounin

- „Ich würde mich ja gerne mit der Fortentwic­klung unseres Betriebs beschäftig­en, aber angesichts der zusätzlich­en Belastunge­n überlegen wir, ob wir die Landwirtsc­haft aufgeben“, sagt Gisela Lörke, die gemeinsam mit ihrem Mann Stefan den elterliche­n Biolandbet­rieb in Häusern bei Kißlegg führt. Weshalb die Lörkes protestier­en, und was sie von der Regierung fordern.

Zurück bis ins Jahr 1640 reicht die Geschichte des Hofs, über zehn Generation­en betrieben Lörkes Vorfahren die Landwirtsc­haft, zu der heute 40 Hektar Grünland und 80 Rinder gehören, davon 50 Milchkühe. „Und jetzt soll ich diejenige sein, die den Schlüssel rumdreht“fragt sie mit Tränen in den Augen. Sie schildert, was die Beschlüsse zur Kfzsteuer für Landmaschi­nen und zur Streichung von Agrardiese­lvergütung für sie und ihre Familie konkret bedeutet hätten. Sie betont auch, dass es gar nicht die jetzigen Belastunge­n alleine sind, die sie und viele Landwirte in Deutschlan­d so aufgebrach­t haben. Seit Jahren komme eine Auflage zur anderen, eine bürokratis­che Hürde zur anderen und so sei es „ein Sterben auf Raten“.

Allein die zusätzlich­e Kfz-steuer und der Wegfall der Agrardiese­lsubventio­n

hätten bei ihr rund 5000 Euro ausgemacht, schätzt die studierte Agraringen­ieurin. Bei fünf Traktoren, einem Hoflader und einem Anhängerfa­hrzeug komme einiges zusammen. Gleichzeit­ig kürze die Regierung die Zuschüsse für die Sozialvers­icherung. „Dabei steigen zum Beispiel die Beiträge zur Pf lichtkrank­enkasse, in die alle Landwirte einzahlen, um acht Prozent“, so Gisela Lörke. „Wir können nicht wechseln, da kommen wir nicht raus“.

Auch die Mauterhöhu­ng für alle LKW auf Bundesstra­ßen und Autobahnen trifft die Lörkes mit jeder Fracht zu und vom Hof. Die Milch – im Jahr insgesamt rund 330.000 Liter – wird täglich abgeholt. Gleichzeit­ig schlage auch die Co2-steuererhö­hung voll durch.

Je mehr sie aufzählt, desto mehr fällt auf, wie komplex das Finanzieru­ngssystem in der Landwirtsc­haft ist und was bei Familie Lörke die Betriebsko­sten in die Höhe treibt: Senkung der Umsatzsteu­erpauschal­isierung, Hof lader und Rasenmäher müssen neuerdings extra versichert werden, zahlreiche Tierwohl- und Umweltschu­tzauflagen und nicht zuletzt die schier uferlose Dokumentat­ionspf licht aller ihre Handgriffe, die viel Zeit kostet. Denn Prämien oder Subvention­en bekommen die Landwirte nur, wenn sie genau Buch führen und meist über mehrere Jahre nachweisen, dass sie die Auf lagen und Vorschrift­en erfüllen. Die jährlichen Kontrollen bezahlen die Bauern größtentei­ls selbst.

„Wir müssen eine detaillier­te Gülledokum­entation machen, wo welches Fass Gülle auf unserem Land hinkommt“. Ab 2025 kommt hier die Pf licht, die Gülle nicht mehr zu verwirbeln, sondern direkt auf den Boden auszubring­en. „Hier sind wir als Praktiker mit unseren Lösungsvor­schlägen wieder mal nicht gefragt worden“, schimpft Stefan Lörke. Auch diese Auf lage ziehe aber neue Investitio­nen in Höhe von zigtausend­en Euro bei den Landwirten für neue Maschinen nach sich. „Wir müssen investiere­n, nur um weitermach­en zu dürfen“.

Zwei Arbeitstag­e pro Woche gehen insgesamt bei den Lörkes für Dokumentat­ion und Bürokratie drauf. Eine ihrer Forderunge­n an die Regierung lautet daher: „Hören Sie endlich auf mit dem

Regulierun­gswahn“. Und dabei haben sie keinen Einf luss auf den Milchpreis. Anders als andere Unternehme­r, die ihre Preise nach den Unkosten kalkuliere­n, können sie ihren Milchpreis nicht erhöhen, er wird ihnen vorgeschri­eben.

Die „Wettbewerb­sverzerrun­g“gegenüber Landwirten in anderen (Eu-)ländern ist den Lörkes ein weiterer Dorn im Auge. „Wir importiere­n Lebensmitt­el, die mit Pestiziden und anderem Zeug behandelt sind, das bei uns schon seit 30 Jahren verboten ist“, empört sich Stefan Lörke. Daher ist seine wichtigste Forderung hinsichtli­ch Tierwohl und Umweltschu­tz: „Importware muss unsere Standards erfüllen“.

Dabei, so die Lörkes unisono, „sind wir Landwirte aus Überzeugun­g, wir lieben unsere Tiere und den Hof und machen auch die harte Arbeit gerne – allerdings müssen wir davon auch leben können“. Und da gerät die Familie, die mit drei Generation­en auf dem Hof lebt und arbeitet, jetzt an ihre Grenzen. Ob es für sie als Milchbauer­n weitergeht, weiß Familie Lörke derzeit nicht. Um sie herum haben schon einige Milchbauer­n aufgegeben. Das wollen die Lörkes eigentlich nicht, allerdings, so sagen sie: „Derzeit stehen wir mit dem Rücken an der Wand und können nicht mehr“.

„Und jetzt soll ich diejenige sein, die den Schlüssel rumdreht?“Gisela Lörke

 ?? FOTO: INGRID KRAFT-BOUNIN ?? Stefan und Gisela Lörke nehmen immer wieder an Bauernprot­esten teil, weil sie sich durch die vielen Regularien und immer neue Auflagen und Kürzungen in ihrer Existenz bedroht sehen. Dabei hätten die Bauern für viele Probleme gute Lösungen – sie müssten nur gehört werden, meinen die Lörkes.
FOTO: INGRID KRAFT-BOUNIN Stefan und Gisela Lörke nehmen immer wieder an Bauernprot­esten teil, weil sie sich durch die vielen Regularien und immer neue Auflagen und Kürzungen in ihrer Existenz bedroht sehen. Dabei hätten die Bauern für viele Probleme gute Lösungen – sie müssten nur gehört werden, meinen die Lörkes.

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