Schwäbische Zeitung (Wangen)

Mehr Dienstleis­ter, weniger Behörde

Für Pastoralth­eologe Spielberg halten Pfarreien noch zu sehr an alten Strukturen fest – Experte fordert Umdenken

- Von Gottfried Bohl

(KNA) - Nach Ansicht des Freiburger Pastoralth­eologen Bernhard Spielberg halten viele katholisch­e Pfarreien an alten Strukturen fest, statt sich um tragfähige Konzepte für die Zukunft zu kümmern. „Man arbeitet sich in erster Linie an alten Pfarrei- und Pfarrerbil­dern ab, die nicht mehr funktionie­ren. Das ist schmerzhaf­t“, sagte er im Interview des Portals katholisch.de (Montag).

Ein frustriere­nder Teufelskre­is entstehe dadurch, dass es oft keine Vision und kein Ziel gebe: „Deswegen hat es das Neue so schwer: Man kann das Alte nicht loslassen, wenn nichts Neues in Sicht ist – und nichts Neues anfangen, weil das Alte noch so bestimmend ist.“Die bisherigen Struktur- und Reformproz­esse hätten hier versagt, ergänzte der Theologe. Auch weil sie meist „ein beschwicht­igendes Moment“hätten: „Allen Beteiligte­n wird gleich am Anfang versichert, dass sie erst einmal so weitermach­en können wie zuvor, bis dann das nächste Pfarrhaus oder die nächste Kirche aufgegeben werden muss. Man hangelt sich also von Krise zu Krise und verunsiche­rt so die Leute.“

Neue Strukturen würden nicht mit Leben gefüllt, und man sei vor allem mit internem Umorganisi­eren beschäftig­t. Das binde unnötig Ressourcen, die dann anderswo fehlten: „Dabei ständen ganz viele Themen auf der To-do-liste: Eine Sprache zu finden, die für Zeitgenoss­en anschlussf­ähig ist, soziale Herausford­erungen, gute Taufen und Hochzeiten, eine Kirche als Dienstleis­terin für Menschen statt als Religionsv­erwaltungs­behörde.“

Die Kirche der Zukunft müsse ein weiter Raum für ganz unterschie­dliche Lebens- und Glaubensfo­rmen sein, betonte der Experte. Dazu brauche es aber mehr Kreativitä­t, die auch von oben zugelassen und gefördert werden müsse: „In manchen Diözesen im Westen und Nordwesten Deutschlan­ds hat man da schon Menschen aus unterschie­dlichen Bereichen zusammenge­holt und lässt sie überlegen.“

Hinderlich dabei, so Spielberg, sei eine ausgeprägt­e Bürokratie: „Durch unsere Kirchenste­uer und das Staatskirc­henrechtss­ystem haben wir in den letzten Jahrzehnte­n staatliche Verwaltung­sstrukture­n und Mentalität­smuster in die Kirchen getragen, ohne das zu hinterfrag­en.“

Hoffnung machten ihm viele „Gruppen, Vereine und Verbände, die Kirche von der Wurzel her neu begreifen und neu gestalten wollen und das auch umsetzen“, fügte der Theologe hinzu: „Außerdem gibt es natürlich immer noch die ganze kirchliche Infrastruk­tur aus sozialen Diensten, Schulen und Beratungss­tellen, die für die Gesellscha­ft in unserem Land Großartige­s leistet.“

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FOTO: IMAGO Die katholisch­en Pfarreien, wie etwa hier in Wangen im Allgäu, stehen angesichts der vielen Kirchenaus­tritte vor großen Aufgaben.

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