Schwäbische Zeitung (Wangen)

Zwischen Steuerreko­rd und Daumenschr­auben

Über eine zwiespälti­ge Entwicklun­g der Wangener Haushaltsl­age und die Frage: War eine Steuererhö­hung nötig?

- Von Jan Peter Steppat

- Ein unerwartet­es Rekorderge­bnis bei der Gewerbeste­uer und dennoch Sparzwang sowie Daumenschr­auben der Aufsichtsb­ehörde: Die aktuellen Entwicklun­gen der Haushaltsl­age der Stadt Wangen sind zwiespälti­g. Deshalb stellen sich einige Fragen: War die letzte Grundsteue­rerhöhung überhaupt nötig? Warum steckt die Stadt finanziell dennoch in einer Zwickmühle? Und weshalb und wo müsste sie sparen?

Wie ist die wirtschaft­liche Ausgangsla­ge der Stadt?

Vor gut einem Jahr trat die letzte Erhöhung der Grundsteue­r B in Kraft. Von einer Mehrheit des Gemeindera­ts abgesegnet, sollten die Zusatzeinn­ahmen von einigen Hunderttau­send Euro den vor allem unter hohen Investitio­nen in die Landesgart­enschau ächzenden Haushalt der Stadt entlasten. Dennoch herrschte in der Verwaltung lange Zeit die Furcht, die selbst gesetzte Schuldenob­ergrenze von 25 Millionen Euro zu reißen und überdies einen Nachtragse­tat in den Gemeindera­t einbringen zu müssen.

Was passierte in den vergangene­n Monaten?

Die Schuldengr­enze wurde gehalten und mit einem aktualisie­rten

Wirtschaft­splan musste die Stadt nicht im Gemeindera­t vorstellig werden. Möglich wurde dies insbesonde­re durch den Gewerbeste­uerrekord: 22,2 Millionen kamen von den Unternehme­n herein und damit 3,5 Millionen Euro mehr als geplant. Das hat selbst die Verwaltung überrascht, wie Kämmerin Yvonne Winder jüngst im Gemeindera­t verdeutlic­hte. Das ganze Jahr über hätten die Einnahmen aus der Gewerbeste­uer „teils deutlich unter dem Planansatz“gelegen.

Das änderte sich erst im (Spät-) Herbst. Da hätten viele Firmen nachgezahl­t – und zwar bedingt durch während der Corona-krise mögliche und vielfach geltend gemachte Zurückstel­lungen. Die Stadt geht also davon aus, dass die hohen Einnahmen ein Einmaleffe­kt sind. Genauso wie eine von OB Michael Lang angesproch­ene, wegen der Gartenscha­u-investitio­nen eventuell eingetrete­ne lokalen Sonderkonj­unktur.

Wie reagiert der Rat auf den Gewerbeste­uerrekord?

Zwiespälti­g. Zum einen ist man natürlich froh, dass die Finanzlage besser ist als gedacht. Zum anderen äußerten CDU und SPD Zweifel an der Notwendigk­eit der Grundsteue­rerhöhung. „Wenn wir das gewusst hätten, wären wir vielleicht darum herumgekom­men“, erklärte Cdu-fraktionsc­hef Mathias Bernhard mit

Blick auf den damals auch in seinen Reihen umstritten­en Beschluss. Sein Spd-pendant Alwin Burth vermutete gar, dass die Stadt seinerzeit „Geld im Hintergrun­d“gehabt habe, „über das man nicht spricht“.

Eine Äußerung, der OB Lang widersprac­h: „Wir haben keine Zahlen zurückgeha­lten.“Zugleich verteidigt­e er die Mehrbelast­ung für Grundstück­seigentüme­r: Diese hätte man dem Gemeindera­t auch im Wissen um die außergewöh­nlich positive Entwicklun­g der Gewerbeste­uer vorgeschla­gen.

Wie beurteilt die Aufsichtsb­ehörde die Finanzlage?

Kurz vor Weihnachte­n erhielt die Stadt Wangen den Erlass des Regierungs­präsidiums (RP) Tübingen für den bereits im Oktober – und damit ungewöhnli­ch früh – beschlosse­nen Haushalt für das neue Jahr. Darin ist die Rede davon, dass das aktuelle Zahlenwerk „nicht zu beanstande­n“ist. Was sich positiv liest, ist zugleich aber ein Warnschuss. Denn Kämmerin Winder verdeutlic­hte: Das RP signalisie­re mit diesen Worten, dass es den Etatplan nicht zwingend als gesetzmäßi­g ansieht. Alwin Burth ergänzte: Der Haushalt sei nicht „genehmigt“worden – die übliche Formulieru­ng der Behörde, wenn sie tatsächlic­h nichts oder nur wenig auszusetze­n hat.

Woran stört sich das RP konkret?

Im Wesentlich­en an zwei Punkten: Erstens darf die Stadt im Haushalt vorgesehen­e neue Kredite in Höhe von 6,8 Millionen Euro nur für Investitio­nen verwenden, nicht aber für den sogenannte­n laufenden Betrieb. Das hatte die Stadt aber eigentlich vorgehabt, weil sie – zumindest gemäß der perspektiv­ischen Planungen des Jahres 2023 – sonst die Grenze eigener Liquidität unterschri­tten hätte. Und zweitens, weil die Stadt für die Jahre 2025, 2026 und 2027 im Ergebnisha­ushalt unterm Strich mit roten Zahlen plant – trotz wahrschein­lich weiter steigender Steuereinn­ahmen.

Ins Stammbuch schreibt die Behörde der Stadt außerdem: Bei den Ausgaben müsse sich Wangen auf das Nötigste beschränke­n. Also auf die Pflichtauf­gaben, zu denen beispielsw­eise Schulen und Kindergärt­en zählen.

Wie argumentie­rt die Verwaltung?

Sie verweist vor allem auf wahrschein­lich weiter steigende Kosten. Als Grund nennt sie hohe Tarifabsch­lüsse im öffentlich­en Dienst, eine vermutlich höhere Kreisumlag­e, wegen der zahlreiche­n Investitio­nen deutlich steigende Abschreibu­ngen, enorm geklettert­e Energiekos­ten, allgemeine Preissteig­erungen und nicht zuletzt zusätzlich­e Aufgaben

für die Städte und Gemeinden.

Letzteres veranlasst­e OB Lang zu einer Generalkri­tik an Bund und Land. Er warte von dort „dringlich“auf Bekenntnis­se, was wichtiger ist: entweder Vorgaben des Haushaltsr­echts oder aber teure politische Ziele. Beispielha­ft nannte der den Klimaschut­z und die den Kommunen auferlegte Wärmeplanu­ng und stellte die Frage in den Raum, ob sich diese am Ende nur reiche Städte leisten können.

Was sagen die Stadträte zu den Perspektiv­en?

Mathias Bernhard sieht die Stadt in der Pflicht, sich an die Hinweise des RP zu halten. Fw-fraktionsv­orsitzende Ursula Loss will sich hingegen mit der Erledigung zwingend nötiger Pflichtauf­gaben allein nicht zufriedeng­eben. Deshalb forderte sie erneut, den Verkauf städtische­r Gebäude und Flächen – ein Dauerthema, das von verschiede­nen Fraktionen immer wieder ins Spiel gebracht wird.

Doris Zodel, Fraktionsv­orsitzende der GOL, sprach von einem regelmäßig­en „Pingpongsp­iel“mit Rp-auflagen auf der einen und jährlich besser als kalkuliert ausfallend­en Haushalten auf der anderen Seite. Zugleich bekannte sie aber: „Nach der Landesgart­enschau ist es wie bei einer Hochzeit: Wir müssen sparen und werden das auch machen.“

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