Zwischen Steuerrekord und Daumenschrauben
Über eine zwiespältige Entwicklung der Wangener Haushaltslage und die Frage: War eine Steuererhöhung nötig?
- Ein unerwartetes Rekordergebnis bei der Gewerbesteuer und dennoch Sparzwang sowie Daumenschrauben der Aufsichtsbehörde: Die aktuellen Entwicklungen der Haushaltslage der Stadt Wangen sind zwiespältig. Deshalb stellen sich einige Fragen: War die letzte Grundsteuererhöhung überhaupt nötig? Warum steckt die Stadt finanziell dennoch in einer Zwickmühle? Und weshalb und wo müsste sie sparen?
Wie ist die wirtschaftliche Ausgangslage der Stadt?
Vor gut einem Jahr trat die letzte Erhöhung der Grundsteuer B in Kraft. Von einer Mehrheit des Gemeinderats abgesegnet, sollten die Zusatzeinnahmen von einigen Hunderttausend Euro den vor allem unter hohen Investitionen in die Landesgartenschau ächzenden Haushalt der Stadt entlasten. Dennoch herrschte in der Verwaltung lange Zeit die Furcht, die selbst gesetzte Schuldenobergrenze von 25 Millionen Euro zu reißen und überdies einen Nachtragsetat in den Gemeinderat einbringen zu müssen.
Was passierte in den vergangenen Monaten?
Die Schuldengrenze wurde gehalten und mit einem aktualisierten
Wirtschaftsplan musste die Stadt nicht im Gemeinderat vorstellig werden. Möglich wurde dies insbesondere durch den Gewerbesteuerrekord: 22,2 Millionen kamen von den Unternehmen herein und damit 3,5 Millionen Euro mehr als geplant. Das hat selbst die Verwaltung überrascht, wie Kämmerin Yvonne Winder jüngst im Gemeinderat verdeutlichte. Das ganze Jahr über hätten die Einnahmen aus der Gewerbesteuer „teils deutlich unter dem Planansatz“gelegen.
Das änderte sich erst im (Spät-) Herbst. Da hätten viele Firmen nachgezahlt – und zwar bedingt durch während der Corona-krise mögliche und vielfach geltend gemachte Zurückstellungen. Die Stadt geht also davon aus, dass die hohen Einnahmen ein Einmaleffekt sind. Genauso wie eine von OB Michael Lang angesprochene, wegen der Gartenschau-investitionen eventuell eingetretene lokalen Sonderkonjunktur.
Wie reagiert der Rat auf den Gewerbesteuerrekord?
Zwiespältig. Zum einen ist man natürlich froh, dass die Finanzlage besser ist als gedacht. Zum anderen äußerten CDU und SPD Zweifel an der Notwendigkeit der Grundsteuererhöhung. „Wenn wir das gewusst hätten, wären wir vielleicht darum herumgekommen“, erklärte Cdu-fraktionschef Mathias Bernhard mit
Blick auf den damals auch in seinen Reihen umstrittenen Beschluss. Sein Spd-pendant Alwin Burth vermutete gar, dass die Stadt seinerzeit „Geld im Hintergrund“gehabt habe, „über das man nicht spricht“.
Eine Äußerung, der OB Lang widersprach: „Wir haben keine Zahlen zurückgehalten.“Zugleich verteidigte er die Mehrbelastung für Grundstückseigentümer: Diese hätte man dem Gemeinderat auch im Wissen um die außergewöhnlich positive Entwicklung der Gewerbesteuer vorgeschlagen.
Wie beurteilt die Aufsichtsbehörde die Finanzlage?
Kurz vor Weihnachten erhielt die Stadt Wangen den Erlass des Regierungspräsidiums (RP) Tübingen für den bereits im Oktober – und damit ungewöhnlich früh – beschlossenen Haushalt für das neue Jahr. Darin ist die Rede davon, dass das aktuelle Zahlenwerk „nicht zu beanstanden“ist. Was sich positiv liest, ist zugleich aber ein Warnschuss. Denn Kämmerin Winder verdeutlichte: Das RP signalisiere mit diesen Worten, dass es den Etatplan nicht zwingend als gesetzmäßig ansieht. Alwin Burth ergänzte: Der Haushalt sei nicht „genehmigt“worden – die übliche Formulierung der Behörde, wenn sie tatsächlich nichts oder nur wenig auszusetzen hat.
Woran stört sich das RP konkret?
Im Wesentlichen an zwei Punkten: Erstens darf die Stadt im Haushalt vorgesehene neue Kredite in Höhe von 6,8 Millionen Euro nur für Investitionen verwenden, nicht aber für den sogenannten laufenden Betrieb. Das hatte die Stadt aber eigentlich vorgehabt, weil sie – zumindest gemäß der perspektivischen Planungen des Jahres 2023 – sonst die Grenze eigener Liquidität unterschritten hätte. Und zweitens, weil die Stadt für die Jahre 2025, 2026 und 2027 im Ergebnishaushalt unterm Strich mit roten Zahlen plant – trotz wahrscheinlich weiter steigender Steuereinnahmen.
Ins Stammbuch schreibt die Behörde der Stadt außerdem: Bei den Ausgaben müsse sich Wangen auf das Nötigste beschränken. Also auf die Pflichtaufgaben, zu denen beispielsweise Schulen und Kindergärten zählen.
Wie argumentiert die Verwaltung?
Sie verweist vor allem auf wahrscheinlich weiter steigende Kosten. Als Grund nennt sie hohe Tarifabschlüsse im öffentlichen Dienst, eine vermutlich höhere Kreisumlage, wegen der zahlreichen Investitionen deutlich steigende Abschreibungen, enorm gekletterte Energiekosten, allgemeine Preissteigerungen und nicht zuletzt zusätzliche Aufgaben
für die Städte und Gemeinden.
Letzteres veranlasste OB Lang zu einer Generalkritik an Bund und Land. Er warte von dort „dringlich“auf Bekenntnisse, was wichtiger ist: entweder Vorgaben des Haushaltsrechts oder aber teure politische Ziele. Beispielhaft nannte der den Klimaschutz und die den Kommunen auferlegte Wärmeplanung und stellte die Frage in den Raum, ob sich diese am Ende nur reiche Städte leisten können.
Was sagen die Stadträte zu den Perspektiven?
Mathias Bernhard sieht die Stadt in der Pflicht, sich an die Hinweise des RP zu halten. Fw-fraktionsvorsitzende Ursula Loss will sich hingegen mit der Erledigung zwingend nötiger Pflichtaufgaben allein nicht zufriedengeben. Deshalb forderte sie erneut, den Verkauf städtischer Gebäude und Flächen – ein Dauerthema, das von verschiedenen Fraktionen immer wieder ins Spiel gebracht wird.
Doris Zodel, Fraktionsvorsitzende der GOL, sprach von einem regelmäßigen „Pingpongspiel“mit Rp-auflagen auf der einen und jährlich besser als kalkuliert ausfallenden Haushalten auf der anderen Seite. Zugleich bekannte sie aber: „Nach der Landesgartenschau ist es wie bei einer Hochzeit: Wir müssen sparen und werden das auch machen.“