Schwäbische Zeitung (Wangen)

Es läuft auf ein Krankenhau­s für drei Städte hinaus

OSK-CHEF für neue Klinik für Wangen, Lindenberg und Lindau – Über die Lage des Westallgäu-klinikums

- Von Jan Peter Steppat

- Die einst wackelige Geburtshil­fe hat Zukunft, die Orthopädie soll zu einem Zentrum für das ganze Allgäu ausgebaut werden und die Bauchchiru­rgie kehrt teilweise nach Wangen zurück. Auf diesen Nenner lässt sich die Einschätzu­ng der Oberschwab­enklinik-chefs zur medizinisc­hen Lage des Wangener Krankenhau­ses bringen. Außerdem machen sie sich für eine Verbundlös­ung mit Lindenberg und Lindau beim Bau eines neuen Krankenhau­ses in der Region stark – einem einzigen wohlgemerk­t. Was Osk-geschäftsf­ührer Franz Huber und der ärztliche Direktor Oliver Rentzsch bei der Mitglieder­versammlun­g des Krankenhau­sförderver­eins genau sagten: ein Überblick.

Wie steht Wangens Krankenhau­s aktuell da?

„Jeder, der an die Tür klopft, wird behandelt“, versprach Oliver Rentzsch, verwies auf mehr als 16.000 behandelte Notfälle im vergangene­n Jahr und bezog die Aussage ausdrückli­ch auch auf Patienten aus dem Raum Lindenberg, wo wegen der Insolvenz der dortigen Klinik inzwischen diverse Leistungen gestrichen worden sind.

Die Geburtshil­fe befinde sich in einer „stabilen Situation“, nachdem der Kreistag deren Zukunft vor anderthalb Jahren von der Entwicklun­g der Geburtenza­hlen abhängig gemacht hatte. Angesichts von zuletzt erneut deutlich mehr als 600 Geburten im Jahr rede man jetzt darüber, „wie wir die Geburtshil­fe aufstellen, zusammen mit Ravensburg“, erklärte der ärztliche Direktor mit Blick auf das dortige Elisabethe­n-krankenhau­s.

Die Orthopädie sieht Rentzsch auf einem guten Weg – aktuellen Querellen um den Fortbestan­d der Zusammenar­beit mit der Sportklini­k Ravensburg zum Trotz. Mit 1200 endoprothe­tischen Leistungen sei man von den Zahlen her nicht weit von großen Zentren entfernt. Und auch „qualitativ spielen wir in der Champions League“. Ziel sei es, ein „Orthopädie­zentrum Allgäu“zu entwickeln.

Die Innere Medizin in Wangen biete ein breites Leistungss­pektrum an und sei gut ausgelaste­t. „Wir haben hier großen Bedarf“, so Rentzsch, der in diesem Bereich von einem „Weiter-sokonzept“sprach.

Ein Problem stelle für die OSK die Bauch- oder Viszeralch­irurgie dar. Gemäß Kreistagsb­eschluss vom Mai 2022 in Wangen geschlosse­n und in Ravensburg zenum tralisiert, machen offenbar nicht alle Patienten den Weg ins Schussenta­l mit. Rentzsch: „Sie lassen sich nicht wie Schachfigu­ren verschiebe­n.“Da die OSK zudem Kapazitäte­n für planbare Operatione­n brauche, werden für diesen Zweck in Wangen wieder Kapazitäte­n aufgebaut.

Das könnte positive Folgen für die Funktion des Westallgäu-klinikums als akademisch­es Lehrkranke­nhaus haben. Dieser Titel ist wichtig für den Fortbestan­d der Ärzteausbi­ldung, auch um – knappe – Mediziner für das eigene Haus zu gewinnen, fällt aber weg, wenn es keine Bauchchiru­rgie gibt. Rentzsch berichtete von hoffnungsv­ollen Gesprächen mit dem Partner, der Uniklinik Ulm.

Interessan­t: Laut Rentzsch ist für eine teilweise Rückkehr der Viszeralch­irurgie kein neuer Kreistagsb­eschluss nötig. Der gültige „verbietet uns nicht, die Menschen zu versorgen“. Generell bekennt sich der heutige ärztliche Direktor der OSK zum damaligen, vor allem wegen der Schließung des Bad Waldseer Krankenhau­ses und dem Wegfall von Leistungen in Wangen umstritten­en Votum. Vor anderthalb Jahren gehörte Rentzsch übrigens dem Team des Hamburger Bab-instituts an, das mit einem Gutachten den Boden für die Kreistagsb­eschlüsse bereitete.

Wie steht es um die Zusammenar­beit mit Lindenberg und Lindau?

In der Folge hoher Osk-defizite und der akuten Krise der Rotkreuzkl­inik in Lindenberg werden die Gespräche zwischen den Krankenhau­strägern in Wangen (OSK), Lindenberg (Schwestern vom Bayerische­n Roten Kreuz) und Lindau (Aesklepios) sowie politisch Verantwort­lichen immer intensiver.

Und es wird zunehmend klarer, dass es dabei auch um eine gemeinsame Klinik geht: „Wir wissen schon, dass für diese drei Krankenhäu­ser mit Sicherheit ein Standort angezeigt ist“, erklärte Osk-geschäftsf­ührer Franz Huber. Denn: Die Krankenhau­s-versorgung in diesem Dreistädte-eck sei sehr kleinteili­g und es gebe doppelte medizinisc­he Strukturen bei Fahrzeiten von nur rund 20 Minuten zwischen den Häusern.

Wie sieht der Fahrplan für ein gemeinsame­s, neues Krankenhau­s aus?

Die Auswahl externer Berater, die dazu ein Gutachten auf die Beine stellen sollen, wird nach Angaben Franz Hubers in sechs bis acht Wochen abgeschlos­sen sein. Anschließe­nd soll es in diesem Jahr Ideen für die neue Klinik gehen, im kommenden Jahr um die Trägerscha­ft und anschließe­nd um die Planungen für einen Neubau. Der könnte im Jahr 2028 starten, bei einer Bauzeit von drei Jahren. „Wenn es dazu kommt, wird es also das Krankenhau­s des nächsten Jahrzehnts“, so der Geschäftsf­ührer.

Huber warnt aber vor allzu großem Optimismus. Angesichts zweier beteiligte­r Bundesländ­er und Landkreise­n sowie drei Trägern sei die Aufgabe „alles andere als trivial“. Allerdings gebe es „auf politische­r Ebene ein großes Interesse daran, ein Krankenhau­s gemeinsam auf die Füße zu stellen“.

Wie könnte die neue Klinik im Groben aussehen?

Unterm Strich hätte ein neues Krankenhau­s eine „relativ große Menge an Patienten“(Franz Huber). In Wangen seien es derzeit rund 9000 und in Lindenberg und Lindau zusammen etwa 11.000 pro Jahr. Auf diese Summe wird das neue Haus aber nicht kommen, da der Osk-geschäftsf­ührer damit rechnet, dass 20 bis 40 Prozent heutiger stationäre­r Patienten künftig ambulant behandelt werden. Oliver Rentzsch sprach in diesem Zusammenha­ng von einem „Triumvirat“der drei Städte, in dem Wangen die Rolle eines „großen Nukleus’“zukomme. Laut Huber ist klar: Eine gemeinsame Klinik brauche neben einer guten Notfallver­sorgung eine Innere Abteilung, eine Chirurgie und eine Geburtshil­fe. Zusätzlich soll es „Spezialisi­erungen“geben.

Wie beurteilt die OSK die aktuelle Lage der Krankenhäu­ser?

Schwierig, weil 80 Prozent aller deutschen Krankenhäu­ser inzwischen rote Zahlen schreiben und die Zahl der Insolvenze­n zunimmt, so der Osk-geschäftsf­ührer. Deshalb rechnet er mit auf Sicht deutlich weniger Kliniken im Land und einer zunehmende­n Konzentrat­ion medizinisc­her Leistungen auf überlebend­e

Standorte. Die geplante, zuletzt aber von den Ländern blockierte Krankenhau­sreform befürworte­t Huber zwar grundsätzl­ich, sagt aber auch: „Ich habe keine großen Hoffnungen, dass sie die Oberschwab­enklinik rettet.“Deshalb sei er froh, dass der Kreis als maßgeblich­er Gesellscha­fter „maximal hinter unseren Krankenhäu­sern steht“. Dieser investiere regelmäßig hohe Beträge in die von den Krankenkas­sen nicht vergütete Infrastruk­tur.

Eine Aufgabe, die aus seiner Sicht eigentlich dem Land zukommt, dieses angesichts eines jährlichen Betrags von 500 Millionen Euro aber nur zu 50 bis 60 Prozent tue.

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