Das Minarett von Memmingen
Die Türkisch-islamische Gemeinde will ihre Moschee um einen Turm erweitern, was auch auf Kritik stößt
- 24 Meter hoch, mit Zeltdach und Halbmond auf der Spitze: Über diese Baupläne wird in Memmingen emotional diskutiert. Es handelt sich um ein Minarett, also einen Turm, den die Türkisch-islamische Gemeinde an ihre Moschee bauen möchte. Seit Jahren liegen die Pläne in einer Schublade des Vereins, der Ditib angehört, dem größten islamischen Dachverband Deutschlands. Jetzt soll das Projekt umgesetzt werden.
Doch es gibt Irritationen. Bei einem Treffen im November zwischen dem Verein und Memminger Stadträten war vereinbart worden, dass zunächst die Bewohner über das Projekt informiert werden sollen, bevor ein Bauantrag eingereicht wird. Etwa darüber, warum der Gemeinde ein Minarett so wichtig ist. Das hätten Verein und Stadt gemeinsam der Öffentlichkeit in einer Informationsveranstaltung erläutern können. Ein weiteres Argument der Stadträte damals, mit dem Bauantrag noch zu warten: Der Zeitpunkt sei wegen des Krieges in Gaza ungünstig. Der Konf likt war ausgelöst worden durch einen Anschlag der Hamas, einer islamistischen Terrororganisation. Knapp zwei Monate sind seit dem Gespräch vergangen. Eine Informationsveranstaltung hat es noch nicht gegeben. Dennoch hat der Verein, dem 700 Mitglieder angehören, nun den Bauantrag gestellt. Am Mittwoch soll darüber im Memminger Bauausschuss beraten werden.
Oberbürgermeister Jan Rothenbacher (SPD) kann verstehen, dass die Gemeinde das Minarett nun bauen will. Aber gut finden müsse er das Vorgehen nicht, sagt er. Es sei schade, dass der Verein es nicht mit der Stadt abgestimmt habe, den Antrag jetzt einzureichen. Nun sei eine gemeinsame Info-veranstaltung hinfällig: Jetzt müsse der Antrag von der Verwaltung neutral bearbeitet werden.
Wie stimmt er am Mittwoch ab? Dafür, dass der Bauantrag genehmigt wird, sagt er. Das sei keine inhaltliche Entscheidung, sondern eine rechtliche. Denn baurechtlich spreche nichts gegen das Minarett. Für den gewerblich
geprägten Bereich, in dem die Moschee steht, gibt es nämlich keinen Bebauungsplan. In so einem Plan ist unter anderem festgelegt, welche Regeln beim Errichten etwa eines Gebäudes eingehalten werden müssen. Theoretisch kann der Stadtrat aber noch einen Bebauungsplan aufstellen, sagt Rothenbacher. Dafür könnte er eine Veränderungssperre erlassen. Das heißt: Bis ein Bebauungsplan steht, dürfte in dem Bereich nichts verändert werden. Darum werde es sicher am Mittwoch im Bauausschuss auch gehen. Es sei aber genauso möglich, dass der Ausschuss den Antrag genehmigt. Gebe es dann innerhalb einer Woche keinen Widerspruch von Stadträten, sei die Erlaubnis rechtskräftig.
Warum hat die Türkisch-islamische Gemeinde jetzt den Bauantrag gestellt? Muhammet Kul, Vorsitzender des Vereins, antwortet: Seit 2016 warte die Gemeinde darauf, ein Minarett bauen zu dürfen. Sie sei immer wieder vertröstet worden. Nun sei es Zeit, den Plan umzusetzen. Wenn der Bauantrag genehmigt werde, soll es dieses Jahr losgehen. Zum Argument, die Lage in Gaza solle sich beruhigen, bevor das Minarett gebaut wird, sagt Kul: „Es gibt seit Jahren nicht den richtigen Zeitpunkt. Und es wird immer Krisen geben.“Das Projekt könne deshalb doch nicht immer wieder verschoben werden. Außerdem: „Wir sind keine Terrororganisation. Wir wollen nur unsere Religion ausüben.“Übrigens
ohne den täglichen Ruf des Muezzin vom Minarett aus, wie der Verein mitteilt. Was die Transparenz angeht: Jeder dürfe in die Moschee kommen und sich die Pläne erläutern lassen. „Wir haben nichts zu verheimlichen.“Auch einer gemeinsamen Infoveranstaltung des Vereins mit der Stadt wäre er aufgeschlossen gewesen. Doch bisher habe sich die Verwaltung nicht gemeldet. Und wenn der Verein selbst einlade, werde kaum jemand kommen, sagt Kul.
Spd-fraktionschef Matthias Ressler ist nicht überrascht, dass der Verein den Bauantrag eingereicht hat. Die Gemeinde wolle den Plan schon lange umsetzen. Es wäre aber schön gewesen, zuvor die Öffentlichkeit zu informieren,
sagt er und fügt hinzu: Je transparenter der Verein gehandelt hätte, desto mehr Vorbehalte hätte er auflösen können. Csufraktionschef Horst Holas sieht es genauso. Nun aber sei es so, als hätte es die Absprache im November zwischen Stadt und Verein nie gegeben. Damit habe die Gemeinde die Chance verspielt, über das Projekt aufzuklären. Viele Memminger hätten Fragen: Etwa, warum eine funktionierende islamische Gemeinde, die eine Moschee habe, ein Minarett benötige. In Gesprächen habe er den Eindruck gewonnen, dass viele gegen diesen Turm seien. Die CSU stehe dahinter, dass die türkische Gemeinde ihren Glauben leben kann. Aber ein Minarett brauche sie dafür nicht.