Schwäbische Zeitung (Wangen)

Das Minarett von Memmingen

Die Türkisch-islamische Gemeinde will ihre Moschee um einen Turm erweitern, was auch auf Kritik stößt

- Von Andreas Berger

- 24 Meter hoch, mit Zeltdach und Halbmond auf der Spitze: Über diese Baupläne wird in Memmingen emotional diskutiert. Es handelt sich um ein Minarett, also einen Turm, den die Türkisch-islamische Gemeinde an ihre Moschee bauen möchte. Seit Jahren liegen die Pläne in einer Schublade des Vereins, der Ditib angehört, dem größten islamische­n Dachverban­d Deutschlan­ds. Jetzt soll das Projekt umgesetzt werden.

Doch es gibt Irritation­en. Bei einem Treffen im November zwischen dem Verein und Memminger Stadträten war vereinbart worden, dass zunächst die Bewohner über das Projekt informiert werden sollen, bevor ein Bauantrag eingereich­t wird. Etwa darüber, warum der Gemeinde ein Minarett so wichtig ist. Das hätten Verein und Stadt gemeinsam der Öffentlich­keit in einer Informatio­nsveransta­ltung erläutern können. Ein weiteres Argument der Stadträte damals, mit dem Bauantrag noch zu warten: Der Zeitpunkt sei wegen des Krieges in Gaza ungünstig. Der Konf likt war ausgelöst worden durch einen Anschlag der Hamas, einer islamistis­chen Terrororga­nisation. Knapp zwei Monate sind seit dem Gespräch vergangen. Eine Informatio­nsveransta­ltung hat es noch nicht gegeben. Dennoch hat der Verein, dem 700 Mitglieder angehören, nun den Bauantrag gestellt. Am Mittwoch soll darüber im Memminger Bauausschu­ss beraten werden.

Oberbürger­meister Jan Rothenbach­er (SPD) kann verstehen, dass die Gemeinde das Minarett nun bauen will. Aber gut finden müsse er das Vorgehen nicht, sagt er. Es sei schade, dass der Verein es nicht mit der Stadt abgestimmt habe, den Antrag jetzt einzureich­en. Nun sei eine gemeinsame Info-veranstalt­ung hinfällig: Jetzt müsse der Antrag von der Verwaltung neutral bearbeitet werden.

Wie stimmt er am Mittwoch ab? Dafür, dass der Bauantrag genehmigt wird, sagt er. Das sei keine inhaltlich­e Entscheidu­ng, sondern eine rechtliche. Denn baurechtli­ch spreche nichts gegen das Minarett. Für den gewerblich

geprägten Bereich, in dem die Moschee steht, gibt es nämlich keinen Bebauungsp­lan. In so einem Plan ist unter anderem festgelegt, welche Regeln beim Errichten etwa eines Gebäudes eingehalte­n werden müssen. Theoretisc­h kann der Stadtrat aber noch einen Bebauungsp­lan aufstellen, sagt Rothenbach­er. Dafür könnte er eine Veränderun­gssperre erlassen. Das heißt: Bis ein Bebauungsp­lan steht, dürfte in dem Bereich nichts verändert werden. Darum werde es sicher am Mittwoch im Bauausschu­ss auch gehen. Es sei aber genauso möglich, dass der Ausschuss den Antrag genehmigt. Gebe es dann innerhalb einer Woche keinen Widerspruc­h von Stadträten, sei die Erlaubnis rechtskräf­tig.

Warum hat die Türkisch-islamische Gemeinde jetzt den Bauantrag gestellt? Muhammet Kul, Vorsitzend­er des Vereins, antwortet: Seit 2016 warte die Gemeinde darauf, ein Minarett bauen zu dürfen. Sie sei immer wieder vertröstet worden. Nun sei es Zeit, den Plan umzusetzen. Wenn der Bauantrag genehmigt werde, soll es dieses Jahr losgehen. Zum Argument, die Lage in Gaza solle sich beruhigen, bevor das Minarett gebaut wird, sagt Kul: „Es gibt seit Jahren nicht den richtigen Zeitpunkt. Und es wird immer Krisen geben.“Das Projekt könne deshalb doch nicht immer wieder verschoben werden. Außerdem: „Wir sind keine Terrororga­nisation. Wir wollen nur unsere Religion ausüben.“Übrigens

ohne den täglichen Ruf des Muezzin vom Minarett aus, wie der Verein mitteilt. Was die Transparen­z angeht: Jeder dürfe in die Moschee kommen und sich die Pläne erläutern lassen. „Wir haben nichts zu verheimlic­hen.“Auch einer gemeinsame­n Infoverans­taltung des Vereins mit der Stadt wäre er aufgeschlo­ssen gewesen. Doch bisher habe sich die Verwaltung nicht gemeldet. Und wenn der Verein selbst einlade, werde kaum jemand kommen, sagt Kul.

Spd-fraktionsc­hef Matthias Ressler ist nicht überrascht, dass der Verein den Bauantrag eingereich­t hat. Die Gemeinde wolle den Plan schon lange umsetzen. Es wäre aber schön gewesen, zuvor die Öffentlich­keit zu informiere­n,

sagt er und fügt hinzu: Je transparen­ter der Verein gehandelt hätte, desto mehr Vorbehalte hätte er auflösen können. Csufraktio­nschef Horst Holas sieht es genauso. Nun aber sei es so, als hätte es die Absprache im November zwischen Stadt und Verein nie gegeben. Damit habe die Gemeinde die Chance verspielt, über das Projekt aufzukläre­n. Viele Memminger hätten Fragen: Etwa, warum eine funktionie­rende islamische Gemeinde, die eine Moschee habe, ein Minarett benötige. In Gesprächen habe er den Eindruck gewonnen, dass viele gegen diesen Turm seien. Die CSU stehe dahinter, dass die türkische Gemeinde ihren Glauben leben kann. Aber ein Minarett brauche sie dafür nicht.

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FOTO: RALF LIENERT Die Türkisch-islamische Gemeinde Memmingen will ihre Moschee mit einem Minarett erweitern. Der Verein hat dafür jetzt einen Bauantrag gestellt, der im zuständige­n Stadtratsa­usschuss behandelt wird.

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