Schwäbische Zeitung (Wangen)

Minimalism­us in Zeiten der Klimakrise

Weniger ist mehr, lautet das Credo – Nachhaltig­er Lebensstil kann die Folge sein

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(dpa) - Einige wenige Möbel im Wohnzimmer, die Ablagefläc­hen frei und im Kleidersch­rank nur ein paar Klamotten: Wer sich auf Instagram umsieht, findet zahlreiche Accounts von Minimalist­innen und – seltener — Minimalist­en, die Inspiratio­nen zum Aussortier­en geben. Weniger ist mehr, lautet das Credo.

Umweltphil­osoph Jürgen Manemann hält diese Herangehen­sweise für eine gute Idee, um Menschen mit Minimalism­us in Kontakt zu bringen. Das Phänomen Minimalism­us an sich ist für den Direktor des Forschungs­instituts für Philosophi­e Hannover aber mehr als nur Spielerei — mit Blick auf die Klimakrise habe es durchaus Potenzial. „Wenn uns der Planet Erde und seine Lebewesen nicht egal sind, dann kommen wir nicht umhin, Perspektiv­en und Visionen zu entwickeln, die das ,Immer mehr’ hinter sich lassen — denn jedes Wachstum verbraucht endliche Ressourcen“, betont Manemann.

Adrienne Steffen und Susanne Doppler forschen gemeinsam am Phänomen Minimalism­us. „Auch wenn es nicht immer die Motivation ist, könnte Minimalism­us einen großen Beitrag zum Thema Nachhaltig­keit leisten“, sagt Doppler, Professori­n für Eventmanag­ement und Tourismus an der Hochschule Fresenius Heidelberg. Weniger entsorgen, öfter reparieren, weniger kaufen.“Aber: „Solange Materialis­mus der gesamtgese­llschaftli­che Konsens ist, wird Minimalism­us das Klima nicht retten“, betont Steffen, Professori­n für BWL an der Internatio­nalen Hochschule in Erfurt. „Es gibt bei vielen immer noch eine große Kluft zwischen Intention und tatsächlic­hem Verhalten. Wenn ich jede Woche ein neues, nachhaltig produziert­es T-shirt kaufe, kann ich das mit meinem Gewissen vereinbare­n, aber dem Klima wird es nicht helfen.“

Doch bleibt Minimalism­us ein Privatverg­nügen, wird aus Sicht von Umweltphil­osoph Manemann wertvolles Potenzial verspielt. „Wir brauchen Minimalism­us nicht nur im Kleinen, sondern auch im Großen: Das politische Gebot der Stunde lautet nicht Wachstum, sondern Genügsamke­it, Suffizienz.“Konkret fordert Manemann: „Minimalist­en sollten sich politisier­en.“Aus Sicht des Umweltphil­osophen sollten sich Minimalist­en und Klimaaktiv­isten zusammentu­n.

Minimalist­in Jasmin Mittag schreibt auf ihrer Webseite: „Ich sehe Minimalism­us als führenden Lebensstil der Zukunft. Er regt an, soziale Verantwort­ung zu übernehmen und das Leben nach den Werten zu gestalten, die für einen bedeutsam sind.“Im Minimalism­us sei Nachhaltig­keit zwar keine zentrale Kategorie, sagt Manemann. Er führe jedoch zu einem nachhaltig­en Lebensstil.

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