„Standhalten heißt nicht am Status Quo festzuhalten“
Ja - Wangen hat eine bemerkenswerte Stadtgeschichte. Dass diese Geschichte nicht nur in schriftlicher Form in irgendwelchen Büchern festgehalten wurde, sondern in ihrer einzigartigen Altstadt nach wie vor sicht- und erlebbar ist, ist nach all dieser Zeit und mehreren Krisen und Weltkriegen nicht selbstverständlich. Umso verständlicher ist daher, dass die Stadt Wangen sich über die zuletzt 2015 erneuerte Altstadtsatzung um den Erhalt der Altstadt in ihrer bisherigen Form bemüht.
In letzter Zeit erhalte ich allerdings den Eindruck, dass ein wesentlicher Punkt in Vergessenheit geraten ist, nämlich: Wer hält die Altstadt am Leben? Das sind keine Blumenkästen oder kunstvollen Stechschilder – das sind die Bewohner, Besucher und die Einzelhändler. Oder, um es mal zu veranschaulichen: Ist die Altstadt der Körper, sind die Menschen, die dort täglich verkehren, das Blut und das Herz. Das eine funktioniert nicht ohne das andere, und doch hat die Stadt in letzter Zeit Entscheidungen getroffen, die – um bei dem Bild zu bleiben – den einen oder anderen Herzstolperer verursacht haben.
Ich zolle der Stadt höchsten Respekt für die Leistung, 1200 Jahre Stadtgeschichte am Leben gehalten zu haben. Daher gehe ich davon aus, dass zumindest den (Stadt-)historikern eine Tatsache nicht entgangen sein dürfte: Entwicklungen lassen sich nicht aufhalten. Ich denke es steht außer Frage, dass die Dichte an Neuerungen in den letzten 100 Jahren enorm zugenommen hat. Und diesen Neuerungen und Entwicklungen gilt es, standzuhalten. Standhalten sollte allerdings nicht bedeuten, mit aller Kraft am Status quo festzuhalten, sondern, sich auf die Veränderungen einzulassen und Konzepte zu entwickeln, Alt(bewährtes) mit Neuem zu vereinbaren.
Damit dies gelingt, bedarf es der Bereitschaft, „alte" Konzepte neu zu überdenken (in diesem Fall die Altstadtsatzung) und zweitens der Kommunikation zwischen allen Beteiligten, also Stadt, Altstadtbewohner, Besucher und nicht zuletzt der Einzelhändler. Digitale Schaufenster auf Grundlage einer Satzung kategorisch zu verbieten, während das Land diese Formen der Digitalisierung sogar fördert, oder, die Herrenstraße in Anbetracht der heißeren Sommermonate nicht mit mehr Grün und Bäumen zu bestücken, weil der Winterdienst sonst Schwierigkeiten bekäme, erscheint mir persönlich gelinde gesagt etwas verwirrend.
Ich würde mir daher eine engere Zusammenarbeit und mehr Kommunikation zwischen o. a. Beteiligten sehr wünschen. Denn was wäre ein schöner Körper ohne ein Herz?