Schwäbische Zeitung (Wangen)

Netanjahu fordert Aus für Un-palästinen­serhilfswe­rk

Gespräche über eine mögliche Feuerpause – Humanitäre Katastroph­e im Gazastreif­en weitet sich aus

- Von Adel Zaanou und Rosie Scamell

(AFP) - Nach schweren Vorwürfen gegen das Un-palästinen­serhilfswe­rk UNRWA hat Israels Regierungs­chef Benjamin Netanjahu eine Neuordnung der Hilfen im Gazastreif­en gefordert. Das UNRWA sei „komplett von der Hamas infiltrier­t“und müsse von anderen Un-organisati­onen ersetzt werden, sagte Netanjahu. Derweil wurde Hamas-chef Ismail Hanija am Donnerstag oder Freitag in Ägypten zu Gesprächen über eine mögliche Feuerpause erwartet. Die Kämpfe in dem Palästinen­sergebiet konzentrie­rten sich unterdesse­n in der Nacht vor allem auf die südlich gelegene Stadt Chan Junis.

Netanjahu zufolge „diente“die Infrastruk­tur des UNRWA mit ihren Schulen und anderen Einrichtun­gen der radikalisl­amischen Hamas. Es brauche im Gazastreif­en auch weiterhin eine Organisati­on für unabhängig­e Hilfe, „aber UNRWA ist nicht diese Organisati­on“, sagte Netanjahu am Mittwochab­end.

Zwölf Mitarbeite­r des Un-palästinen­serhilfswe­rks stehen im Verdacht, in den beispiello­sen Angriff der radikalisl­amischen Palästinen­serorganis­ation Hamas auf Israel am 7. Oktober verstrickt gewesen zu sein. Einige von ihnen wurden Un-angaben zufolge inzwischen entlassen.

Nach Bekanntwer­den der Anschuldig­ungen stoppten zahlreiche Länder, darunter Deutschlan­d und die USA, ihre Zahlungen an das Hilfswerk.

Das „Wall Street Journal“hatte unter Berufung auf ein israelisch­es Geheimdien­stdokument berichtet, rund zehn Prozent aller Mitarbeite­r des UNRWA im Gazastreif­en hätten Verbindung­en zur Hamas oder zum Islamische­n Dschihad.

Während die Versorgung der Menschen im Gazastreif­en immer weiter unter Druck gerät, gingen die seit fast vier Monaten andauernde­n Kämpfe in der Nacht zum Donnerstag weiter. Nach Un-angaben und Augenzeuge­nberichten konzentrie­rten sich die Gefechte vor allem auf die im Süden gelegene Stadt Chan Junis, in der sich nach israelisch­en Angaben hochrangig­e Anführer der Hamas versteckt halten.

Zeugen berichtete­n von israelisch­en Angriffen nahe des Nasserkran­kenhauses. Die israelisch­e Armee hatte in den vergangene­n Tagen mitgeteilt, Chan Junis umzingelt und Stellungen der Hamas im Osten der Stadt zerschlage­n zu haben. Nach ihren Angaben konzentrie­ren sich die Kämpfe nun auf den westlichen Teil. Die von der Hamas kontrollie­rte Gesundheit­sbehörde meldete für den Zeitraum zwischen Mittwochab­end und Donnerstag­morgen mindestens 119 Tote im Gazastreif­en.

Die Vereinten Nationen berichtete­n ihrerseits ebenfalls von „intensiven Bombardier­ungen“im gesamten Gazastreif­en, insbesonde­re in Chan Junis. Demnach hätten 184.000 Palästinen­ser humanitäre Hilfe beantragt, nachdem sie gezwungen waren, ihre Häuser und Wohnungen in der Stadt zu verlassen.

Was gerade passiere, gleiche einem „Massaker“, sagte der Einsatzlei­ter der Organisati­on Ärzte ohne Grenzen, Léo Cans, der Nachrichte­nagentur AFP. Er forderte einen „sofortigen und vollständi­gen Waffenstil­lstand“.

Einem Vertreter der Weltgesund­heitsorgan­isation (WHO) zufolge befinden sich die Menschen im Gazastreif­en „am Rande des Abgrunds“und sterben vor allem an Hunger. Laut einem Un-bericht wurden durch den Krieg etwa die Hälfte aller Häuser beschädigt oder zerstört, das Gebiet ist demnach praktisch „unbewohnba­r“.

Der Gaza-krieg war am 7. Oktober durch den Überfall der von den USA und der EU als Terrororga­nisation eingestuft­en Hamas auf Israel ausgelöst worden. Israelisch­en Angaben zufolge wurden dabei 1140 Menschen getötet und rund 250 weitere als Geiseln verschlepp­t.

Israel geht seither massiv militärisc­h im Gazastreif­en vor, erklärtes Ziel ist die Zerstörung der Hamas. Nach jüngsten Angaben des von der Hamas kontrollie­rten Gesundheit­sministeri­ums, die nicht unabhängig überprüft werden können, wurden seit Kriegsbegi­nn mehr als 27.000 Menschen im Gazastreif­en getötet.

Nachdem am vergangene­n Wochenende Vertreter aus den USA, Israel, Katar und Ägypten in Paris über eine erneute mögliche Feuerpause verhandelt hatten, wurde Hamas-chef Hanija am Donnerstag oder Freitag zu Gesprächen in Kairo erwartet.

Aus Kreisen der Palästinen­serorganis­ation hieß es, die Hamas prüfe einen Vorschlag für eine Kampfpause, der die Freilassun­g von 200 bis 300 palästinen­sischen Gefangenen im Austausch für 35 bis 40 im Gazastreif­en festgehalt­ene Geiseln enthalte. Zudem sollen täglich 200 bis 300 Lastwagen mit Nothilfe in den Gazastreif­en gelassen werden.

Derzeit macht die Hamas einen vollständi­gen Waffenstil­lstand zur Bedingung für weitere Vereinbaru­ngen, während die israelisch­e Regierung von einer Waffenruhe spricht, nicht aber von einem Ende ihres Einsatzes im Gazastreif­en. „Wir arbeiten an einer weiteren Vereinbaru­ng zur Freilassun­g unserer Geiseln, aber nicht um jeden Preis“, erklärte Israels Regierungs­chef Netanjahu am Mittwoch. Ein Abzug der israelisch­en Streitkräf­te kommt für ihn demnach nicht infrage.

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FOTO: GEHAD HAMDY/AFP Ein Tankwagen des Hilfswerks der Vereinten Nationen für Palästina-flüchtling­e im Nahen Osten (UNRWA) am Grenzüberg­ang Rafah: Der Transport soll in die palästinen­sischen Gebiete gefahren werden..

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