Nicht im Stich lassen
Mit einem Wunder sind die Nächte kurz. Wer schon einmal eines im Arm gehalten hat, kann davon erzählen. Der erste Blick.
Ein Kuss. Dazu das Versprechen: Ich sorge mich und lass dich nicht im Stich. Das ist wunderbar und wunderbar anstrengend. Ob es zum Wunder taugt, erweist sich mit der Zeit. Der Anfang genügt nicht. Es zählt der Weg. Von einem dieser Wege, die Eltern mit ihrem Kind gehen, erzählt das Lukas-evangelium. Maria und Josef bringen ihr Baby in den Tempel. Sie öffnen ihm die Tür zur Welt. Dort erwarten sie Hanna und Simeon. Ohne Hoffnung möchten die beiden nicht sterben. Und sie sehen im kleinen Kind ein Wunder, Licht für ihre Welt. Es ist eines der ältesten Christusfeste, das die Kirche feiert: Maria Lichtmess, oder Darstellung des Herrn.
Was ist das Wunder ? Keine großen Zeichen, sondern ein Kind, das später die Machtlogik der Welt auf den Kopf stellt. Wundervoll ist, wie er Menschen berührt, segnet, bestärkt. Eltern kennen das, zumindest kennen sie die Sehnsucht danach: Dass ihr Kind in einer guten, heilen, friedvollen Welt aufwachsen kann. Eltern und Kinder erleben zum Glück immer wieder diese Wunder, die Hilde Domin einmal so beschrieben hat: „Das Wunder besteht für mich darin, nicht im Stich zu lassen. Sich nicht und andere nicht. Und nicht im Stich gelassen zu werden.“Eine „Mindestutopie“sei das, ohne die es sich nicht lohne, Mensch zu sein.
Es gibt Gottseidank Menschen, die das möglich machen. Nicht im Stich lassen, niemandem das Lebensrecht absprechen, nie. Deshalb stehen gerade viele auf und stehen viele hin. Auch die, die an die Liebesgeschichte Gottes mit seiner Welt glauben. In seinem Namen handeln, heißt solidarisch handeln. Ich weiß natürlich: nicht alles für alle liegt in meiner Hand. Manchmal sind meine Hände zu kurz. Aber für den Menschen neben mir, vor allem für die Kleinen, hab ich es in der Hand. Mit Worten von Hilde Domin: „Nicht müde werden; sondern dem Wunder leise wie einem Vogel die Hand hinhalten.“