Schwäbische Zeitung (Wangen)

Tausende waren auf der Straße – und nun?

Allgäuer Veranstalt­er sind zufrieden mit den Protesten gegen Rechts – Aus Sicht der Organisato­ren darf das Engagement aber nicht aufhören

- Von Andreas Berger und Felix Futschik

- Sie stehen auf den Marktplätz­en und Straßen in der Region und machen sich für Demokratie und Menschenre­chte stark: Tausende Demonstran­ten waren dem Aufruf verschiede­ner Organisato­ren gefolgt und haben sich am Wochenende wieder versammelt. In Memmingen zum Beispiel protestier­ten am Samstag nach Schätzunge­n der Polizei 3300 Menschen. Mitorganis­ator Felix Schachenma­yr sagt: „Ich kann mich nicht erinnern, dass so viele Menschen in den vergangene­n zehn oder 15 Jahren hier auf der Straße waren.“In Lindenberg im Westallgäu, einer Stadt mit 11.700 Einwohnern, versammelt­en sich laut Polizei 2000 Menschen – mit 250 hatten die Veranstalt­er gerechnet. Nun stellt sich die Frage: Wie geht es mit den Demos weiter?

Student Schachenma­yr (23) ist zufrieden mit dem Protest in seiner Heimatstad­t Memmingen: „Ich bin sehr überwältig­t, wir haben es hinbekomme­n, eine große Bandbreite auf die Straße zu bekommen.“Es sei ihm ein Anliegen

gewesen, die Demos aus den größeren Städten auch ins Allgäu zu bringen. Nun will man die Gunst der Stunde nutzen: „Etwa 70 Menschen haben sich vernetzt, die Lust haben, auch weiterhin tätig zu sein.“Ein konkretes Datum gebe es noch nicht, vorstellba­r sei aber ein größeres „Fest der Demokratie“.

In erster Linie hätten die Menschen nun ein Zeichen gesetzt.

Aus seiner Sicht leiten sich aus den Protesten auch Forderunge­n ab. Er spricht die Diskussion rund um ein Verbotsver­fahren für die AFD und zivilgesel­lschaftlic­hes Engagement an. „Es gibt eine Ausdrucksw­eise,

die wir nicht tolerieren“, sagt der 23-Jährige und meint damit die Sprache aus dem rechten Lager, die teilweise von den etablierte­n Parteien übernommen werde. Bei der es aber weniger um Fakten gehe. Als Beispiel spricht er die Aussage des Cdu-vorsitzend­en Friedrich Merz an, abgelehnte Asylbewerb­er würden kostenlose Zahnsanier­ungen erhalten.

Aus 250 wurden 2000: „Ich war total glücklich und überrascht, dass sich auch in Lindenberg so viele Menschen gefunden haben“, sagt Auszubilde­nder Vincent Riedesser (18). Er hatte fürs Wochenende die Demo gegen Rechts mit Freunden organisier­t. Zwar plane er derzeit keine weitere Aktion. Dennoch höre das Engagement, sich gegen Rechts stark zu machen, nicht auf. Das erste Ziel der Demo sei gewesen, Menschen auf die Gefahr von Rechts aufmerksam zu machen. Nun sei es genauso wichtig, im eigenen Umfeld den Dialog zu suchen. Also die Menschen darüber aufzukläre­n, dass sich menschenve­rachtende und nationalis­tische Kräfte bereits ihren Weg zurück in die Gesellscha­ft gebahnt hätten. Und andere, die vielleicht schon im Sog dieser Bewegung stecken, wieder zurück in die Mitte zu holen. Auf vernünftig­e, friedliche Weise, mit guten Argumenten. Oft ebben gesellscha­ftliche Bewegungen nach Monaten wieder ab.

Das Problem, das Menschen auf die Straßen getrieben hat, gerät in den Hintergrun­d. Wird das hier auch passieren? „Ich habe die große Hoffnung, dass sich die Bewegung länger halten wird. Oft werden die Leute irgendwann müde, dann f lacht es ab. Es ist die Aufgabe von uns allen, dran zu bleiben“, sagt der 18-Jährige.

Die Polizei spricht von friedliche­n Demos im Allgäu. Diese werden vorher angemeldet und mit den Sicherheit­sbehörden besprochen. Dabei geht es dann zum Beispiel um Demonstrat­ionszüge durch die Innenstädt­e, erläutert Sprecher Sebastian Nienkemper. Das Versammlun­gsrecht sei ein hohes Gut, das stehe jedem zu. Die Polizei verhalte sich dabei neutral: „Wir bewerten die Inhalte nicht.“Politiker, wie zum Beispiel Freie-wähler-chef

Hubert Aiwanger, warnten rund um die Proteste vor einer Unterwande­rung durch Linksextre­me. Bezogen auf Demos im Allgäu liegen der Polizeipre­ssestelle dazu keine Erkenntnis­se vor: „Das ist kein Thema.“

Eine weitere Protest-veranstalt­ung gegen Rechts findet in der Region statt: Die Aktionsgru­ppe Kempten organisier­t sie für Samstag, 3. Februar. „Unsere Kundgebung richtet sich nicht nur an die Politik, sondern auch an die Einwohneri­nnen und Einwohner der Stadt. Wir hoffen, durch die Demonstrat­ion Bewusstsei­n zu schaffen und gemeinsam für eine offene Gesellscha­ft einzutrete­n“, sagt Sophie Wirth-klauser (31) von der Aktionsgru­ppe. Hat die Gesellscha­ft zu spät gegen rechte Tendenzen reagiert? „Es ist nie zu spät, um laut zu werden.“Und neben dem Protest auf der Straße seien Prävention, Bildung und Dialog entscheide­nde Elemente gegen rechtsextr­eme Tendenzen. „Politische Maßnahmen und aktives Engagement der Gesellscha­ft sind unerlässli­ch.“Treffpunkt: Samstag, 14.30 Uhr, St. Mangplatz.

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FOTO: THOMAS FREY/DPA Tausende hat der Protest auf die Straße getrieben.

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