Das bewegt die Teilnehmer der Demo
Warum strömen 2500 Menschen zur Kundgebung auf den Wangener Marktplatz?
- Mit 400 Teilnehmern hatten die Organisatoren der Kundgebung „Für Demokratie und Menschenrechte“gerechnet. Gekommen sind am Samstagnachmittag sechsmal so viele. Doch was sind ihre Gründe, ihr Antrieb – und was nehmen sie für sich und ihren Alltag mit nach Hause? Susi Weber hat sich bei den Menschen auf dem Marktplatz umgehört.
Antonio Dalumpines (Fotos: swe), Wangen, 60 Jahre: „Toleranz, Akzeptanz – davon hört man seit langem. Ich bin für die Bedenken, die Angst anderer hier, die bei uns Schutz suchen und keine Möglichkeit haben, zurückzukehren. Ich stehe für keine Partei, sondern für die Menschlichkeit. Ich denke auch an meine Kinder, denen man ansieht, dass sie nicht weißhäutig sind. Eine Tochter ist in Berlin, die andere in Irland. Sie geben meiner Frau und mir den Vergleich, erzählen von den spürbaren Stimmungen. Dabei sollten Hautfarbe und Herkunft keine Rolle spielen. Mensch ist Mensch. Es gibt kein katholisches, muslimisches oder anderes Blut. Es gibt nur menschliches Blut.“
Yana Lorenz, Tettnang, 40 Jahre: „Wäre die Gesellschaft ein Haus, könnte man auch nicht sagen: Dieser oder jener Stein gefällt mir nicht, den reiße ich raus. Dann stürzt alles ein. Wir brauchen die Menschen hier – und eine Gesellschaft, die sich bemüht. Es ist schön zu sehen, dass man hier nicht allein steht und so viele gekommen sind. Ich nehme von hier die Zuversicht mit, dass es Menschen gibt, denen das Land am Herzen liegt. Für mich nehme ich den Mut mit, wieder auf solche Demos zu gehen, es in den nächsten Wochen wieder zu tun. Wieder und wieder und wieder.“
Theo Keller, Wangen, 67 Jahre: „Ich bin mit meiner Familie mitgegangen, um der Demokratie eine Stimme zu geben, ein Votum für unseren Staat, für Engagement. Man kann nicht immer nur dagegen sein, ich bin dafür – und fürs Anpacken. Großveranstaltungen wie die Kundgebung
heute haben einen so aufmunternden Charakter. Man ist nicht allein mit seiner Meinung. Es sind so viele. Und es ist schön, dass es so viele sind, die rauskommen und sich zeigen. Ich war bisher erst zwei Mal auf einer Demo, das ist aber schon lange her. Heute ist mein drittes Mal und erstmals in Wangen – obwohl ich hier seit mehr als 20 Jahren lebe.“
Pirmin Burth, Wangen, 36 Jahre: „Flagge zeigen, wofür man steht, ist mir wichtig. Es ist nicht mein Ding, zu poltern, immer dagegen zu sein, statt konstruktiv etwas zu erarbeiten und voranzubringen. Ich stehe auch für meine Kinder und ihre Zukunft, für eine friedliche und demokratische Zukunft. Beruflich habe ich mir eine gewisse Barriere aufgebaut, auch schon während der Pandemie. Wenn aber jemand wirklich hasserfüllte Parolen von sich gibt, sage ich etwas. Auch wenn es oft nichts bringt – ich will mich nicht verschließen. Ziemlich beeindruckt bin ich von dieser gigantischen Kulisse. So viele Leute sind schon
seit ewiger Zeit nicht mehr auf dem Marktplatz gewesen. Ich sehe, dass sich viele Menschen für die Werte, die unsere Gesellschaft prägen, einsetzen.“
Hildegard Pfau, Wangen, 66 Jahre: „Als Theologin und Historikerin muss man hier voller Überzeugung dabei sein. Mit dem Nationalsozialismus und damit, wohin der Weg führen kann, habe ich mich immer schon beschäftigt – und dies an Kinder, Bekannte, Freunde weitergegeben. Es macht schon Hoffnung, dass man nicht in einem depressiven Loch ist und hier unter vielen steht. Wichtig ist mir das, was unser Landrat sagte: Demokratie ist keine Selbstverständlichkeit. Man muss für sie kämpfen. Letztmals demonstriert habe ich übrigens Anfang der 80er-jahre.“
Mia Auerswald, Wangen, 16 Jahre: „Ich finde, dass man aufstehen muss gegen rechts. Das hat damals genau so angefangen. Außerdem demonstriere ich dagegen, dass andere Menschen ausgegrenzt werden. Ich bin mit meinen Eltern
und meiner Schwester da. Es ist meine erste Demo. In Sachen Bekämpfung des Alltagsrassismus, den ich nicht okay finde, bin ich schon bislang die politisch Korrekte, sage schon bisher häuf iger nein. Die Masse hier bestärkt mich, man ist zusammen hier, steht gemeinsam auf. Das ist ein gutes Gefühl. Toll, dass es diese Leute gibt, die dagegenstehen – und dass es so viele sind. Man kann es also schaffen!“
Ulrike Leonhardt, Wangen, 52 Jahre: „Ich meine, dass die große Mehrheit eine demokratische Gesinnung hat und dies bisher viel zu wenig rüberkommt. Daher bin ich froh, dass diese Demos in diesen Tagen zeigen, wie viele Menschen Demokraten sind. Mir ist wichtig, dass das erhalten bleibt. Demokratie ist keine Selbstverständlichkeit. Ich glaube schon, dass die Kundgebung dem Einzelnen den Rücken stärkt, um sich im Alltag für Demokratie und Menschenrechte einzusetzen. Bisher war die Mehrheit viel zu leise. Ich fand auch die Redner sehr gut – und auch den Aufruf in Sachen Wahlen und sich wählen zu lassen wichtig. Man sieht doch mit dem Brexit in Großbritannien, was passiert, wenn die schweigende Mehrheit nicht an die Wahlurne geht.“