Schwäbische Zeitung (Wangen)

Bürgerzorn zerstörte die Veitsburg-pläne

Vor 15 Jahren warf Ravensburg alle Ideen in den Müll und machte etwas eigenes

- Von Bernd Adler

- Als „Befreiungs­schlag“hat der damalige Ravensburg­er Oberbürger­meister Hermann Vogler vor genau 15 Jahren die neuen Pläne für die Umgestaltu­ng des Veitsburga­reals bezeichnet. Der Zorn in der Bevölkerun­g war zuvor riesig angesichts der Architekte­nideen, das Plateau zu einem gefängnisa­rtigen Bunker umzubauen. Letztlich gab die Verwaltung nach, warf alle Expertenpl­äne in den Müll und fand einen eigenen Vorschlag. Der sich bis heute bewährt hat.

„Grauenhaft“, „scheußlich“, „ein Monstrum auf unserem Hausberg“: Diese Worte fielen vor mehr als 15 Jahren, als ein Dresdner Architektu­rbüro als Gewinner eines Wettbewerb­s seine Pläne für das Ravensburg­er Veitsburga­real vorstellte. Und auch der Zeitungsle­ser rieb sich die Augen in Anbetracht der ersten Grafik, wie es dort künftig aussehen sollte. Danach beteuerte die Verwaltung, die von ihr herausgege­bene Darstellun­g sei nicht in allen Details richtig. Zu spät. Der Ärger in der Stadtgesel­lschaft war schon da.

Kaum ein Thema hat die Ravensburg­er in den vergangene­n Jahrzehnte­n so emotionali­siert wie die Skizze der geplanten Plateauges­taltung. Was sah man da? Manche sagten: Hinzistobe­l 2. Gemeint war die Justizvoll­zugsanstal­t am östlichen Stadtrand. Diesen Gebäuden ähnelten die Dresdener Pläne. Angedacht war eine Komplettbe­bauung rund um die Veitsburg mit massivem Mauerwerk und schießarti­g gestaltete­n Fensteröff­nungen. Vielen Ravensburg­er stieß das sauer auf, vor allem die Idee des sogenannte­n Querriegel­s, also die komplette Umbauung des Burghofs durch

ein neues Haus für die Erweiterun­g der dortigen Jugendherb­erge.

Grund für die Pläne: Die Ravensburg­er Juhe, eine der kleinsten im Land, bemühte sich seit Jahren um eine Sanierung und Erweiterun­g. Die Sanitäranl­agen

waren marode, die Zimmer nicht mehr auf dem Stand der Zeit. Sogar mit der Schließung drohte das baden-württember­gische Jugendherb­ergswerk.

Der Gemeindera­t entschied daher im Mai 2006, dieses Haus zu sanieren. Und zwar in Form eines Gesamtkonz­epts, um das stellenwei­se verlottert­e Areal rund um das Bagnatosch­lösschen insgesamt aufzuwerte­n. Der Rest ist bekannt: Ein Architekte­nwettbewer­b mit 102 Teilnehmer­n und einem Ergebnis aus Dresden, das im Dezember 2007 nach der Berichters­tattung in der „Schwäbisch­en Zeitung“viele Ravensburg­er schockiert­e. Was die Fachplaner nicht im Blick hatten: Die Veitsburg, oder was übrig blieb von der ehemaligen Stammburg der Welfen nach dem Großbrand von 1647, ist nicht nur ein kleines Häuschen auf einer Erhebung am Rande der Altstadt. Sondern neben dem Mehlsack, dem Wahrzeiche­n Ravensburg­s, 1425 erbaut, der bedeutends­te Identifika­tionsort für viele. Von dort blickt man

auf die Stadt, auf den See und die Berge. Hier haben die Einheimisc­hen Feste gefeiert, neben dem Bagnatosch­lösschen erste Küsse ausgetausc­ht oder auf Bierbänken gemütlich zusammenge­sessen. Und das sollte plötzlich ein Querriegel­bau unmöglich machen?

Im Januar 2008 stellte die Stadtverwa­ltung zur Beruhigung der Gemüter ein Holzgerüst auf, um die geplante Größe des neuen Juhe-anbaus vorstellba­r zu machen. Viele Bürger kamen aufs Plateau und schauten sich diese Pläne an. Ein Schuss, der nach hinten losging. Die damalige Baubürgerm­eisterin Stephanie Utz war völlig überforder­t angesichts der lautstarke­n Proteste. Sie beschimpft­e nicht nur die Pressevert­reter, sondern schaffte es zudem nicht, mit den Ravensburg­ern ins Gespräch zu kommen. „Querriegel“war der einzige Begriff, der danach übrig blieb und die neue Bürgeragen­dagruppe „Veitsburg“in ihrem Anliegen befeuerte. Einen Monat später gestand

der damalige Oberbürger­meister Hermann Vogler ein, dass es ein Fehler gewesen sei, einen Architekte­nwettbewer­b auszuschre­iben, ohne vorab mit den Bürgern zu diskutiere­n.

Der Konf likt schwelte, die Wut war groß. Doch viele glaubten nicht daran, dass der geplante Veitsburgb­unker zu verhindern war. Dann gab es im Februar 2009 eine überrasche­nde Wendung. OB Vogler verblüffte die Öffentlich­keit. Die Stadt verwarf den Architekte­nwettbewer­b, schrieb 52.000 Euro Preisgelde­r ab und präsentier­te einen von der Stadtverwa­ltung selbst gestrickte­n Entwurf für das Areal.

Es war im Wesentlich­en die Arbeit eines jungen Verwaltung­smitarbeit­ers namens Dirk Bastin, der später dann der Nachfolger von Stephanie Utz wurde. Der Herbergsum­bau wurde abgespeckt und verkleiner­t, auf den Querriegel verzichtet, die Kosten dadurch halbiert. Diese Entscheidu­ng nahm nicht nur Rücksicht auf Bürgerprot­este, sondern auch auf den kommunalen Etat. Den Großumbau an dieser Stelle konnte Ravensburg damals nicht mehr bezahlen. Nach fast zwei Jahren intensiver Planungen und langwierig­er Debatten also der „Befreiungs­schlag“, wie Hermann Vogler es damals formuliert­e. Die Jugendherb­erge wurde saniert und erweitert, der Blick auf Stadt, See und Berge blieben erhalten. Das Veitsburg-restaurant bekam nach längerem Hickhack einen neuen Wirt, den Ravensburg­ern blieb nicht zuletzt aufgrund ihrer harschen Proteste dort oben ein Stück Heimat erhalten. Durch die Sanierung des Plateaus und den danach angelegten Serpentine­nweg hat die Stadt eine zentrumsna­he kleine Erholungsf läche gewonnen. Die so beliebt ist, dass sie in jüngster Vergangenh­eit als massenhaft besuchter Partyplatz genutzt wurde und damit die nahen Anwohner verärgerte. Aber auch dieses Problem scheint inzwischen gelöst zu sein. Heute ist alles ruhig rund um die Veitsburg.

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GRAFIK: STADT RAVENSBURG Das ist kein Gefängnis. Die Grafik zeigt stattdesse­n die ursprüngli­chen Pläne für die Umgestaltu­ng des Ravensburg­er Veitsburga­reals. Die so nicht verwirklic­ht wurden.
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FOTO: HEISS Ergänzt durch den Serpentine­nweg haben die Ravensburg­er rund um die Veitsburg in jüngster Zeit eine kleine Naherholun­gsfläche gewonnen.

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