Der Biber sorgt für immer größere Schäden
Streng geschützter Baumeister sorgt in der Region für überschwemmte Wiesen und Wälder
- Schon zum zweiten Mal innerhalb weniger Tage steht Christoph Mozer, Biotopverbundmanager in Kißlegg, am Krebsbach und blickt auf eine in der Wintersonne fast schon idyllisch anmutende Wasserf läche. Einmal mehr wurde er alarmiert durch benachbarte Bauern und den Waldbesitzer. Bei den Landwirten funktioniert die Drainage ihrer Wiesen nicht mehr, beim Forstbesitzer stehen mittlerweile etwa zwei Hektar Waldgebiet unter Wasser – nicht mehr nutzbar. Und schuld ist der Biber.
Am Krebsbach bei Kißlegg und mittlerweile an vielen Stellen im Landkreis Ravensburg bauen Biber die Landschaft um. In diesem Fall haben die Nager ein Abf lussrohr nahezu komplett verschlossen. Biber-dämme tun ein Übriges, um für eine Art Stausee mitten in der Natur zu sorgen. Außerdem liegt eine der Krumbachquellen in unmittelbarer Nähe. Wird sie überschwemmt, ist die Mineralwasserproduktion durch Keime gefährdet.
„Hier muss man dringend etwas tun“, sagt Bertrand Schmidt. Der Biberverantwortliche aus dem Landratsamt, macht sich nach dem Hilferuf von Christoph Mozer gemeinsam mit dem ehrenamtlichen Biberberater Erhard Bolender am „Tatort“ein Bild von den Schäden. Mitunter sei zweimal die Woche ein Bagger an der Stelle, um das Rohr freizuräumen und Dämme abzusenken, so Mozer. Doch die f leißigen Tiere legen immer wieder nach. Jetzt haben die Verantwortlichen beschlossen, einen zusätzlichen Abf luss sowie Stahlmatten anzubringen, damit das Rohr erst gar nicht mehr verstopft werden kann.
Die Biber verfügen im Landkreis inzwischen über rund 400 Reviere. „Sie sind in all unseren Gewässern zu finden“, weiß Erhard Bolender. Schätzungsweise leben rund 1800 Biber im Kreis. Und sie verursachen mehr und
mehr Schäden und damit immer höhere Kosten. „Das geht mittlerweile in die Tausende“, beklagt etwa Ines Nadig, Nebenerwerbslandwirtin im Amtzeller Weiler Karbach. Ihre an den Karbach angrenzenden Wiesen könne sie nicht mehr bewirtschaften, da sie vom Biber stark unterhöhlt wurden. Da sei die Gefahr zu groß, dass sie mit dem Traktor einsinke. Die Biber fällen außerdem Bäume aus ihrem angrenzenden Wald, und so rutsche immer mehr des Grundstücks ab. „Ein großer wirtschaftlicher Schaden“, so Nadig.
Noch umfangreicher sind die Schäden durch Biber inzwischen am Karsee. Dort musste jetzt der Rundweg um das Gewässer gesperrt werden, weil die Sicherheit für Fußgänger nicht mehr gewährleist werden kann. Angrenzende Grundstücke drohen zudem andauernd überschwemmt zu werden, sodass der Wangener Bauhof mittlerweile wöchentlich ausrückt, um die Dämme der tierischen Baumeister abzusenken und den Wasserstand im See im Rahmen zu halten.
„Wir befestigen den Weg jetzt so, dass er wieder begehbar ist, aber wir brauchen eine langfristige Lösung“, sagt Ortsvorsteherin Kornelia Keller. Auch in Karsee war Bertrand Schmidt vom Landratsamt schon mehrfach, um weitere Maßnahmen zu besprechen. Er hat beispielsweise einen Holzbohlenweg zum See vorgeschlagen, der nicht mehr unterhöhlt werden könnte. „Da brauchen wir zunächst aber ein Treffen aller Beteiligter, um zu klären, wer welchen Teil der Kosten übernimmt“, so Keller.
Und das sind nur einige Fälle im Großraum Wangen, die die Biberverantwortlichen erreichen. „Mehr als 50 Prozent meiner Arbeitszeit widme ich mich mittlerweile den Problemen mit dem Biber im Kreis“, erzählt Bertrand Schmidt, selbst Biologe. Auch Erhard Bolender berichtet, dass er als ehrenamtlicher Biberberater mindestens „zweimal pro Woche“
zu einem Fall gerufen werde. „Und wir tun wirklich so viel wie möglich, um Lösungen mit den Grundstückseigentümern zu finden.“
Doch der Biber ist durch Euund Bundesvorschriften streng geschützt und darf daher bisher weder gestört noch getötet werden. „Eigentlich ist das ja eine Erfolgsgeschichte“, so Bertrand Schmidt. Denn der Biber sei in Deutschland fast ausgestorben gewesen und jetzt „ist er wieder da“. Für ihn ein Hinweis, dass Artenschutz etwas bewirken könne. „Biber sorgen für die Wiedervernässung von Flächen und das brauchen wir eigentlich auch, um die Artenvielfalt insgesamt zu fördern“, fügt Bolender hinzu.
Große Summen zur Schadensbegrenzung kann der Bibermanager des Landratsamts aber bisher nicht anbieten. Ihm stehen für Schutzmaßnahmen nur etwa 20.000 Euro im Jahr zur Verfügung. Das Geld gibt er beispielsweise aus für zusätzliche Rohre wie am Krebsbach, für Stahlmatten, die das Untergraben von Wegen oder Wiesen verhindern, für Drahthosen, um Laub- und Obstbäume vor Biberfraß zu schützen, oder für Elektrozäune für Maisfelder oder die genehmigte Entfernung störender Dämme. Für die allermeisten Gewässer sind allerdings die Gemeinden selbst zuständig, auch dort summieren sich mittlerweile die Kosten für die Schadensbegrenzung.
„Wir könnten inzwischen an einem Wendepunkt im Bibermanagement sein“, sagt Bertrand Schmidt. Und spielt damit auf ein Pilotprojekt an, das bis Ende 2023 auch im Landkreis Ravensburg lief. „Im Rahmen des Modellprojekts wurden das Verfahren sowie die Rahmenbedingungen, Notwendigkeiten und Durchführungsoptionen einer möglichen letalen Entnahme bis zur Entscheidungsreife erarbeitet“, heißt es dazu aus dem badenwürttembergischen Umweltministerium.
Die Erkenntnisse sollen demnächst in das landesweite Bibermanagement integriert werden. Was bedeuten könnte, dass Baden-württemberg dem Vorbild Bayerns folgt und in Ausnahmefällen und nur nach Genehmigung Biber getötet werden können. Bayern lässt dies zur Abwehr erheblicher wirtschaftlicher Schäden oder bei Gefährdung der öffentlichen Sicherheit (Straßenüberschwemmungen, Klärwerke betroffen) zu. Und der Nachbar zahlt Entschädigungen.