Leutkircher Bürger stellen kritische Fragen
Unmut über schleppenden Fortgang beim Brückenbauprojekt in Lanzenhofen
- Es läuft nicht rund. Seit 2020 trennt der geschlossene Bahnübergang das Dorf Lanzenhofen in zwei Teile. Und die als Ersatz vorgesehene Brücke steckt im Genehmigungsverfahren bei den beteiligten Behörden fest. „Lanzenhofen bleibt noch lange ein geteiltes Dorf“, lautete auf schwaebische.de der Titel über einen Anfang Januar erschienenen Bericht zum aktuellen Stand. Der Unmut unter den betroffenen Anwohnern ist groß – und richtet sich auch gegen die Leutkircher Stadtverwaltung. Die sieht sich wiederum zu Unrecht an den Pranger gestellt. Worum es ihnen geht, erklären die Lanzenhofener Tobias Reutlinger und Dietmar Häge in einem Gespräch mit der Redaktion. Angemahnt werden vor allem eine aus Sicht der Betroffenen mangelnde Transparenz sowie das schleppende Verfahren.
Mangelnde Transparenz oder Untätigkeit?
Beim Thema mangelnde Transparenz verweist die Verwaltung auf Sz-anfrage unter anderem darauf, dass laufend Gespräche mit Anwohnern geführt worden seien. Zum Vorwurf der Untätigkeit zwischen Mai 2021 und Sommer 2023 werden die verschiedenen Schritte in diesem Zeitraum dargelegt, die sich demnach vor allem zwischen den beteiligten Behörden, also der Stadt, dem Regierungspräsidium und dem Landratsamt abgespielt haben.
Hat ein Anwohner Einwände vorgebracht?
2022 erklärte Thomas Stupka als Sprecher der Stadtverwaltung auf eine damalige Anfrage: „Leider haben zuerst stockende Grundstücksverhandlungen das Projekt verzögert, dann naturschutzrechtliche Einwände von Anwohnern.“Weiter ist in der entsprechenden Antwort explizit von einem „Anwohner aus Lanzenhofen“die Rede, der gegenüber dem Regierungspräsidium Bedenken geäußert habe. Reutlinger und Häge betonen im Gespräch mit der Redaktion, dass sie sich sicher seien, dass kein Anwohner aus Lanzenhofen solche Bedenken angemeldet hat. Schließlich würden vor Ort alle sehnsüchtig auf das Ende der Ortsteilung warten. Nach langer Zeit gebe es im Dorf wieder einmal mehrere Kinder und Jugendliche, die nun durch den geschlossenen Bahnübergang seit über vier Jahren nicht mehr gemeinsam aufwachsen können.
Kam der besagte Einwand tatsächlich von einem Bürger aus Lanzenhofen? Dazu schreibt Stupka als Verwaltungssprecher nun zuerst nur: „Wir haben keine Kenntnis über den Verursacher.“Und auf erneute Nachfrage dann: „Wir wurden damals informiert, dass es sich um eine ,Anfrage aus dem Umfeld der Baumaßnahme’ gehandelt habe. Wir hatten das so verstanden, dass es sich um Anwohner handelt. Wer das aber nun genau gewesen sein soll, ist uns nicht bekannt.“
Woher kommen die Verzögerungen?
Fraglich ist zudem, ob der besagte Einwand überhaupt maßgeblich dafür ist, dass nun ein Planfeststellungsverfahren nötig ist. Im Mittelpunkt steht hier eine sogenannte Flachland-mähwiese, die für die neue Gemeindestraße, die die neue Brücke an den nördliche Teil von Lanzenhofen anschließen soll, weichen müsste.
Das Landratsamt Ravensburg als untere Naturschutzbehörde erklärt in Person von Sprecherin Selina Nußbaumer mit Blick auf diese Wiese sowie das Brückenbauprojekt: „Wir begleiten das Projekt seit dem Jahr 2010. Die Mähwiese wurde damals bereits festgestellt. Allerdings lag zum damaligen Zeitpunkt die Mähwiese räumlich noch außerhalb des Ffh-gebiets ,Feuchtgebiete bei Waldburg und Kißlegg’.“Im Zuge einer flurstückscharfen Abgrenzung mit Erlass der Ffh-verordnung (Inkrafttreten am 01.01.2019) sei diese Fläche dann aber in das Ffh-gebiet einbezogen worden. „Dadurch hat sich der straßenrechtliche Weg für die Umsetzung des Projektes leider geändert.“
Das bedeutet, so Nußbaumer: Bei einer Umsetzung des Projektes vor 2019 wäre kein Planfeststellungsverfahren erforderlich, sondern eine bloße Anhörung der Naturschutzverwaltung und ein Ausgleich für die Mähwiese ausreichend gewesen. Nun müsse ein solches allerdings zwingend durchgeführt werden, weil wegen des Ffh-gebiets eine Umweltverträglichkeitsprüfung vorgeschrieben sei.
Demnach müsste wohl deutlich früher als 2023 klar gewesen sein, dass ein Planfeststellungsverfahren notwendig ist – unabhängig von etwaigen Einwänden. Dazu schreibt Stupka: „Die Überschneidung des Ffh-gebiets mit dem Baufeld und dem Straßenbau kam erst durch die flurstücksgenaue Abgrenzung unseres Ffh-gebietes, das mit dem neuen Managementplan des Ffhgebiets entwickelt wurde.“Dieser Plan sei datiert zum 12. Oktober 2020.
Ergo: Vor Oktober 2020 musste die Verwaltung nicht mit einem Planfeststellungsverfahren rechnen. Und danach? „Diese Änderung, beziehungsweise die flurstücksgenaue Abgrenzung wurde vom damaligen Naturschutzgutachter leider im weiteren Projektverlauf übersehen“, erklärt Stupka. Zudem sei auch das Landratsamt Anfang 2021 noch davon überzeugt gewesen, dass man hier mit einem Antrag auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung „zu einer Freigabe für die Umsodung der Flachlandmähwiese, wie ursprünglich vom Kreisökologen vorgeschlagen, weiterkomme.“
Noch im Frühsommer 2023 habe die berechtigte Hoffnung bestanden, „dass man auf ein Planfeststellungsverfahren verzichten kann. Der Grund dafür war, dass der Eingriff in die Flachland-mähwiese vergleichsweise gering ist. Unser neuer Fachgutachter
und Fachjuristen des Regierungspräsidiums Tübingen sahen damals durchaus Chancen“, so Stupka.
Dies sei erst bei einem Termin Ende Juli vergangenen Jahres, bei dem unter anderem auch Landrat Harald Sievers und OB Henle dabei gewesen seien, verworfen worden, da die Obere Naturschutzbehörde, also das Regierungspräsidium, „diesen Weg ablehnte“. Welche Rolle dabei der besagte Einwand gespielt haben soll, auf den die Verwaltung 2022 noch explizit als Grund für die Verzögerung verwies, bleibt offen.
Fehler der Verwaltung?
Auf die Frage, ob es rückblickend Punkte im Verfahren gab, bei denen auf Seiten der Stadtverwaltung Fehler gemacht wurden, teilt Stupka mit: „Möglicherweise wurde in der Runde der Fachplaner zu lange gehofft, dass die naturschutzrechtlichen Belange mittels eines vereinfachten, beschleunigten Verfahrens abgearbeitet werden können. Aufgrund des öffentlichen Interesses und der medialen Präsenz wurde dies aber zuletzt von den Genehmigungsbehörden definitiv abgelehnt. Vermutlich wäre es hier sinnvoller gewesen, bereits früher in das Planfeststellungsverfahren einzusteigen.“
Welche Rolle spielt „öffentliches Interesse“?
Warum die Stadtverwaltung erneut davon schreibt, dass dieser Weg „aufgrund des öffentlichen Interesses“abgelehnt worden sei, bleibt offen. Die Frage, ob es für die für ein Planfeststellungsverfahren maßgebliche vorgelagerte Entscheidung, ob eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen ist, einen Ermessensspielraum gibt, bei dem auch das öffentliche Interesse eine Rolle spielt, verneint ein Sprecher des Regierungspräsidiums.
Wie geht’s weiter?
Beim Blick nach vorne erklärt Stupka, dass die für das Planfeststellungsverfahren nötigen Unterlagen alle zusammengestellt „und bis Ende Februar an das Regierungspräsidium übergeben“werden. Und aus dem Landratsamt heißt es: „Wir unterstützen das Vorhaben der Stadt Leutkirch und wollen gemeinsam mit der Stadt Leutkirch erreichen, dass das Regierungspräsidium so schnell wie möglich einen Planfeststellungsbeschluss erlässt.“Die Bedürfnisse der betroffenen Bürger seien für das Landratsamt „absolut nachvollziehbar“.