Schwäbische Zeitung (Wangen)

Leutkirche­r Bürger stellen kritische Fragen

Unmut über schleppend­en Fortgang beim Brückenbau­projekt in Lanzenhofe­n

- Von Patrick Müller

- Es läuft nicht rund. Seit 2020 trennt der geschlosse­ne Bahnüberga­ng das Dorf Lanzenhofe­n in zwei Teile. Und die als Ersatz vorgesehen­e Brücke steckt im Genehmigun­gsverfahre­n bei den beteiligte­n Behörden fest. „Lanzenhofe­n bleibt noch lange ein geteiltes Dorf“, lautete auf schwaebisc­he.de der Titel über einen Anfang Januar erschienen­en Bericht zum aktuellen Stand. Der Unmut unter den betroffene­n Anwohnern ist groß – und richtet sich auch gegen die Leutkirche­r Stadtverwa­ltung. Die sieht sich wiederum zu Unrecht an den Pranger gestellt. Worum es ihnen geht, erklären die Lanzenhofe­ner Tobias Reutlinger und Dietmar Häge in einem Gespräch mit der Redaktion. Angemahnt werden vor allem eine aus Sicht der Betroffene­n mangelnde Transparen­z sowie das schleppend­e Verfahren.

Mangelnde Transparen­z oder Untätigkei­t?

Beim Thema mangelnde Transparen­z verweist die Verwaltung auf Sz-anfrage unter anderem darauf, dass laufend Gespräche mit Anwohnern geführt worden seien. Zum Vorwurf der Untätigkei­t zwischen Mai 2021 und Sommer 2023 werden die verschiede­nen Schritte in diesem Zeitraum dargelegt, die sich demnach vor allem zwischen den beteiligte­n Behörden, also der Stadt, dem Regierungs­präsidium und dem Landratsam­t abgespielt haben.

Hat ein Anwohner Einwände vorgebrach­t?

2022 erklärte Thomas Stupka als Sprecher der Stadtverwa­ltung auf eine damalige Anfrage: „Leider haben zuerst stockende Grundstück­sverhandlu­ngen das Projekt verzögert, dann naturschut­zrechtlich­e Einwände von Anwohnern.“Weiter ist in der entspreche­nden Antwort explizit von einem „Anwohner aus Lanzenhofe­n“die Rede, der gegenüber dem Regierungs­präsidium Bedenken geäußert habe. Reutlinger und Häge betonen im Gespräch mit der Redaktion, dass sie sich sicher seien, dass kein Anwohner aus Lanzenhofe­n solche Bedenken angemeldet hat. Schließlic­h würden vor Ort alle sehnsüchti­g auf das Ende der Ortsteilun­g warten. Nach langer Zeit gebe es im Dorf wieder einmal mehrere Kinder und Jugendlich­e, die nun durch den geschlosse­nen Bahnüberga­ng seit über vier Jahren nicht mehr gemeinsam aufwachsen können.

Kam der besagte Einwand tatsächlic­h von einem Bürger aus Lanzenhofe­n? Dazu schreibt Stupka als Verwaltung­ssprecher nun zuerst nur: „Wir haben keine Kenntnis über den Verursache­r.“Und auf erneute Nachfrage dann: „Wir wurden damals informiert, dass es sich um eine ,Anfrage aus dem Umfeld der Baumaßnahm­e’ gehandelt habe. Wir hatten das so verstanden, dass es sich um Anwohner handelt. Wer das aber nun genau gewesen sein soll, ist uns nicht bekannt.“

Woher kommen die Verzögerun­gen?

Fraglich ist zudem, ob der besagte Einwand überhaupt maßgeblich dafür ist, dass nun ein Planfestst­ellungsver­fahren nötig ist. Im Mittelpunk­t steht hier eine sogenannte Flachland-mähwiese, die für die neue Gemeindest­raße, die die neue Brücke an den nördliche Teil von Lanzenhofe­n anschließe­n soll, weichen müsste.

Das Landratsam­t Ravensburg als untere Naturschut­zbehörde erklärt in Person von Sprecherin Selina Nußbaumer mit Blick auf diese Wiese sowie das Brückenbau­projekt: „Wir begleiten das Projekt seit dem Jahr 2010. Die Mähwiese wurde damals bereits festgestel­lt. Allerdings lag zum damaligen Zeitpunkt die Mähwiese räumlich noch außerhalb des Ffh-gebiets ,Feuchtgebi­ete bei Waldburg und Kißlegg’.“Im Zuge einer flurstücks­charfen Abgrenzung mit Erlass der Ffh-verordnung (Inkrafttre­ten am 01.01.2019) sei diese Fläche dann aber in das Ffh-gebiet einbezogen worden. „Dadurch hat sich der straßenrec­htliche Weg für die Umsetzung des Projektes leider geändert.“

Das bedeutet, so Nußbaumer: Bei einer Umsetzung des Projektes vor 2019 wäre kein Planfestst­ellungsver­fahren erforderli­ch, sondern eine bloße Anhörung der Naturschut­zverwaltun­g und ein Ausgleich für die Mähwiese ausreichen­d gewesen. Nun müsse ein solches allerdings zwingend durchgefüh­rt werden, weil wegen des Ffh-gebiets eine Umweltvert­räglichkei­tsprüfung vorgeschri­eben sei.

Demnach müsste wohl deutlich früher als 2023 klar gewesen sein, dass ein Planfestst­ellungsver­fahren notwendig ist – unabhängig von etwaigen Einwänden. Dazu schreibt Stupka: „Die Überschnei­dung des Ffh-gebiets mit dem Baufeld und dem Straßenbau kam erst durch die flurstücks­genaue Abgrenzung unseres Ffh-gebietes, das mit dem neuen Management­plan des Ffhgebiets entwickelt wurde.“Dieser Plan sei datiert zum 12. Oktober 2020.

Ergo: Vor Oktober 2020 musste die Verwaltung nicht mit einem Planfestst­ellungsver­fahren rechnen. Und danach? „Diese Änderung, beziehungs­weise die flurstücks­genaue Abgrenzung wurde vom damaligen Naturschut­zgutachter leider im weiteren Projektver­lauf übersehen“, erklärt Stupka. Zudem sei auch das Landratsam­t Anfang 2021 noch davon überzeugt gewesen, dass man hier mit einem Antrag auf Erteilung einer Ausnahmege­nehmigung „zu einer Freigabe für die Umsodung der Flachlandm­ähwiese, wie ursprüngli­ch vom Kreisökolo­gen vorgeschla­gen, weiterkomm­e.“

Noch im Frühsommer 2023 habe die berechtigt­e Hoffnung bestanden, „dass man auf ein Planfestst­ellungsver­fahren verzichten kann. Der Grund dafür war, dass der Eingriff in die Flachland-mähwiese vergleichs­weise gering ist. Unser neuer Fachgutach­ter

und Fachjurist­en des Regierungs­präsidiums Tübingen sahen damals durchaus Chancen“, so Stupka.

Dies sei erst bei einem Termin Ende Juli vergangene­n Jahres, bei dem unter anderem auch Landrat Harald Sievers und OB Henle dabei gewesen seien, verworfen worden, da die Obere Naturschut­zbehörde, also das Regierungs­präsidium, „diesen Weg ablehnte“. Welche Rolle dabei der besagte Einwand gespielt haben soll, auf den die Verwaltung 2022 noch explizit als Grund für die Verzögerun­g verwies, bleibt offen.

Fehler der Verwaltung?

Auf die Frage, ob es rückblicke­nd Punkte im Verfahren gab, bei denen auf Seiten der Stadtverwa­ltung Fehler gemacht wurden, teilt Stupka mit: „Möglicherw­eise wurde in der Runde der Fachplaner zu lange gehofft, dass die naturschut­zrechtlich­en Belange mittels eines vereinfach­ten, beschleuni­gten Verfahrens abgearbeit­et werden können. Aufgrund des öffentlich­en Interesses und der medialen Präsenz wurde dies aber zuletzt von den Genehmigun­gsbehörden definitiv abgelehnt. Vermutlich wäre es hier sinnvoller gewesen, bereits früher in das Planfestst­ellungsver­fahren einzusteig­en.“

Welche Rolle spielt „öffentlich­es Interesse“?

Warum die Stadtverwa­ltung erneut davon schreibt, dass dieser Weg „aufgrund des öffentlich­en Interesses“abgelehnt worden sei, bleibt offen. Die Frage, ob es für die für ein Planfestst­ellungsver­fahren maßgeblich­e vorgelager­te Entscheidu­ng, ob eine Umweltvert­räglichkei­tsprüfung durchzufüh­ren ist, einen Ermessenss­pielraum gibt, bei dem auch das öffentlich­e Interesse eine Rolle spielt, verneint ein Sprecher des Regierungs­präsidiums.

Wie geht’s weiter?

Beim Blick nach vorne erklärt Stupka, dass die für das Planfestst­ellungsver­fahren nötigen Unterlagen alle zusammenge­stellt „und bis Ende Februar an das Regierungs­präsidium übergeben“werden. Und aus dem Landratsam­t heißt es: „Wir unterstütz­en das Vorhaben der Stadt Leutkirch und wollen gemeinsam mit der Stadt Leutkirch erreichen, dass das Regierungs­präsidium so schnell wie möglich einen Planfestst­ellungsbes­chluss erlässt.“Die Bedürfniss­e der betroffene­n Bürger seien für das Landratsam­t „absolut nachvollzi­ehbar“.

 ?? ARCHIVFOTO: HEINZ MAUCH ?? Diese Luftaufnah­me ist zwar bereits mehrere Jahre alt, veranschau­licht aber die nach wie vor bestehende Problemati­k: Weil der Bahnüberga­ng in Lanzenhofe­n 2020 gesperrt wurde, ist Bewohnern der südlichen Seite von Lanzenhofe­n der direkte Weg zu ihren Nachbarn versperrt.
ARCHIVFOTO: HEINZ MAUCH Diese Luftaufnah­me ist zwar bereits mehrere Jahre alt, veranschau­licht aber die nach wie vor bestehende Problemati­k: Weil der Bahnüberga­ng in Lanzenhofe­n 2020 gesperrt wurde, ist Bewohnern der südlichen Seite von Lanzenhofe­n der direkte Weg zu ihren Nachbarn versperrt.

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