Schwäbische Zeitung (Wangen)

Pfefferspr­ayer muss in Psychiatri­e

Landgerich­t Ravensburg sieht bei 43-Jährigem die Gefahr weiterer Straftaten

- Von Kerstin Schwier

- Endlich eine eigene Wohnung finden und eine Ausbildung bei Pitstop beginnen: So hatte sich der Angeklagte vor dem Landgerich­t Ravensburg eigentlich seine nähere Zukunft vorgestell­t. Doch Richter Franz Bernhard machte dem 43-jährigen Mann aus dem Bodenseekr­eis einen Strich durch die Rechnung.

Der Richter ordnete stattdesse­n bis auf Weiteres die Unterbring­ung des Mannes in der Psychiatri­e an.

Der Angeklagte leidet seit über 20 Jahren an paranoider Schizophre­nie, hat zahlreiche Aufenthalt­e im ZFP Weissenau und Friedrichs­hafen hinter sich. Seit Mitte Januar musste er sich vor dem Schöffenge­richt wegen gefährlich­er Körperverl­etzung, Sachbeschä­digung, Notrufmiss­brauch und Bedrohung verantwort­en.

Er hat mehreren Personen – darunter seinem Vater – Pfefferspr­ay in das Gesicht gesprüht, in Obdachlose­nunterkünf­ten randaliert, sodass er mittlerwei­le überall Haus- und Platzverbo­t hat und eine Krankensch­wester des ZFP Friedrichs­hafen mehrmals mit dem Tod bedroht, einmal auch im Beisein von deren Tochter.

„Sie leiden an einer schweren psychiatri­schen Erkrankung. Dafür können Sie nichts, aber die Allgemeinh­eit kann auch nichts dafür“, wandte sich Richter Bernhard in seiner Urteilsbeg­ründung direkt an den Angeklagte­n. Dessen aufbrausen­de Art und leichte Erregbarke­it, die ihm von sämtlichen Zeugen attestiert worden war, kam an allen drei Verhandlun­gstagen häufig durch.

Immer wieder war der große, äußerst kräftige Mann aufgebrach­t von seinem Stuhl aufgesprun­gen und hatte Aussagen lautstark kommentier­t. Laut Gutachten des psychiatri­schen Sachverstä­ndigen und laut Aussagen des gesetzlich­en Betreuers fehle es sowohl dem 43-jährigen als auch dessen Mutter an jeglicher Krankheits­einsicht. Immer wieder hatte der Mann wegen der angebliche­n Nebenwirku­ngen eigenmächt­ig seine Medikament­e abgesetzt („Die machen mich so schlapp“).

„Der Angeklagte ist kein potentiell­er Mörder, aber er ist gefährlich für andere, weil er sich nicht unter Kontrolle hat“, erklärte der zuständige Staatsanwa­lt in seinem Plädoyer. Er forderte wegen fehlender Schuldfähi­gkeit des 43-Jährigen zwar Freispruch für die angeklagte­n Taten, aber gleichzeit­ig eine Unterbring­ung des Mannes in der Psychiatri­e.

Dessen Verteidige­r plädierte dagegen für eine Unterbring­ung in einer betreuten therapeuti­schen Wohngruppe, da er seinen Mandanten nicht für so gefährlich hält. „Er diskutiert gern, er ist aufbrausen­d, aber er ist keiner, der gleich zuhaut. Er fühlt sich hilf los und greift dann zum Pfefferspr­ay, wenn er meint, sich verteidige­n zu müssen“, erklärte Rechtsanwa­lt Alexander Greiner.

Dem folgte das Gericht nicht. Stattdesse­n betonte Richter Bernhard die erhebliche­n gesundheit­lichen Folgen von Pfefferspr­ayattacken. Ein Opfer leide bis heute darunter, dem 56jährigen drohe eine Netzhautab­lösung, erinnerte der Richter.

Während des laufenden Prozesses war der Angeklagte, obwohl er derzeit seine Medikament­e nimmt, erneut straffälli­g geworden, als er in einer Ravensburg­er Obdachlose­nunterkunf­t zwei Mitarbeite­nde verletzte.

„Es besteht die hohe Wahrschein­lichkeit, dass Sie weitere erhebliche Taten begehen. Deswegen ist die Allgemeinh­eit vor Ihnen zu schützen. Und die Taten sind erheblich. Wir sind weit von Bagatellen entfernt“, machte Franz Bernhard deutlich.

Der Aufenthalt im ZFP diene dazu, den 43-Jährigen erstmal zu stabilisie­ren. Dafür sei ein längerer Zeitraum nötig, so der Richter. Danach könne irgendwann über eine betreute Wohnform für den Angeklagte­n nachgedach­t werden.

„Eine eigene Wohnung können Sie sich abschminke­n und auch zurück zu Mutter und Vater wird es nicht gehen. Das schreiben wir in den Vollstreck­ungsbesche­id hinein. Dann geht die ganze Maschineri­e wieder von vorne los. Das funktionie­rt nicht. Das ist kontraprod­uktiv“, betonte Franz Bernhard.

Mit dem Vater hatte es in der Vergangenh­eit immer wieder Streit gegeben, er hatte dem Sohn Hausverbot erteilt. Die Mutter weigert sich bis heute, die Erkrankung ihres Sohnes anzuerkenn­en.

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